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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 647/02 OLG Hamm

Leitsatz: Das tatrichterliche Urteil muss Feststellungen zu den persönlichen, insbesondere den beruflichen Verhältnissen des Betroffenen enthalten. Anderenfalls ist es dem Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich zu prüfen, ob die Verhängung eines Fahrverbotes etwa wegen besonderer Umstände in den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen eine unverhältnismäßige Reaktion auf die Tat darstellt.

Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Rechtsfolgenausspruch, Begründung, Fahrverbot, Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen

Normen: StPO 267

Beschluss: Bußgeldsache
gegen A.L.,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Hattingen vom 20. März 2002 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 11. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Hattingen zurückverwiesen.

Gründe:
Der Betroffene ist durch Urteil des Amtsgerichts Hattingen vom 20.03.2002 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 700,- EUR verurteilt worden. Gleichzeitig wurde gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen befuhr der Betroffene am 10.10.2001 mit dem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen UN-AL 505 die BAB 46 bei Kilometer 115,022 in Fahrtrichtung Schwelm mit einer Geschwindigkeit von 123 km/h, obwohl die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h begrenzt ist.

Nach den Urteilsgründen hat der Betroffene die ihm zur Last gelegte Tat in vollem Umfang eingestanden und den Vorwurf einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in vollem Umfang glaubhaft eingeräumt.

Den Rechtsfolgenausspruch hat der Amtsrichter wie folgt begründet:

„Tat- und schuldangemessen war es nunmehr, gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 700,- EUR festzusetzen und darüber hinaus ein Fahrverbot von der Dauer von einem Monat anzuordnen.

Zugunsten des Betroffenen war zu berücksichtigen, dass er die ihm zur Last gelegte Tat in vollem Umfang gestanden hat. Zu seinen Lasten musste sich allerdings auswirken, dass er schon einmal - einschlägig - straßenverkehrsordnungswidrig in Erscheinung getreten ist. Dennoch war es im konkreten Fall angemessen, gegen den Betroffenen lediglich ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat festzusetzen. Gleichzeitig wurde nämlich das im Bescheid vom 28.11.2001 festgesetzte Bußgeld erheblich erhöht. Es ist daher zu erwarten, dass sich der Betroffene nunmehr die Verurteilung zur Warnung dienen lassen wird und sein zukünftiges Verhalten im Straßenverkehr entsprechend anpasst.“

Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse des Betroffenen wird in dem angefochtenen Urteil lediglich dessen Geburtsdatum und Geburtsort angegeben sowie mitgeteilt, dass gegen den Betroffenen unter dem 18.04.2001 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ein Bußgeld in Höhe von 350,- DM festgesetzt worden ist.

Gegen das vorgenannte Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der eine Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Insbesondere wendet sich der Betroffene unter näheren Ausführungen gegen die Verhängung des einmonatigen Fahrverbots.

Die Rechtsbeschwerde führt zur einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Hattingen im Umfang der Aufhebung.

Der Schuldausspruch des amtsgerichtlichen Urteils hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Zwar enthält das angefochtene Urteil keine Angaben zu dem angewandten Geschwindigkeitsmessverfahren sowie dazu, ob und in welcher Höhe ein Toleranzabzug von der gemessenen Geschwindigkeit vorgenommen worden ist. Angaben dazu sind in der Regel erforderlich, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Kontrolle der Beweiswürdigung des Tatrichters zu ermöglichen. Gesteht aber der Betroffene uneingeschränkt und glaubhaft ein, die vorgeworfene Geschwindigkeit - mindestens - gefahren zu sein, so bedarf es nicht einmal der Angabe des Messverfahrens und der Toleranzwerte (vgl. BGH NJW 1993, 3081, 3084). Im vorliegenden Verfahren hat der Betroffene nach den Urteilsgründen die ihm vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung in vollem Umfang glaubhaft eingestanden, so dass es unschädlich ist, dass in den Urteilsgründen weder das Messverfahren noch die Toleranzwerte genannt werden.

Der Rechtsfolgenausspruch hält allerdings einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

In der Bußgeldkatalogverordnung wird hinsichtlich der darin vorgesehenen Regelsanktionen für Geschwindigkeitsverstöße zwischen Geschwindigkeitsüberschreitungen außerhalb und innerhalb geschlossener Ortschaften unterschieden. Um dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung der verhängten Sanktionen zu ermöglichen, muss daher in den Urteilsgründen ausgeführt werden, ob sich eine Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb oder außerhalb geschlossener Ortschaft ereignet hat. Ausführungen dazu lässt das angefochtene Urteil vorliegend jedoch vermissen. Dass als Tatort eine Bundesautobahn angegeben worden ist, bedeutet nicht zwingend, dass sich der dem Betroffenen vorgeworfene Verkehrsverstoß außerhalb geschlossener Ortschaft ereignet hat (§ 18 Abs. 5 StVO). Auch die verhängte Geldbuße von 700,- EUR lässt insofern keinen sicheren Schluss zu, da sie sowohl die Regelgeldbuße für eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 63 km/h innerhalb geschlossener Ortschaft (300,- EUR) als auch die Regelgeldbuße für einen solchen Verstoß außerhalb geschlossener Ortschaft (275,- EUR) übersteigt.

Darüber hinaus reichen die getroffenen Feststellungen nicht aus, um die Anordnung des Fahrverbotes zu rechtfertigen. Das angefochtene Urteil enthält nämlich keinerlei Feststellungen zu den persönlichen, insbesondere den beruflichen Verhältnissen des Betroffenen. Damit ist es dem Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich zu prüfen, ob die Verhängung eines Fahrverbotes etwa wegen besonderer Umstände in den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen eine unverhältnismäßige Reaktion auf die Tat darstellt. Die Notwendigkeit, hierzu Feststellungen zu treffen, entfällt auch nicht deshalb, weil der Regelfall des § 2 Abs. 2 BKatV vorliegt. Denn gemindert ist in solchen Fällen für den Tatrichter allein der notwendige Begründungsaufwand (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 09.11.1999 - 4 Ss OWi 1061/99 -, veröffentlicht
in DAR 2000, 130, m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 22.05.2002 - 2 Ss OWi 200/02 -, veröffentlicht in NZV 2002, 413).

Das angefochtene Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Es war außerdem, da noch weitere Feststellungen zu treffen sind, im Umfang der Aufhebung an das Amtsgericht Hattingen zurückzuverweisen.


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