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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 BL 216/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: BL6

Stichworte: Gutachten im Zwischenverfahren, lange Dauer, psychiatrisches Gutachten, Ablehnung der Exploration

Normen: StPO 121, StPO 122

Beschluss: Strafsache gegen R.K.,
wegen Mordes,
hier: Haftprüfung durch das Oberlandesgericht.

Auf die Vorlage der (Doppel-)Akten zur Entscheidung nach §§ 121, 122 StPO hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 13.01.2000 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Angeklagten beschlossen:

Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.
Die Haftprüfung für die nächsten drei Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.

Gründe: Der Angeklagte ist in der vorliegenden Sache am 22.06.1999 polizeilich festgenommen und aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Münster vom 23.06.1999 - 23 Gs 1889/99 - an diesem Tage zur Untersuchungshaft gebracht worden, die seitdem ununterbrochen vollzogen wird. Die Untersuchungshaft dauert damit seit nunmehr über sechs Monaten an.
Mit dem genannten Haftbefehl wird dem Angeklagten zur Last gelegt, am 30.05.1999 dadurch einen Mord begangen zu haben, daß er in den Tagen zuvor aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch Manipulationen am Hauptfallschirm, am Reservefallschirm und am Notauslösegerät des Fallschirms der A.U. vorgenommen habe, so daß A.U., wie von ihm beabsichtigt, bei ihrem nächsten Fallschirmsprung am 30.05.1999 in den Tod stürzte. Als Haftgrund hat das Amtsgericht den besonderen Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO und Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) bejaht.
Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft entsprechend war die weitere Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft des Angeklagten über sechs Monate hinaus anzuordnen. Er ist des ihm zur Last gelegten Tatgeschehens nach dem Ergebnis der bisherigen kriminalpolizeilichen Ermittlungen dringend verdächtig.
Der dringende Tatverdacht gründet sich auf die geständigen Angaben des Angeklagten in seinen polizeilichen und richterlichen Vernehmungen vom 22. und 23.06.1999. Wenn auch der Angeklagte diese Geständnisse zwischenzeitlich widerrufen hat, steht dies der Annahme dringenden Tatverdachts nicht entgegen, da Einzelheiten der Vorgeschichte der Tat und der Motivationslage, wie sie vom Angeklagten geschildert worden sind, durch zahlreiche Zeugenaussagen bestätigt worden sind und auch die von ihm vor der Polizei demonstrierten Manipulationshandlungen am Fallschirm mit dem Ablauf des Todessturzes technisch in Einklang zu bringen sind.
Durch diese Beweismittel, die auch noch durch weitere Ermittlungsergebnisse erhärtet werden, wird der Angeklagte i. S. der Vorwürfe, die Gegenstand des amtsgerichtlichen Haftbefehls sind, schwer belastet.
Mit diesem Vorwurf identisch ist die Anklage der Staatsanwaltschaft Münster vom 20.07.1999, die das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zutreffend zusammenfaßt. Sie ist dem Angeklagten und seinem Verteidiger zugestellt und durch Beschluß des Landgerichts vom 26.11.1999 zur Hauptverhandlung zugelassen worden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen des dringenden Tatverdachts deshalb auch auf den Inhalt der Anklageschrift Bezug genommen.
Bei dem Angeklagten besteht auch weiterhin der Haftgrund der Schwere der Tat (§ 112 Abs. 3 StPO), denn es ist nach den Umständen des Falles zumindest nicht auszuschließen, daß er sich dem Verfahren durch Flucht entzieht, würde er freigelassen. Er hat wegen der ihm zur Last gelegten Tat mit der Verhängung einer hohen, möglicherweise lebenslangen Freiheitsstrafe zu rechnen, was für ihn einen beträchtlichen Fluchtanreiz begründet. Dem stehen ersichtlich keine hinreichend tragfähigen sozialen Bindungen gegenüber.
Auf diesem Hintergrund sind weniger einschneidende Maßnahmen als die Anordnung und auch der Vollzug der Untersuchungshaft (§ 116 StPO) nicht ausreichend, um die Fluchtgefahr wirksam einzudämmen.
Die Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Verurteilungsfalle zu erwartenden Bestrafung.
Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus sind gleichfalls gegeben. Das Ermittlungsverfahren ist mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung betrieben worden. Noch vor Eingang zahlreicher in Auftrag gegebener Gutachten hat die Staatsanwaltschaft bereits am 20.07.1999 die öffentliche Klage erhoben. Unmittelbar nach Eingang der Akten beim Landgericht hat der Vorsitzende des Schwurgerichts die Mitteilung der Anklage an den Angeklagten und seinen Verteidiger mit einer angemessenen Stellungnahmefrist von drei Wochen verfügt. Am 09.08.1999 hat das Schwurgericht die Sachverständigen Prof. Dr. L/Dr. N. im Zwischenverfahren mit der Erstellung eines psychiatrisch-psychologischen Gutachtens zur Schuldfähigkeit des Angeklagten und zur Frage seiner eventuellen Unterbringung gemäß §§ 63, 64 StGB beauftragt. Die Auswahl dieser Sachverständigen erfolgte im ausdrücklichen Einvernehmen mit der Verteidigung, die wegen der Besonderheiten des Falles auf die hohe Sachkunde gerade dieser Sachverständigen gesteigerten Wert legte. Dabei war allen Verfahrensbeteiligten klar, daß die Vorlage des vorläufigen Gutachtens aufgrund der starken beruflichen Belastung der Sachverständigen nicht kurzfristig werde erfolgen können. In der Folgezeit sind mehrere andere, zuvor von der Kriminalpolizei in Auftrag gegebene Gutachten eingegangen, so die gutachterliche Äußerung des Sachverständigen B. vom 26.08.1999 zur Nachvollziehbarkeit der vom Angeklagten geschilderten Manipulationen am Fallschirm, das Gutachten des Landeskriminalamtes vom 05.10.1999 zur Auswertung von Mikrospuren und die Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin Münster vom 5. Und 19.10.1999 zu Spuren an einer in der Wohnung des Angeklagten aufgefundenen Spritze und zu DNA-Spuren am Fallschirm der A.U.
Nachdem ihr das Ergebnis des vorläufigen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. L. vorab mitgeteilt worden war, hat die Schwurgerichtskammer die Eröffnung des Hauptverfahrens am 26.11.1999 beschlossen. Die lange Dauer für die Erstellung des Gutachtens - das schriftliche Gutachten datiert vom 20.12.1999 - erklärt sich einerseits mit der bekannten starken beruflichen Belastung des Sachverständigen, andererseits vor allem aber damit, daß sich die Exploration des Angeklagten, der zudem vorübergehend eine Begutachtung abgelehnt und dadurch zusätzlich eine gewisse Verzögerung selbst verursacht hatte, als ungewöhnlich aufwendig herausgestellt hat. So waren in der Zeit vom 24. 9. bis zum 20.11.1999 acht Besuche des Angeklagten durch die Sachverständigen erforderlich.
Die Hauptverhandlung ist für die Zeit vom 18. bis zum 13.03.2000 mit insgesamt 11 Hauptverhandlungstagen festgesetzt worden. Das ist in Hinblick auf den Eröffnungsbeschluß vom 26.11.1999 nicht zu beanstanden, zumal der Verteidiger in der Zeit vom 23.12.1999 bis zum 6. 2000 und die Sachverständigen Prof. Dr. L. und Dr. N. bis zum 17.01.2000 verhindert sind.
Bei dieser Sachlage bedarf es eines weiteren Eingehens auf den Vermerk des Kammervorsitzenden vom 30.09.1999 nicht.
Wenn unter diesen Umständen das Verfahren noch nicht abgeschlossen werden konnte, so beruht das somit auf wichtigen Gründen i. S. v. § 121 Abs. 1 StPO, die ein Urteil noch nicht zugelassen haben, es andererseits aber rechtfertigen, die auch vom Landgericht für erforderlich erachtete Untersuchungshaft des Angeklagten über sechs Monate hinaus aufrechtzuerhalten.
Die Nebenentscheidung folgt aus § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO.


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