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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss OWi 412/03 OLG Hamm

Leitsatz: Hat der Tatrichter irrtümlich die Voraussetzungen für ein abgekürztes Urteil im Sinne von § 77b Abs. 1 Satz 1 OWiG angenommen und ist diese Urteilsfassung aus dem inneren Dienstbereich herausgegeben, darf das Urteil nicht mehr geändert werden.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Rechtsbeschwerde, abgekürztes Urteil, Voraussetzungen für Ergänzung

Normen: OWiG 77 b

Beschluss: Bußgeldsache
gegen T.S.
en Schlüter,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 09. Dezember 2002 gegen das Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 05. Dezember 2002 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 30. 06. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:

Das Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 05. Dezember 2002 wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens- an das Amtsgericht Herne Wanne zurückverwiesen.

G r ü n d e:
I.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung nach den „§§ 41, 49 StVO in Verbindung mit § 24 StVG“ eine Geldbuße von 100 EURO festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit der im Einzelnen ausgeführten Rüge des materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. a) Das angefochtene Urteil ist auf die Sachrüge hin aufzuheben, da es keine Gründe enthält. Der Tatrichter hat nämlich nur ein nicht mit Gründen versehenes (abgekürztes) Urteil zu den Akten gebracht (Bl. 28 R d.A.),obwohl der Betroffene rechtzeitig unter dem 09. Dezember 2002 Rechtsbeschwerde gegen das am 05. Dezember 2002 erlassene Urteil eingelegt hatte. Diese ist dem Tatrichter ausweislich seines Vermerks vom 05. Februar 2003 „wegen permanenter Unterbesetzung der Geschäftstelle infolge von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit“ erst am 05. Februar 2003 vorgelegt worden. Das Amtsgericht hätte jedoch ein mit Gründen versehenes Urteil zur Akte bringen müssen, da die Voraussetzungen des § 77 b Abs. 1 OWiG nicht vorgelegen haben. Weder hatten alle zur Anfechtung Berechtigten auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichtet, noch ist innerhalb der Frist eine Rechtsbeschwerde nicht eingelegt worden.

b) Es sind damit auch die Voraussetzungen des § 77 b Abs. 2 OWiG für eine nachträgliche Urteilsberichtigung bzw. -ergänzung nicht gegeben.

c) § 77 Abs. 2 OWiG ist nach Auffassung des Senats im Übrigen auch nicht auf den vorliegenden Fall, dass das Amtsgericht irrtümlich von der Rechtskraft des Urteils ausgegangen ist, entsprechend anwendbar (so schon 4. Senat für Bußgeldsachen im Beschluss vom 6. Mai 1999 in 4 Ss OWi 442/99, /rspr/texte/a_00067.htm; so auch vgl. KG DAR 2001, 228 = VRS 100, 362; NZV 1992, 332.= VRS 82, 135; OLG Köln NZV 1997, 371 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Mit den vorgenannten Obergerichten vermag sich der Senat der teilweise in der Literatur vertretenen Ansicht, eine sinngemäße Anwendung der Regelung des § 77 b Abs. 2 OWiG sei bei irrtümlicher Annahme des Ablaufs der Rechtsmittelfrist zulässig (vgl. Senge in Karlsruher Kommentar, OWiG, 2. Aufl., § 77 b Rn. 8; ferner zu § 267 Abs. 4 Satz 3 StPO; Rieß NStZ 1982, 441, 445; Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, StPO 24. Aufl., § 267 Rn. 145; offen gelassen von BGHSt 43, 22; offen gelassen auch von Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 77 b Rn. 5 ff), nicht anzuschließen. Diese Ansicht berücksichtigt¸ worauf schon das Kammergericht hingewiesen hat (vgl. DAR 2001, 228), nicht ausreichend, dass es sich bei § 77 b Abs. 2 OWiG - ebenso wie bei
§ 267 Abs. 4 Satz 3 StPO - um eine Ausnahme von der grundsätzlichen Unabänderbarkeit der Urteilsgründe handelt und dass die Vorschrift deshalb eng auszulegen ist (BayObLG NStZ 1992, 136; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., Einl. Rn. 199). Zwar verlangen nach den Grundsätzen der Entscheidung des BGH in BGHSt 43, 22, 28 Sinn, Zweck und Regelungsgehalt des § 77 b Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 OWiG seine Anwendung auch für den - im Gesetz ebenfalls nicht vorgesehenen - Fall des übersehenen Antrages der Staatsanwaltschaft auf schriftliche Urteilsbegründung, und die dort genannten Erwägungen, insbesondere zur Verfahrensverzögerung, treffen auch auf die hier zu beurteilende Fallgestaltung zu. Das Ergebnis der in BGH (a.a.O.) getroffenen Entscheidung ist aber gleichwohl für die irrtümliche Annahme der Rechtskraft des Urteils nicht übertragbar; weil - anders als in der genannten Entscheidung des BGH - hier nicht auf die Entlastung der Justiz (BGHSt 43, 22, 29) abzustellen ist, sondern, worauf auch der Betroffene hingewiesen hat, weil der Betroffene nur ein mit Gründen versehenes Urteil sachgerecht anfechten kann.

III.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin.
1. Dem Tenor des angefochtenen Urteils lässt sich bislang nicht entnehmen, welchen Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 41 StVO der Betroffene verwirklicht haben soll.

2. Sollte das Amtsgericht in der neuen Hauptverhandlung wiederum ein Fahrverbot verhängen wollen, wird es sich mit der Frage auseinander zu setzen zu haben, ob dies im Hinblick auf die bis dahin dann verstrichene Zeit - der dem Betroffenen zur Last gelegte Vorfall datiert vom 28. August 2001 - noch erforderlich und angemessen ist (vgl. dazu OLG Hamm DAR 200, 580; VA 2002, 158 und VA 2002, 122 = zfs 2002, 401 = NJW 2002, 2485 = NZV 2002, 414 = VRS 103, 204 = BA 2002, 489 = StraFo 2002, 400 sowie Burhoff VA 2000, 77).

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.


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