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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 769/02 OLG Hamm

Leitsatz: Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei einer Verurteilung wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und zur Anordnung der erweiterten Verfalls

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Verstoß gegen das BtM-Gesetz, gewerbsmäßiges Handeltreiben, erforderlicher Umfang der Feststellungen, erweiterter Verfall

Normen: BtMG 29, StGB 73, StGb 73 a, StGB 73 d

Beschluss: Strafsache
gegen E.C.
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz u.a.

Auf die am 3. April 2002 eingegangene Revision des Angeklagten vom 2. April 2002 gegen das Urteil des Landgerichts Bochum Auswärtige Strafkammer Recklinghausen - vom 28. März 2002 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 16. 09. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.

G r ü n d e :
I.
Gegen den Angeklagten ist durch Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 20. Dezember 2001 wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Haschisch in 62 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verhängt worden. Daneben hat das Amtsgericht den beschlagnahmten Geldbetrag von 2.481,90 DM für verfallen erklärt.
Das Amtsgericht hat beruhend auf dem Geständnis des Angeklagten - dazu folgende Feststellungen getroffen:
„Zwischen Februar und Juni 2001 verkaufte er in 20 Fällen an den anderweitig verfolgten Zeugen H. Haschisch jeweils zwischen 1 und 3 Gramm.
An den Zeugen G. verkaufte er seit Mitte Januar 2001 in 4 Fällen jeweils 1 Gramm Haschisch.
An den Zeugen P. verkaufte er in 3 Fällen im gleichen Zeitraum ca. 1 bis 4 Gramm jeweils.
An den Zeugen J. verkaufte er von April bis zum Sommer 2001 in ca. 30 Fällen jeweils 5 bis 8 Gramm Haschisch, teilweise zusätzlich geringe Mengen Marihuana Grammpreis 50,-- DM und zusätzlich zumindest in 5 Fällen Pollum (besseres Haschisch) ca. 3,5, Gramm.
An den Zeugen L. verkaufte er von Anfang 2001 bis April 2001 in 5 Fällen Haschisch zwischen 2 und 5 Gramm.“
In der rechtlichen Würdigung hat das Amtsgericht ausgeführt:
„Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich auch um gewerbsmäßiges Handeln im Sinne des § 29 Abs. 3 BtMG. Der Angeklagte hat bei den verschiedenen Verkäufen zwar unter dem Strich nur geringe Gewinne erzielt, sein gesamtes Auftreten war jedoch darauf angelegt, sich auf unbestimmte Zeit regelmäßig etwas dazu zu verdienen, um den eigenen Konsum zu finanzieren. Hierbei hat der Angeklagte einen größeren Kundenstamm bedient, den er auch regelmäßig zu sich in seine Wohnung zwecks Weiterverkauf kommen ließ. Die Art und Weise seines Vorgehens muss deshalb als eindeutig geschäftsmäßig angesehen werden.“
Die dagegen gerichtete, auf das Strafmaß einschließlich der Verfallsanordnung beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil verworfen. Es hat auf die den Schuldspruch tragenden Ausführungen in dem Urteil des Amtsgerichts Bezug genommen und folgende ergänzende Feststellungen getroffen:
„Mit dem beschlagnahmten Geld hat es folgenden Bewandtnis:
Unmittelbar nach seiner Festnahme am 12.09.20001 durchsuchten Polizeibeamte des KK Castrop-Rauxel die Wohnung des Angeklagten am Südring 280 in Datteln. Unter der Vorderkante des Bettes im Schlafzimmer fanden sie eine braune Geldtasche, in der sich insgesamt 1.200 DM (5 x 50 DM; 28 x 20 DM; 9 x 10 DM; 1 Rolle = 40 Stück 5 DM-Stücke; 2 Rollen à 50 Stück 1 DM-Stücke) fanden. In der Geldtasche fand sich weiterhin eine Geldbörse, in der 890 DM ( 7 x 100 DM; 2 x 50 DM; 3 x 20 DM; 3 X 10 DM ) vorgefunden wurden. Noch am gleichen Tage wurde die Gaststätte des Angeklagten „Z.W.“ in Datteln durchsucht. In einer Schublade unterhalb der Zapfanlage befand sich der Geldeinsatz einer Geldkassette und darin Bargeld von 391,90 DM ( 4 x 20 DM; 2 x 10 DM; 140 DM in 5 DM-Stücken; 98 DM in 2 DM-Stücken; 40 DM in 1 DM-Stücken; 12 DM in 0,50 DM-Stücken; 1,90 DM in 0,10 DM-Stücken). In dem gleichen Geldeinsatz befand sich eine Metalldose mit 13 Stücken Haschisch in einem Gesamtnettogewicht von 10,32 Gramm. In unmittelbarer Nähe des Geldes fand sich ein Kalender des Jahres 2001, in dem die Rauschgiftkunden des Angeklagten mitsamt ihren jeweiligen Umsätzen aufgeführt sind.“
Zur Begründung der Verfallsanordnung hat es ausgeführt:
„Das beschlagnahmte Geld war nach den §§ 33 Abs. 1 Ziff. 1 BtMG, 73 d Abs. 1 StGB für verfallen zu erklären. Die Umstände rechtfertigen die Annahme, dass dieses Geld aus Rauschgifthandel erlangt ist. Dies gilt ganz offenkundig für jenes Geld, das in der Wohnung des Angeklagten, dem Verkaufsort des Rauschgiftes, sichergestellt worden ist und teilweise mit Haschisch zusammen verpackt gewesen ist. Aber auch das in der Gastwirtschaft sichergestellte Geld rechtfertigt die Annahme, es sei durch Drogenhandel erworben. Hier wurde neben dem Geld eine erhebliche Menge von Haschisch gefunden, abgepackt in verkaufstaugliche Portionen, ebenso schriftliche Unterlagen über die Buchhaltung der einzelnen Geschäfte. Auch wenn die exakte Herkunft dieses Geldes tatrichterlich nicht aufzuklären ist, spricht eine ganz hohe Wahrscheinlichkeit für die Herkunft aus dem Rauschgifthandel. Jedenfalls drängt sich die Überzeugung einer deliktischen Herkunft geradezu auf ( vgl. Tröndle § 73 d Rz. 4 b unter Hinweis auf das Gesetzgebungsmaterial ). Dass das vorgefundene Kleingeld nicht unmittelbar aus Drogenhandel stammen dürfte, steht diesem Eindruck nicht entgegen, da auch Surrogate dem Verfall unterliegen ( § 73 Abs. 2 StGB ).“

Hiergegen richtet sich nunmehr die Revision des Angeklagten mit näherer Begrünung. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision zu verwerfen.
II.
Die Revision des Angeklagten ist zulässig und hat auch zumindest vorläufig in der Sache Erfolg, weil die Überprüfung des angefochtenen Urteils Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen lässt.
Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil das Landgericht zu Unrecht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung ausgegangen ist.
Nach allgemeiner Meinung hat das Revisionsgericht die Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung von Amts wegen zu untersuchen ( vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, 45. Aufl. § 352 Rdnr. 3 und 4 m.w.N., zuletzt Senat in Beschluss vom 19. März ­ 2 Ss 164/02, siehe auch Senat in NStZ-RR 2001, 300 ). Die Beschränkung eines Rechtsmittels auf bestimmte Beschwerdepunkte gemäss § 318 Satz 1 StPO ist nur zulässig und wirksam, wenn sie dem Rechtsmittelgericht die Möglichkeit lässt, den angefochtenen Teil des Urteils, losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt, selbständig zu prüfen und rechtlich zu beurteilen ( vgl. BGH St 27, 70, 72 ). Demgegenüber ist sie unwirksam, wenn die vorangegangenen tatrichterlichen Feststellungen entweder unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so dürftig sind, dass sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht erkennen lassen und daher keine geeignete Grundlage für die Beurteilung der Rechtsfolgenentscheidung sind. Dabei kann im Berufungsurteil, wie geschehen, auf die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts Bezug genommen werden ( Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, 24. Auflage, § 267 Rdnr. 10 m.w.N. ).
Diese tragen jedoch die Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Haschisch ebenso wenig wie die getroffene Verfallsanordnung, denn sie sind derart lückenhaft, dass sie keine tragfähige Grundlage für die Prüfung, ob das Recht auf den Sachverhalt richtig angewendet worden ist.
Das Amtsgericht hat weder Feststellungen zu den Preisen, zu denen der Angeklagte das Haschisch eingekauft und verkauft hat, noch zum Wirkstoffgehalt getroffen. Damit fehlt es an einer ausreichenden objektiven Grundlage, um das Maß der persönlichen Schuld des Angeklagten als wesentlicher Strafzumessungsgrundlage zu bestimmen. Für die nachvollziehbare Festlegung des Mindestschuldumfangs ist es unerlässlich darzulegen, von welcher Qualität der Tatrichter ausgegangen ist ( vgl. hierzu BGH St 3, 179; BGH NJW 1987, 2685[ 2686], BayObLG NStZ-RR 1998, 55). Die vom Amtsgericht vorgenommene Würdigung, das Vorgehen des Angeklagten sei als eindeutig geschäftsmäßig anzusehen, findet ebenfalls keine Grundlage in den getroffenen Feststellungen. Denn diese enthalten keine Einzelheiten zur Vorgehensweise des Angeklagten, insbesondere werden keine Details zum Inhalt der bei dem Angeklagten sichergestellten schriftlichen Unterlagen über seine Betäubungsmittelverkäufe mitgeteilt.
Nach alledem war damit das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückzuverweisen ( § 354 Abs. 2 StPO ), die auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben wird.

III.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Mangels getroffener Feststellungen zu den von dem Angeklagten erzielten Preisen und damit zu dem Wert des von ihm insgesamt erworbenen und veräußerten Haschisch, ist auch die Anordnung des Verfalls des sichergestellten Geldes rechtsfehlerhaft. Solcher Angaben bedarf es für die Feststellung, dass und in welcher Höhe der Angeklagte aus den Taten etwas erlangt hat. In dieser Höhe ist dann gemäß § 73 a StGB der Verfall des Wertersatzes anzuordnen.
Demgegenüber haben sowohl die Ausführungen des Amtsgerichts und die der Berufungskammer zu der Anordnung des erweiterten Verfalls gemäß § 73 d StGB keine Grundlage in den getroffenen Feststelllungen, sondern beruhen auf bloßen Vermutungen. Diese werden jedoch den erhöhten Anforderungen, welche bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung dieser Vorschrift an die Überzeugungsbildung des Tatrichters zu stellen sind ( vgl. BGH St 40, 371 ff ), nicht gerecht. Danach kommt die Anordnung des erweiterten Verfalls nur in Betracht, wenn der Tatrichter aufgrund erschöpfender Beweiserhebung und ­würdigung die uneingeschränkte Überzeugung gewonnen hat, dass der Angeklagte die von der Anordnung erfassten Gegenstände aus rechtswidrigen Taten erlangt hat, ohne dass diese selbst im einzelnen festgestellt werden müssten ( vgl. BGH St a.a.O. ). Bei lückenloser Feststellung dessen, was der Angeklagte aus den Taten, die Gegenstand dieses Verfahrens sind, erlangt hat, ist jedoch zunächst dessen Verfall gemäss § 73 StGB oder des Wertersatzes gemäss § 73 a StGB anzuordnen. Dieser ist nach dem Bruttoprinzip zu berechnen ( vgl. BGH NStZ­RR 2001, 82 ). Erst wenn die Summe dessen, was der Angeklagte nach dieser Berechnung aus den Anlasstaten erlangt hat, den sichergestellten Geldbetrag nicht erreicht, kommt hinsichtlich des restlichen Betrages die Anordnung des erweiterten Verfalls nach § 73 d StGB in Betracht.
Dieses Hinweises bedarf es auch deshalb, weil der Angeklagte entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft nicht sein Einverständnis zur außergerichtlichen der Einziehung des Geldes erteilt hat. Ausweislich der Sitzungsniederschrift über die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht vom 20. Dezember 2001 hat der Angeklagte erklärt, mit der außergerichtlichen Einziehung der Asservate einverstanden zu sein, „bis auf d .Geld“.


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