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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ss 0Wi 309/03 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Frage der Auswirkungen, wenn der Tatrichter den verwirklichten Ordnungswidrigkeitentatbestand nicht anführt, zur Messung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren und zur Feststellung der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen

Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Ordnungswidrigkeitentatbestand, Fehlen, Lücke; Urteilsgründe, Nachfahren, Geschwindigkeitsüberschreitung; Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen

Normen: StPO 267, StVO 3

Beschluss: Bußgeldsache
gegen H.A.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Minden/Westfalen vom 22. Januar 2003 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des
Oberlandesgerichts Hamm am 26. 06. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Minden zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Minden hat durch Urteil vom 22.01.2003 gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße von 175,00 Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Das Amtsgericht hat zur Person des Betroffenen festgestellt, dass er sechs einschlägige Voreintragungen aufweist.

Zur Sache hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

„Am 10.05.2002 gegen 5.15 Uhr befuhr der Betroffene in Bad Oeynhausen die BAB 2 zwischen den Kilometern 300 und 299 Richtung Hannover als Führer und Halter des Pkw BMW XXXXXX. Im dortigen Bereich ist die Geschwindigkeit auf 120 km/h beschränkt. Mit dem Messfahrzeug der Polizei Pkw, Typ Opel Omega, amtliches Kennzeichen XXXXXX, Tachometer justiert am 09.01.2002 mit einem Skalenendwert von 260 km/h wurde zwischen den Kilometern 300 und 299 bei einem gleichbleibenden Abstand von 150 m eine Geschwindigkeit von 200 km/h abgelesen. Unter Abzug von 15 % der abgelesenen Geschwindigkeit ergab sich somit eine vorwerfbare Mindestgeschwindigkeit von 170 km/h.“

Nach den weiteren Ausführungen des Amtsgerichts haben die vernommenen Zeugen in der Hauptverhandlung in klarer überzeugender Weise den Vorgang des Nachfahrens geschildert und insbesondere deutlich gemacht, dass ein gleichbleibender Abstand vorlag.

Den Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

„Aufgrund dieses festgestellten Sachverhalts steht fest, dass der Betroffene zumindest fahrlässig die dort vorgeschriebene Geschwindigkeitsbeschränkung von 120 km/h überschritten hat. Unter Zugrundelegung der von den Zeugen abgelesenen Geschwindigkeit von 200 km/h musste deshalb von einer verwertbaren Geschwindigkeit von 50 km/h ausgegangen werden. Unter Berücksichtigung der Vorbelastungen erschien es deshalb notwendig und erforderlich zu sein, gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 155 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat zu verhängen.“

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der eine Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat mit der erhobenen Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
Einer Erörterung der außerdem erhobenen Verfahrensrüge bedurfte es daher nicht.

Soweit die Rechtsbeschwerde rügt, das Amtsgericht habe den durch den Betroffenen verwirklichten Ordnungswidrigkeitentatbestand nicht festgestellt, führt dies allerdings nicht schon zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Der Senat folgt insoweit der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft, die dazu Folgendes ausgeführt hat:

„Zwar müssen die Urteilsgründe in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zum Ausdruck bringen, welchen gesetzlichen Tatbestand das Gericht als erfüllt ansieht und welche Vorschriften für die Bemessung der Rechtsfolgen maßgeblich waren. Der Urteilstenor und die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, gegen welche Tatbestände ein Betroffener verstoßen hat. Mit der Nichtanführung des angewandten Ordnungswidrigkeitentatbestandes kann eine Rechtsbeschwerde aber nur dann Erfolg habe, wenn auch nach Heranziehung der Urteilsformel und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs der Urteilsgründe zweifelhaft bleibt, welchen Ordnungswidrigkeitentatbestand das Gericht als erfüllt ansieht. Nur in einem derartigen Fall kann das Urteil auf einem Mangel des § 267 Abs. 3 StPO beruhen. Selbst das vollständige Fehlen der Bezeichnung des zur Anwendung gebrachten Ordnungswidrigkeitentatbestandes kann unbeachtlich sein, wenn das Urteil seinen Wortlaut wiedergibt (LR-Gollwitzer StPO, 24. Aufl. § 267 Rdn 75). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil noch, weil dem Tenor in Verbindung mit den Urteilsgründen hinreichend entnommen werden kann, dass der Betroffene wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft schuldig gesprochen worden ist.

Der Schuldausspruch des angefochtenen Urteils konnte jedoch keinen Bestand haben, da die getroffenen Feststellungen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht tragen. An die Urteilsgründe in Bußgeldsachen sind zwar keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie müssen aber so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung der richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird. Hinsichtlich der Beweiswürdigung müssen die Urteilsgründe in der Regel auch erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat, wie sich der Betroffene eingelassen hat und ob sowie gegebenenfalls aus welchen Gründen das Gericht dieser Einlassung folgt oder ob und inwieweit es seine Einlassung als widerlegt ansieht. (Göhler, OWiG, 134. Aufl., § 71 Rdz. a.a.O., Rdz. 42, 43 m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.

Die Urteilsgründe enthalten keine Ausführungen dazu, worauf der Amtsrichter seine Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen gestützt hat. Aus dem angefochtenen Urteil, das die Einlassung des Betroffenen nicht mitteilt, lässt sich weder entnehmen, dass der Betroffene das ihm vorgeworfene Fehlverhalten in vollem Umfang glaubhaft eingeräumt hat, noch ergibt daraus, aufgrund welcher Beweismittel der Amtsrichter den Betroffenen als der ihm zu Last gelegten Tat überführt angesehen hat.

Die amtsgerichtlichen Feststellungen zu der dem Betroffenen vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung sind zudem materiell-rechtlich unvollständig und ermöglichen daher dem Senat nicht die vorzunehmende Überprüfung, ob der Schuldausspruch auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruht.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde und auch der Generalstaatsanwaltschaft lässt das angefochtene Urteil allerdings die Messmethode, mit der die hier in Rede stehende Geschwindigkeitsüberschreitung ermittelt worden ist, noch hinreichend erkennen. Auf Blatt 3 im zweitletzten Abschnitt der Urteilsgründe wird nämlich ausgeführt, dass die vernommenen Zeugen in der Hauptverhandlung in klarer überzeugender Weise den Vorgang des Nachfahrens geschildert und insbesondere deutlich gemacht hätten, dass ein gleichbleibender Abstand vorlag.

Das angefochtene Urteil wird den im Falle der Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren an die Urteilsgründe zu stellenden Anforderungen auch insoweit gerecht, als darin die Länge der Messtrecke (1000 m, nämlich zwischen den Kilometern 300 und 299), der eingehaltener Abstand (150 m), die Geschwindigkeit des nachfahrenden Fahrzeugs (200 Km/h) sowie die Höhe des Sicherheitsabschlages (15 %) mitgeteilt werden.

Erfolgt die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren und Tachometervergleich allerdings zur Nachtzeit, ist neben den allgemeinen Vorgaben der obergerichtlichen Rechtsprechung für die Verwertbarkeit solcher Geschwindigkeitsmessungen (vgl. insoweit Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 3 StVO Rdz. 62) zusätzlich zu berücksichtigen, dass durch die dann herrschenden Beleuchtungsverhältnisse in der Regel die Überprüfung, ob ein gleichbleibender Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug eingehalten wird, erheblich erschwert ist (Senatsbeschlüsse vom 17.06.2003 3 Ss Owi 1073/03 -, vom 27.02.2001 - 3 Ss OWi 1209/00 -, vom 03.02.1998 - 3 Ss 0Wi 69/98 und vom 20.02.1996 - 3 Ss 0Wi 49/96 -; OLG Hamm VRS 96, 458, 459; OLG Hamm DAR 1998, 75, 76; OLG Hamm MDR 1998, 155, 156; OLG Düsseldorf NZV 1999, 138, 139). Bei einer solchen Fallgestaltung sind daher in der Regel besondere Feststellungen zu den Beleuchtungsverhältnissen und den Orientierungspunkten für die Schätzung des Abstandes zu dem vorausfahrenden Fahrzeug erforderlich (vgl. zunächst die vorstehenden Nachweise, zudem: OLG Hamm, 4. Senat für Bußgeldsachen, Beschlüsse vom 06.05.1999 - 4 Ss 0Wi 465/99 -, vom 12.10.1999 - 4 Ss OWi 610/99 - und vom 11.07.2000 - 4 Ss 0Wi 676/00). Das Gleiche gilt bei schlechten Sichtverhältnissen. Da nach den Urteilsfeststellungen der Geschwindigkeitsverstoß um 0.5.15 Uhr, also sehr früh am Morgen des 10.05.2002 gemessen worden ist, können eingeschränkte Sicht- und Lichtverhältnisse nicht ausgeschlossen werden. Der Amtsrichter hätte daher zumindest Ausführungen zu den damaligen Sicht- und Lichtverhältnissen machen müssen, die das angefochtene Urteil aber vermissen lässt.

Auch der Rechtsfolgenausspruch hält einer rechtlicher Nachprüfung nicht Stand. Die nach den Ausführungen in den Urteilsgründen verhängte Geldbuße von155,00 € steht im Widerspruch zu der Urteilsformel, wonach der Betroffene zu einer Geldbuße von 175 € verurteilt wird. Da die Höhe der festgesetzten Geldbuße in den Urteilsgründen nicht näher begründet worden ist es erfolgt lediglich ein Hinweis auf die Voreintragungen des Betroffenen lässt sich der Widerspruch auch nicht aufklären.

Das angefochtene Urteil enthält außerdem keinerlei Feststellungen zu den persönlichen, insbesondere den beruflichen Verhältnissen des Betroffenen. Damit ist es dem Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich zu prüfen, ob die Verhängung eines Fahrverbotes etwa wegen besonderer Umstände in den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen eine unverhältnismäßige Reaktion auf die Tat darstellt. Die Notwendigkeit, hierzu Feststellungen zu treffen, entfällt auch nicht deshalb, weil der Regelfall nach der Bußgeldkatalogverordnung vorliegt. Denn gemindert ist in solchen Fällen für den Tatrichter allein der notwendige Begründungsaufwand (vgl. Senatsbeschluss vom 26.11.2002 3 Ss Owi 647/02 - ;OLG Hamm, Beschluss vom 09.11.1999 - 4 Ss 0Wi 1061/99 -, veröffentlicht in DAR 2000,130, m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 22.05.2002 - 2 Ss 0Wi 200/02 -, veröffentlicht in NZV 2002, 413). Darüber hinaus lässt das angefochtene Urteil auch nicht erkennen, dass sich der Tatrichter der Möglichkeit gemäß § 4 Abs. 4 BKatV, von der Verhängung des Regelfahrverbotes gegen eine Erhöhung der Geldbuße absehen zu können (vgl. BGH NJW 1992, 446), bewusst war.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Dabei hielt der Senat es für angebracht, von der Möglichkeit einer Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts gemäß § 79 Abs. 6 OWiG (vgl. Göhler, a.a.O., § 79 Rdz. 48) Gebrauch zu machen.


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