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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ws 306/03 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Erlass eines Haftbefehls in der Hauptverhandlung und zu den Anforderungen an die Begründung

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Haftbefehl; Ausbleiben in der Hauptverhandlung, Erlass eines Haftbefehls in der Hauptverhandlung; Anforderungen an die Begründung; Zuständigkeit]

Normen: StPO 230

Beschluss: Strafsache

gegen M.N.
wegen Inverkehrbringen von Falschgeld u.a.,
(hier: weitere Haftbeschwerde des Angeklagten

Auf die weitere Haftbeschwerde des Angeklagten vom 16.05.2003 gegen den Beschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Essen vom 12.05.2003 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05. 08. 2003 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der Haftbefehl des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 25.04.2002 - 6 Ls 71 Js 22/01 - 92/01 - wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Angeklagten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:
I.
Vor dem Amtsgericht - Schöffengericht - Gelsenkirchen-Buer ist gegen den Angeklagten ein Strafverfahren anhängig, in dem ihm zur Last gelegt wird, falsches Geld, das er sich unter den Voraussetzungen des § 146 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB verschafft hat, als echt in den Verkehr gebracht, sowie sich eines Betruges gemäß § 263 StGB schuldig gemacht zu haben. In der auf den 25.04.2002 vor dem Schöffengericht Gelsenkirchen-Buer anberaumten Hauptverhandlung ist der Angeklagte nicht erschienen. Das über den Hauptverhandlungstermin erstellte Sitzungsprotokoll enthält folgende Anlage:

„Strafsache gegen Nikolic u.a. - 6 Ls 92/01 -

Es wurde festgestellt, dass die Angeklagten M.N., A.N. und J.J,. nicht erschienen sind.
Die ordnungsgemäße Ladung wurde anhand der Zustellungsurkunden festgestellt.

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft beantragt Haftbefehl gegen die drei nicht erschienenen Angeklagten.

Es ergeht Haftbefehl gegen die drei nicht erschienenen Angeklagten, mit folgendem Zusatz:

Die Ladung wurde den Angeklagten persönlich zugestellt. Wegen des Umfangs des Verfahrens und der Schwergewichtigkeit der Taten wird einer Außervollzugsetzung widersprochen.

Das Protokoll wurde fertiggestellt am 25.04.2002.“

Es folgen sodann die Unterschriften des Amtsrichters sowie der Protokollführerin.

Der Amtsrichter verfügte sodann unter dem 29.04.2002 die Wiedervorlage der Akte mit den Haftbefehlen. In den Akten befindet sich im Anschluss an diese Verfügung ein Haftbefehl des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 25.04.2002, in dem gegen den Angeklagten und zwei seiner Mittäter ausdrücklich die Untersuchungshaft angeordnet wird. In dem Haftbefehl folgen sodann die dem Angeklagten und den Mitangeklagten zur Last gelegten Taten sowie die Mitteilung, dass sie dieser Taten dringend verdächtig sind. Sodann wird in dem Haftbefehl ausgeführt, die Angeklagten seien zum Hauptverhandlungstermin am 25.04.2002 unentschuldigt nicht erschienen. Es folgt im Anschluss daran der Zusatz aus dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 25.04.2002 sowie die Angabe, dass gegen den Angeklagten und die beiden Mitangeklagten der Haftgrund des § 230 StPO bestehe. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Haftbefehls wird auf Bl. 468 der Akten verwiesen. Unterzeichnet worden ist dieser Haftbefehl von dem Amtsrichter, und zwar in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Schöffengerichts.

Gegen diesen Haftbefehl richtet sich die Beschwerde des Angeklagten vom 17.04.2003, die mit dem angefochtenen Beschluss des Landgerichts Essen vom 12.05.2003 als unbegründet verworfen worden ist. Gegen diesen Beschluss hat der Angeklagte weitere Haftbeschwerde eingelegt, der die Strafkammer durch Beschluss vom 07.07.2003 nicht abgeholfen hat.

II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Sie führt zu einer Aufhebung des Haftbefehls vom 25.04.2003.

Der Haftbefehl gemäß § 230 Abs. 2 StPO stellt eine Reaktion des erkennenden Gerichtes auf das Ausbleiben des Angeklagten nach begonnener Hauptverhandlung dar. Über die Anordnung der in § 230 Abs. 2 StPO vorgesehenen Zwangsmittel entscheidet daher nach herrschender Auffassung grundsätzlich das erkennende Gericht in der Hauptverhandlung in der dafür maßgebenden Besetzung, also unter Mitwirkung der Schöffen (vgl. Tolksdorf in KK, StPO, 4. Aufl., § 230 Randziffer 17 m.w.N.; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 230 Randziffer 24; Schlüchter in SK, StPO, § 230 Randziffer 15). Zum Teil wird es allerdings für zulässig gehalten, dass sich das Gericht mit Rücksicht auf die noch vorzunehmende Überprüfung vorgebrachter Entschuldigungsgründe oder angekündigter Nachweise die Anordnung von Maßnahmen gemäß § 230 Abs. 2 StPO durch Beschluss in der Hauptverhandlung durch eine spätere Entscheidung des Gerichtes, die dann außerhalb der Hauptverhandlung (ohne Schöffen) ergeht, vorbehält (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., m.w.N.; noch weitergehend Gollwitzer in L-R, StPO 25. Aufl., § 230 Randziffer 44, der das Gericht auch dann für befugt hält, Maßnahmen nach § 230 Abs. 2 StPO nach Aufklärung des Sachverhaltes noch in der Beschlussbesetzung anzuordnen, wenn eine solche Beschlussfassung nicht ausdrücklich in der Hauptverhandlung vorbehalten worden ist).

Im vorliegenden Verfahren hat das Gericht in der Hauptverhandlung die oben wiedergegebene und in der Anlage zum Protokoll vom 25.04.2002 enthaltene Entscheidung getroffen, dass gegen die drei nicht erschienenen Angeklagten ein Haftbefehl mit dem nachfolgend aufgeführten Zusatz ergeht. Hierbei handelt es sich zwar um eine Entscheidung des Gerichts, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass diese Entscheidung allein durch den Vorsitzenden des Schöffengerichts ergangen ist. Sie beinhaltet aber keinen wirksamen Haftbefehl. Denn sie lässt nicht nur jegliche Begründung vermissen - für den Haftbefehl gemäß § 230 Abs. 2 StPO gilt die Vorschrift des § 114 Abs. 2 StPO entsprechend (vgl. Tolksdorf in KK, StPO, a.a.O., § 230 Randziffer 14) - sondern es fehlt vor allem an der für einen Haftbefehl notwendigen Anordnung, dass gegen die Angeklagten die Untersuchungshaft angeordnet wird. Fehlt ein die Untersuchungshaft anordnender Satz, liegt kein Haftbefehl vor; die Bezeichnung als Haftbefehl ersetzt die fehlende ausdrückliche Anordnung nicht (vgl. Hilger in L-R, StPO, a.a.O., § 114 Randziffer 4 m.w.N.).

Aus der durch das Schöffengericht am 25.04.2002 getroffenen Entscheidung ergibt sich lediglich, dass ein Haftbefehl gegen die drei Angeklagten ergeht. Eine ausdrückliche Anordnung, dass der Angeklagte in Untersuchungshaft zu bringen ist, oder, dass gegen ihn Untersuchungshaft angeordnet wird, ergibt sich weder aus dem Protokoll vom 25.04.2002 noch aus einer Anlage zu dieser Sitzungsniederschrift. Der nach der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden des Schöffengerichts erlassene und unterzeichnete Haftbefehl vom 25.04.2002 enthält zwar die erforderliche Anordnung der Untersuchungshaft gegenüber den Angeklagten und entspricht darüber hinaus auch den Voraussetzungen des § 114 Abs. 2 StPO. Der Vorsitzende des Schöffengerichts war aber - wie bereits oben dargelegt - nach der herrschenden Meinung, der sich der Senat anschließt, nicht befugt, außerhalb der Hauptverhandlung ohne Mitwirkung der Schöffen einen Haftbefehl gemäß § 230 Abs. 2 StPO zu erlassen. Es lagen auch nicht die Voraussetzungen vor, unter denen in der Rechtsprechung und Literatur teilweise eine Entscheidung über Zwangsmaßnahmen gemäß § 230 Abs. 2 StPO außerhalb der Hauptverhandlung für zulässig angesehen wird (vgl. Meyer-Goßner, StPO, a.a.O., § 230 Randziffer 24). Denn in der Hauptverhandlung am 25.04.2003 ist eine Entscheidung über Zwangsmaßnahmen gemäß § 230 StPO für einen späteren Zeitpunkt nicht vorbehalten worden. Ebensowenig ergeben sich vorliegend Anhaltspunkte dafür, dass vor einer Entscheidung über einen Haftbefehl gemäß § 230 StPO weitere Ermittlungen oder Nachforschungen getätigt werden mussten.

Der Haftbefehl vom 25.04.2003 war daher aufzuheben. Ein erneuter Haftbefehl gegen den Angeklagten kann außerhalb der Hauptverhandlung nur auf die Voraussetzungen der §§ 112 ff. StPO gestützt werden (so zutreffend LG Zweibrücken in NStZ-RR 1998, 112). Die Entscheidung darüber, ob die Untersuchungshaft gegen den Angeklagten nach diesen Vorschriften anzuordnen ist, obliegt aber gemäß § 125 Abs. 2 StPO dem Schöffengericht. Um dessen Erstzuständigkeit nicht zu umgehen, ist es dem Beschwerdegericht selbst verwehrt, einen Haftbefehl gemäß § 230 StPO in einen solchen nach den §§ 112 ff. StPO umzuändern (vgl. Gollwitzer in L-R, StPO, a.a.O., § 230 Randziffer 49; Meyer-Goßner, StPO, a.a.O., § 230 Randziffer 25).

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 473 Abs. 4 StPO.


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