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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ws 46/00 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Außervollzugsetzung, Haftbefehl

Normen: StPO 116

Beschluss: Strafsache gegen K.O.,
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz u.a.,
(hier: Ablehnung der Außervollzugsetzung des Haftbefehles).

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 30.11.1999 gegen den Beschluss der Strafkammer XI des Landgerichts Essen vom 22.11.1999 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 03.02.2000 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe: I. Das Landgericht Essen hat den Angeklagten nach mehrtägiger Hauptverhandlung am 23.07.1999 wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen und wegen "Vergehens gegen das Waffengesetz" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zugleich hat das erkennende Gericht am Schluss der Hauptverhandlung den noch aus dem Ermittlungsverfahren resultierenden Haftbefehl des Amtsgerichts Essen vom 22.05.1998 (Az.: 71 Gs 780/98) und den Haftverschonungsbeschluss des Landgerichts Essen vom 24.11.1998 aufrechterhalten. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Aufrechterhaltung der Außervollzugsetzung des Haftbefehls hat die Kammer noch am selben Tage der Beschwerde abgeholfen und den Haftbefehl unter Aufhebung des Haftverschonungsbeschlusses wieder in Vollzug gesetzt. Im Anschluss an die Verkündung dieser Entscheidung am 26.07.1999 - der Angeklagte war am 25.07.1999 festgenommen worden - hat die Kammer den Haftbefehl auch inhaltlich dem am 23.07.1999 verkündeten Urteil, gegen das der Angeklagte Revision eingelegt hat, angepasst.
Mit Schriftsatz vom 08.11.1999 hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger die erneute Außervollzugsetzung des Haftbefehls beantragt. Zur Begründung hat er sich dabei im Wesentlichen auf seine familiären Bindungen und sein bisheriges Verhalten während der vorangegangenen Zeit der Außervollzugsetzung des Haftbefehls berufen. Mit Beschluss vom 22.11.1999 hat die Strafkammer den Antrag auf Außervollzugsetzung des Haftbefehls zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II. Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft war die gemäß § 304 Abs. 1 StPO statthafte und zulässige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Denn die Voraussetzungen der Untersuchungshaft gemäß § 112 StPO sind weiterhin gegeben und weniger einschneidende Maßnahmen i.S.d. § 116 StPO begründen nicht die hinreichende Erwartung, dass der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann.
Der dringende Tatverdacht i.S.d. § 112 Abs. 1 StPO ergibt sich daraus, dass der Angeklagte durch das Landgericht nach mehrtägiger Hauptverhandlung wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen und wegen Vergehens gegen das Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Denn der Umstand, dass das Gericht nach Durchführung eines rechtsstaatlichen Regelungen unterworfenen Erkenntnisverfahrens die Überzeugung von der Täterschaft und Schuld des Angeklagten gewonnen hat, spricht für eine hohe Wahrscheinlichkeit strafbaren Handelns in der festgestellten Weise. Für eine andere Beurteilung gibt es derzeit keinen Anlass.
Es besteht auch der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO. Bei Würdigung aller insoweit bedeutsamen Umstände, insbesondere der hier - wenn auch noch nicht rechtskräftig - verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten und dem daraus für den Angeklagten resultierenden Fluchtanreiz spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass der Angeklagte sich im Falle seiner Freilassung dem weiteren Strafverfahren durch Flucht oder Untertauchen entzieht, anstatt sich ihm zu stellen.
Zu Recht ist das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung auch davon ausgegangen, dass weniger einschneidende Maßnahmen gemäß § 116 Abs. 1 StPO als die Inhaftierung nicht ausreichend sind, um den Zweck der Untersuchungshaft zu erfüllen. Durch das gegen ihn ergangene tatgerichtliche Urteil hat sich der Fluchtanreiz für den Angeklagten nunmehr deutlich erhöht und aktualisiert. Während der Hauptverhandlung, in der er sich zur Sache nicht geäußert hat, konnte er der Hoffnung Raum geben, dass die Beweise zu seiner Überführung nicht ausreichen oder nur zu einer geringen Strafe gegen ihn führen würden. Der Angeklagte, dessen Verteidiger noch mit seinem Schlussantrag Freispruch beantragt hat, ist demgegenüber durch die Urteilsverkündung nun damit konfrontiert worden, dass ihm die Vollstreckung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe droht. Da sich die Chancen auf einen günstigen Ausgang des Strafverfahrens für ihn mit der Urteilsverkündung erheblich verschlechtert haben, kommt dem bisherigen Verhalten des Angeklagten und dem Umstand, dass er sich der mehrtägigen Hauptverhandlung gestellt hat, für die Beurteilung der aktuellen Fluchtgefahr nicht das von der Verteidigung beigemessene Gewicht zu.
Der Fluchtanreiz wird auch durch die vom Angeklagten angeführten persönlichen und sozialen Bindungen nicht so weit herabgesetzt, dass Auflagen und/oder Weisungen ausreichten, um den Haftzweck zu sichern. Der Angeklagte ist zwar verheiratet und hat vier Kinder. Seine Entwicklung und sonstigen Lebensumstände (Geburt im Libanon, dortiges Aufwachsen bis zum Alter von 15 Jahren, seine Arbeits- und Vermögenslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, Ablehnung seines Asylantrags, mehrere Vorstrafen sowie Kontakte zum Drogenmilieu) belegen jedoch, dass seine Lebenssituation nicht als hinreichend gefestigt angesehen werden kann.
Die weitere Haftfortdauer ist angesichts der Höhe der gegen den Angeklagten durch Urteil vom 23.07.1999 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe auch unter Berücksichtigung der Dauer der bisherigen Untersuchungshaft nicht unverhältnismäßig.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO zu verwerfen.


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