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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 99/02 OLG Hamm

Leitsatz: Im Falle des Widerrufs einer zur Bewährung ausgesetzten Strafe ist die der zu widerrufenden Strafe allein kein Kriterium für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Pflichtverteidiger, Beiordnung im Verfahren über den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung, Beiordnungsgründe, Länge der Reststrafe

Normen: StPO 140

Beschluss: Strafsache
gegen M.P.
wegen schweren Raubes
(hier: Ablehnung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Strafvollstreckungsverfahren).

Auf die Beschwerde des Verurteilten vom 15. April 2002 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 15. Februar 2002 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10. 05. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten verworfen.

Gründe:
Durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 26. August 1998, rechtskräftig seit dem 9. September 1998, ist im vorliegenden Verfahren die Restfreiheitsstrafe von rund 16 Monaten (487 Tagen) der durch Urteil des Landgerichts Hagen vom 26. Januar 1996 verhängten Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren zur Bewährung ausgesetzt und u.a. die Bewährungszeit auf drei Jahre bestimmt worden; zudem wurde der Verurteilte der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt. Nachdem der Verurteilte durch Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 24. April 2000 wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen verurteilt worden war, hatte die Staatsanwaltschaft zunächst mit Verfügung vom 1. August 2000 die Verlängerung der Bewährungszeit beantragt. Bevor über diesen Antrag durch die Strafvollstreckungskammer entschieden worden war, wurde der Verurteilte in dem Verfahren 200 VRs 387/01 (= 200 Js 551/01 - zuvor 874 Js 708/00) StA Hagen am 28. Februar 2001 in Untersuchungshaft genommen. In jenem Verfahren wurde er durch Urteil des Amtsgerichts - Schöffengerichts - Iserlohn vom 22. August 2001, rechtskräftig seit dem 30. November 2001, wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln in 50 Fällen sowie wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Vollstreckung dieser Gesamtfreiheitsstrafe ist inzwischen durch die Staatsanwaltschaft Hagen gemäß § 35 BtMG zurückgestellt worden; der Verurteilte befindet sich derzeit seit dem 15. oder 18. April 2002 in der Therapieeinrichtung Ostberge in Dortmund.

Nachdem aufgrund dieser erneuten Verurteilung die Staatsanwaltschaft Hagen mit Verfügung vom 29. Oktober 2001 ihren ursprünglichen Antrag auf Verlängerung der Bewährungszeit zurückgenommen und den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung beantragt hatte, hat sich auf die dem Verurteilten zu diesem Antrag eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme Rechtsanwalt Dr. N. mit Schriftsatz vom 28. Januar 2002 als Wahlverteidiger gemeldet und u.a. beantragt, ihn dem Verurteilten im vorliegenden Verfahren über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung als Pflichtverteidiger beizuordnen.

Durch den nunmehr angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer diesen Antrag abgelehnt, weil die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 140 Abs. 2 StPO nicht vorlägen.

Die hiergegen durch Schriftsatz des Verteidigers vom 15. April 2002 eingelegte Beschwerde, die der Senat nicht als eigene Beschwerde des Verteidigers, sondern als eine solche des Verurteilten ansieht und der die Strafvollstreckungskammer nicht abgeholfen hat, ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer hat vorliegend zu Recht den Antrag des Verurteilten auf Beiordnung eines Verteidigers im Strafvollstreckungsverfahren als unbegründet abgelehnt.

Zwar ist in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein anerkannt, dass die Vorschrift des § 140 Abs. 2 StPO, die die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Erkenntnisverfahren regelt, auch im Strafvollstreckungsverfahren entsprechende Anwendung findet (vgl. zuletzt ausführlich Senatsbeschluss vom 4. Februar 2002 in 2 Ws 12/02 unter Hinweis auf OLG Hamm, NStZ 1983, 189 sowie NStZ-RR 1999, 319, NStZ-RR 2000, 113 = StV 2000, 92, StraFo 2000, 32 sowie Beschlüsse in 2 Ws 71/01, 2 Ws 77/01 = StraFo 2001, 394, 2 Ws 85/01 = StraFo 2002, 29, 1 Ws 183/99 u. 1 Ws 313 u. 314/00; vgl. ferner Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 140 Rdnr. 33, 33 a m.w.N.). Danach muss im Vollstreckungsverfahren in entsprechender Anwendung von § 140 Abs. 2 StPO ein Verteidiger bestellt werden, wenn die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage oder die Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen, dies gebietet.
Allerdings hat der Senat bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO im Licht der Besonderheiten des Vollstreckungsverfahrens gesehen werden müssen (vgl. insbesondere die Beschlüsse vom 17. April 2001 in 2 Ws 85/01 und vom 4. Februar 2002 in 2 Ws 12/02).

Ebenso wenig wie bei einer Entscheidung nach § 57 StGB die Dauer des noch zu verbüßenden Strafrestes ein Kriterium für die Beiordnung eines Verteidigers ist, ist dies auch im Falle des Widerrufs bezüglich der Höhe der zu widerrufenden Strafe der Fall. Dabei kommt es allein darauf an, ob die Beurteilung der Widerrufsgründe und der Frage, ob gemäß § 56 f Abs. 2 StGB möglicherweise vom Widerruf abgesehen werden kann, besondere Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht bietet, die die Beiordnung eines Verteidigers geboten erscheinen lassen.

Dies ist vorliegend nicht der Fall, zumal bei dem in Strafverfahren und Vollstreckungsverfahren erfahrenen Verurteilten nichts dafür ersichtlich ist, dass er etwa unfähig wäre, sich selbst zu verteidigen. Dies gilt umso mehr, als inzwischen in dem o.g. Verfahren 200 VRs 387/01 StA Hagen die weitere Vollstreckung der Strafe nach § 35 BtMG zurückgestellt worden ist und sich der Verurteilte bereits in einer Therapieeinrichtung befindet, die ihn zudem beim Vorbringen der zu berücksichtigenden Gesichtspunkte unterstützen könnte.

Danach war die Beschwerde mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.


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