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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 976/02 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Zur Eröffnung des Hauptverfahrens genügt jede schlüssige und eindeutige Willenserklärung des Gerichts, die Anklage nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zuzulassen, und zwar auch dann, wenn diese Erklärung nicht dem Wortlaut des § 207 StPO entspricht.

Senat: 3

Gegenstand:

Stichworte:

Normen:

Beschluss: Strafsache
gegen W.M.,
wegen Diebstahls u.a. (hier: Revision des Angeklagten)

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XX. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 09.04.2002 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23. 12. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, de Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Bottrop - 28 Ls 59 Js 53/98 (39/99) erw. - hatte den Angeklagten am 01.12.1999 wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall, wegen Hehlerei und wegen Anstiftung zum Diebstahl in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren kostenpflichtig verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen.
Auf die Berufung des Angeklagten wurde das Urteil des Amtsgerichts Bottrop durch Urteil der XIX. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 05.06.2000 aufgehoben und der Angeklagte insgesamt freigesprochen. Dieses Berufungsurteil hat der Senat durch Urteil vom 23.05.2001 - 3 Ss 1075/00 OLG Hamm - auf die Revision der Staatsanwaltschaft Essen mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

Mit dem angefochtenen Berufungsurteil vom 09.04.2002 hat die XIX. kleine Strafkammer des Landgerichts Essen das Urteil des Amtsgerichts Bottrop vom 01.12.1999 dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall und wegen Hehlerei in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt wird.
Gegen das Berufungsurteil der XX. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen hat der Angeklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt und die Revision ebenfalls form- und fristgerecht mit der allgemeinen Sachrüge sowie mit näher ausgeführten Verfahrensrügen begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Revision war als unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Anlass zu näheren Ausführungen gibt allein Folgendes:

1.
Das Verfahrenshindernis eines nicht ergangenen Eröffnungsbeschlusses besteht hier entgegen der Ansicht der Revision nicht.

Das Fehlen eines Eröffnungsbeschlusses stellt ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis dar, das im Revisionsrechtszug zur Einstellung des Verfahrens führt (BGHR StPO § 203 Beschluss 4). Die Revision trägt auch zutreffend vor, dass das bis auf das Datum vollständig maschinenschriftlich ausgefüllte Beschlussformular des Eröffnungsbeschlusses, das sich bei den Akten befindet, nicht durch den Richter datiert und unterzeichnet worden ist. Zur Eröffnung des Hauptverfahrens genügt jedoch die schlüssige und eindeutige Willenserklärung des Gerichts, die Anklage nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zuzulassen, und zwar auch dann, wenn diese Erklärung nicht dem Wortlaut des § 207 StPO entspricht (BGH NStZ 2000, 442, 443 m.w.N.).
Eine solche eindeutige Willenserklärung liegt hier in der Termins- und Ladungsverfügung des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 08.09.1999, mit der er ausdrücklich angeordnet hat, dass mit der Ladung die Übersendung einer „bA d. EÖB“ (= beglaubigten Abschrift des Eröffnungsbeschlusses) an Angeklagten und Verteidiger sowie die Beifügung einer „Ausf. d. EÖB“ (= Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses) zu der Terminsnachricht an die Staatsanwaltschaft erfolgen sollte. Diese Verfügung ist auch durch den Vorsitzenden eigenhändig unterschrieben und datiert worden.
Diese schriftliche Erklärung des Vorsitzenden ist als die das Hauptverfahren im Umfang des anliegenden, vorformulierten Vordrucks des Eröffnungsbeschlusses eröffnende Entscheidung zu werten. Entscheidend ist insoweit nämlich, dass aus der fraglichen Entscheidung eindeutig ersichtlich wird, dass der Vorsitzende des Schöffengerichts im Hinblick auf die dem Angeklagten mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Essen - Zweigstelle Gelsenkirchen - vom 20.04.1999 zur Last gelegten Taten die in § 203 StPO vorgeschriebene Prüfung des hinreichenden Tatverdachtes vorgenommen hat (vgl. BGHR StPO § 203 Beschluss 4 - Beschluss vom 05.02.1998; BGH, NStZ 2000, 442, 443; BGHR StPO § 203 Beschluss 1 - Beschluss vom 20.11.1987). Nicht entscheidend ist dagegen, um welche Art von schriftliche Entscheidung es sich bei der die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens beinhaltenden Entscheidung im Einzelfall handelt, wenn aus ihr nur schlüssig und eindeutig die Willenserklärung des Gerichts, die Anklage nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zuzulassen, ergibt. Einen Verbindungsbeschluss hat der Bundesgerichtshof für sich genommen insoweit nicht als ausreichend angesehen (BGHR StPO § 203 Beschluss 4 - Beschluss vom 05.02.1998) hat. Das gilt aber dann nicht, wenn er im beschleunigten Verfahren nach §§ 417 ff. StPO ergangen ist, weil das Gericht im beschleunigten Verfahren vor Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins die Eignung der Sache zur Erledigung im beschleunigten Verfahren prüft und die Sache dann für eine solche Erledigung ungeeignet ist, wenn kein hinreichender Tatverdacht besteht (BGH NStZ 2000, 442, 443). Unter diesen Voraussetzungen kann auch durch die Anberaumung eins Termins zur Hauptverhandlung inzidenter die Eröffnungsentscheidung nach § 203 StPO getroffen werden (BGH, NStZ 2000, 442, 443), wenngleich die Terminsanberaumung als solche für sich genommen insoweit nicht genügen soll (BGHR StPO § 203, Beschluss 1, Beschluss vom 20.11.1987).

Im vorliegenden Fall kommt über die bloße Tatsache der Terminsbestimmung durch den Vorsitzenden folgendes hinzu: Der Vorsitzende des Schöffengerichts hatte bereits mit Verfügung vom 10.05.1999 mit der Zustellung der Anklageschrift an den Verteidiger und den Angeklagten die Vorfertigung von Entwürfen des Eröffnungsbeschlusses verfügt. Bereits dadurch hat er eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er vorbehaltlich des Ergebnisses des Zwischenverfahrens die Anklage der Staatsanwaltschaft Essen - Zweigstelle Gelsenkirchen - vom 20.04.1999 unverändert zur Hauptverhandlung zulassen wollte (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2000, 114). Im
Rahmen des Zwischenverfahrens sind dann umfangreiche Eingaben der Verteidigung erfolgt, die dazu führten, dass der Vorsitzende des Schöffengerichts durch mehrere Verfügungen zur Abklärung des hinreichenden Tatverdachtes Auskünfte bei der Staatsanwaltschaft Essen einforderte und Akten beizog. Auf diese Weise zog sich das Zwischenverfahren bis zum 08.09.1999 hin. Wenn der Vorsitzende des Schöffengerichtes aber auf der Grundlage der von ihm im Rahmen des Zwischenverfahrens freibeweislich gewonnenen Erkenntnisse mit der Verfügung vom 08.09.1999 in der geschehenen Weise Termin zur Hauptverhandlung anberaumte und gleichzeitig die Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an den Verteidiger verfügte, so kann kein vernünftiger Zweifel bestehen, dass mit dieser Entscheidung die Anklage nach Prüfung und Bejahung der Eröffnungsvoraussetzungen zur Hauptverhandlung zugelassen werden sollte. Raum für die Annahme, der Vorsitzende hätte hier etwa versehentlich nicht mehr an das Erfordernis eines Eröffnungsbeschlusses gedacht und den Erlass eines solchen Beschlusses deshalb übersehen, bestehen angesichts des Umfangs der Prüfung im Zwischenverfahren nicht.

2. Verfahrensrügen:

Die zulässig erhobenen Verfahrensrügen greifen aus den von der Generalstaatsanwaltschaft im Wesentlichen bereits in ihrer Antragsschrift herausgearbeiteten Gründen nicht durch.

a)Wahrunterstellung

Die Kammer hat hinsichtlich der Beweistatsache, dass der Angeklagte während seiner Dienstzeit in Bottrop in keinem Fall mit einem Fahrrad zum Dienst erschien und auch kein Fahrrad zur Verfügung hatte, nicht gegen die Grundsätze der Wahrunterstellung nach § 244 Abs. 3 S. 2 StPO verstoßen. Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft hierzu ist allein darauf hinzuweisen, dass die von der Revision insoweit zitierte Urteilspassage (UA Seite 33: „weil der Zeuge H. dies einmal so erlebt hatte“) insoweit etwas unpräzise formuliert sein mag, als ihr für sich genommen entnommen werden könnte, dass die Kammer entgegen der Wahrunterstellung tatsächlich davon ausging, der Zeuge H. habe den Angeklagten einmal mit dem Fahrrad fahren gesehen. Dass dies tatsächlich aber nicht so ist, die Kammer sich vielmehr uneingeschränkt an die Wahrunterstellung gehalten hatte, folgt aus dem weiteren Zusammenhang der Urteilsgründe, in denen ausdrücklich festgestellt wird, dass der Zeuge den Angeklagten nach der Tat am 30.06. bzw. 01.07.1998 unmöglich mit einem Fahrrad hat wegfahren sehen können (UA Blatt 58 f).

b)Verletzung der Aufklärungspflicht

Die Kammer hat nicht dadurch gegen die ihr gemäß § 244 Abs. 2 StPO obliegende Aufklärungspflicht verstoßen, dass sie entgegen dem Beweisermittlungsantrag des Angeklagten vom 23.03.2002 keine Leseabschriften sämtlicher durch den Zeugen H. gefertigter Schriftstücke aus der Betreuungsakte fertigen ließ. Die Kammer war bereits deshalb nicht gehalten, Leseabschriften der entsprechenden Schriftstücke aus der Betreuungsakte zu fertigen und diese dann im Wege der Verlesung in die Hauptverhandlung einzuführen, weil im Nachhinein nicht mehr festgestellt werden konnte und nicht mehr festgestellt werden kann, in welcher geistig-seelischen Verfassung sich der Zeuge H. beim Abfassen der in Frage stehenden Schriftstücke befand. Entgegen der Vermutung der Revision bleibt damit aber gerade offen, ob der Zeuge H. beim Abfassen dieser Schriftstücke von niemandem bedrängt wurde bzw. dass zu diesem Zeitpunkt (Abfassen der Schriftstücke) niemand zum Ausdruck gebracht hatte, er glaube dem Zeugen H. nicht. Kann dies aber nicht mehr festgestellt werden, so sind die fraglichen Schriftstücke aus der Betreuungsakte auch nicht geeignet, die Annahme der Strafkammer zu erschüttern, zur Wahnarbeit in Form der Darstellung der Fahrerflucht sei es gekommen, wenn der Zeuge H. unter Rechtfertigungsdruck oder unter dem Eindruck stand, ihm werde nicht geglaubt.

c)Bedeutungslosigkeit

Die in das Wissen des Zeugen H. gestellte Tatsache, dass der Zeuge H. sen keinem Zeitpunkt von seinem Sohn, dem Zeugen H. jun. geschlagen wurde und auch nicht entsprechend aufgehetzt wurde, ist entgegen der Ansicht der Revision nicht geeignet, die Beweisführung des angefochtenen Urteils zu erschüttern. Diese Tatsache ist vielmehr zu Recht von der Strafkammer als bedeutungslos behandelt worden, wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift zutreffend im Einzelnen ausgeführt hat. Hinzu kommt, dass der Zeuge H. die angeblichen Angriffe durch seinen Sohn - insoweit anders als den Diebstahlsvorwurf gegen den Angeklagten - gerade nicht durch die Schilderung eines konkreten Lebenssachverhaltes untermauert hatte.

Im Übrigen hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift völlig zutreffend ausgeführt, dass die erhobenen Verfahrensrügen auch deshalb nicht durchgreifen, weil das Urteil nicht auf ihnen beruht. Auch nach Ansicht des Senats kann ausgeschlossen werden, dass die Kammer selbst im Fall des Vorliegens der behaupteten Verfahrensmängel zu einem für den Angeklagten günstigeren Ergebnis gekommen wäre, da sich die Verurteilung neben der Aussage des Zeugen H. noch auf eine Vielzahl weiterer Indizien und Beweismittel gründet, die in ihrer Gesamtheit zur sicheren Überführung des Angeklagten ebenfalls geeignet sind.

3. Sachrüge
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, § 349 Abs. 2 StPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


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