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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1073/02 OLG Hamm

Leitsatz: Da es sich bei der Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren nicht um ein standardisiertes Messverfahren mit herabgesetzten Anforderungen an die Darlegung der Ordnungsmäßigkeit der Messung handelt, müssen die Feststellungen erkennen lassen, wie sich der Tatrichter von der Zuverlässigkeit der Messung überzeugt hat, insbesondere anhand welcher Umstände etwa Begrenzungspfosten oder Rücklichter die Orientierungspunkte bei der Länge der Messstrecke und den gleichbleibenden oder veränderlichen Abstandsverhältnissen ermittelt wurden.

Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Geschwindigkeitsüberschreitung; Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren; erforderlicher Umfang der Feststellungen; Nachtzeit; Sicherheitsabschlag

Normen: StVO 3, StPO 267

Beschluss: Bußgeldsache
gegen D.L.,
wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Minden vom 5. September 2002 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 17. 06. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Minden zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 100,- € und einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt. In den Feststellungen heißt es:

„Der Betroffene befuhr am 19.08.2001 gegen 00.01 Uhr die BAB 2 Richtungsfahrbahn Hannover zwischen den km 301.5 - 300.5. Im dortigen Bereich ist die Geschwindigkeit durch beidseitig aufgestellte, deutlich sichtbare Schilder auf 120 km/h, die vor den Km-Steinen 301.5 - 300.5 aufgestellt sind, beschränkt.

Hinter dem Betroffenen her fuhr der Polizeiwagen LIP 3203 mit einem Skalenendwert von 260 km/h und einem justierten Tacho. Bei einer Meßstrecke von 1000 m mit gleichbleibendem Abstand von 100 m wurden 200 km/h auf dem Tacho abgelesen und unter Zugrundelegung des justierten Tachos bei einen 15 %igen Abzug eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 170 km/h festgestellt. Der Betroffene hat sich nach Anhalten wie folgt geäußert: „Angaben zur Sache, Anhörung erfolgt „ja“, Wird der Verkehrsverstoß zugegeben? „ja“. Wenn Sie meinen, dass ich so schnell gefahren bin.“

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht angebrachte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung erstrebt. Er rügt mit näheren Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat in der Sache zumindest vorläufigen Erfolg. Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 50 km/h nicht. Die von der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren zur Nachtzeit entwickelten Grundsätze sind nicht hinreichend berücksichtigt. Zwar sind die Länge der Messstrecke (1000 m), der gleichbleibende Abstand von 100 m zwischen dem vorausfahrenden Fahrzeug des Betroffenen und dem nachfahrenden Polizeifahrzeug sowie der 15 %-ige Toleranzabzug vom abgelesenen Geschwindigkeitswert bei einem justierten Tachometer nicht zu beanstanden. Den Feststellungen des Amtsgerichts sind jedoch keinerlei Darlegungen zu den Beleuchtungs- und Lichtverhältnissen und Orientierungspunkten bei der zur Nachtzeit erfolgten Geschwindigkeitsmessung zu entnehmen, die jedenfalls grundsätzlich zu verlangen sind, damit überprüfbar ist, ob das Amtsgericht den Beweiswert des Geschwindigkeitsvergleichs durch Nachfahren rechtsfehlerfrei bejaht hat und den möglichen Fehlerquellen genügend Rechnung getragen worden ist.

Da es sich bei der Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren nicht um ein standardisiertes Messverfahren mit herabgesetzten Anforderungen an die Darlegung der Ordnungsmäßigkeit der Messung handelt, müssen die Feststellungen erkennen lassen, wie sich der Tatrichter von der Zuverlässigkeit der Messung überzeugt hat, insbesondere anhand welcher Umstände etwa Begrenzungspfosten oder Rücklichter die Orientierungspunkte bei der Länge der Messstrecke und den gleichbleibenden oder veränderlichen Abstandsverhältnissen ermittelt wurden. Wegen der Nachtzeit gilt dies auch in Bezug auf die Beleuchtungsverhältnisse und die Erkennbarkeit des vorausfahrenden Fahrzeuges bei den gegebenen Wetterverhältnissen (vgl. Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., Rdnr. 62 zu § 3 StVO; Mühlhaus/Janizewski, Kommentar zur StVO, 15. Aufl., Rdnr. 78 - 85, 87 zu § 3 jeweils m.w.N.).

Das angefochtene Urteil lässt diese notwendigen Feststellungen zu den Beobachtungsumständen, insbesondere bei der Feststellung des Abstandes zwischen messendem und gemessenem Fahrzeug vermissen, so dass die Zuverlässigkeit der Messung letztlich für den Senat nicht überprüfbar ist.

Die fehlenden Feststellungen werden auch nicht etwa durch den vorgenommenen beträchtlichen Sicherheitsabschlag von 15 % ausgeglichen. Dieser Sicherheitsabschlag ist lediglich ausreichend, um allgemeine Fehlerquellen bei der Geschwindigkeitsmessung mit justiertem Tachometer durch Nachfahren zur Nachtzeit unter hierfür hinreichend günstigen Sichtverhältnissen und konstanter Nachtfahrt auszugleichen (vgl. OLG Hamm VRS 93, 372; OLG Düsseldorf NZV 1997, 321 und NZV 1999, 138 f.). Dass weitere Fehlerquellen auszuschließen sind, ist dem angefochtenen Urteil jedoch nicht zu entnehmen. Der Notwendigkeit der Feststellungen zum Messvorgang und den Begleitumständen war das Amtsgericht auch nicht etwa deswegen enthoben, weil der Betroffene den Verkehrsverstoß bei der Anhörung eingeräumt hat. Soweit überhaupt eine geständnisgleiche Einlassung hierin gesehen werden kann, kann der Tatrichter die Verurteilung auf die Angaben des Betroffenen nur stützen, wenn er von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Dem Urteil fehlt es an jeglichen Darlegungen dazu, inwieweit der Betroffene, dem lediglich fahrlässige Begehungsweise zur Last gelegt wird, aus eigenem Wissen und eigener Anschauung heraus das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung erfasst haben könnte.

Wegen der Fehlerhaftigkeit war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz - auch zur Entscheidung über die Kosten der Rechtsbeschwerde - zurückzuverweisen.


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