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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 VAs 79 u. 80/01 OLG Hamm

Leitsatz: Der Senat hält daran fest, dass die Einstellungsentscheidung nach § 153 StPO nicht mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 EGGVG angefochten werden kann.

Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungssache

Stichworte: Einstellung, Anfechtbarkeit der Einstellungsentscheidung

Normen: StPO 153, JGG 45, EGGVG 23

Beschluss: Justizverwaltungssache
betreffend L.R.,
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden (hier: Beschwerde gegen die Einstellung des Verfahrens gem. § 153).

Auf den Antrag des Betroffenen vom 23.10.2001 auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 27.02.2001 in der Form der Beschwerdeentscheidung des Generalstaatsanwalts in Hamm vom 04.10.2001 sowie auf den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung dieses Verfahrens unter Beiordnung des Rechtsanwalts B. hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09. 04.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und
die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts beschlossen:

1. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig kostenpflichtig verworfen.
3. Der Verfahrenswert wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

Gründe:
Gegen den am 11.02.1984 geborenen Betroffenen wurde durch die Staatsanwaltschaft Dortmund ein Ermittlungsverfahren wegen der Beteiligung am Landfriedensbruch, § 125 StGB, geführt. Der Betroffene hatte an einer Gegendemonstration gegen eine Veranstaltung von Rechtsextremisten am 21.10.2000 in Dortmund teilgenommen. Aus den Reihen der Gegendemonstranten soll es zu Gewalttätigkeiten gegen Polizeibeamte gekommen sein. Die Gegendemonstranten wurden daraufhin eingekesselt und teilweise festgenommen. Auch der Betroffene gehörte zu den Festgenommenen. Durch Vermerk vom 27.02.2001 stellte die Staatsanwaltschaft Dortmund das Verfahren gemäß §§ 45 Abs. 1 JGG, 153 StPO ein. Dabei ging sie davon aus, dass eine Überführung des Beschuldigten unter Berücksichtigung des vorliegenden Videomaterials hinsichtlich des Vorwurfs der Teilnahme am Landfriedensbruchs gemäß § 125 StGB möglich sein würde, der Nachweis vor allem in einer Hauptverhandlung jedoch erheblichen Aufwand bedürfe.

Hiergegen legte der Betroffene durch seinen Verteidiger Beschwerde ein. Er vertritt die Ansicht, das Verfahren müsse gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt werden. Ferner machte er geltend, es liege die Verletzung rechtlichen Gehörs vor, da er nicht zu der Form der Verfahrenseinstellung gehört worden sei und ihr auch nicht zugestimmt habe. Ferner liege auch eine richterliche Zustimmung nicht vor. Die Art der Verfahrenseinstellung belaste ihn zudem, da die Einstellung gemäß § 45 JGG in das Erziehungsregister eingetragen werde.

Durch Bescheid vom 04.10.2001 wies der Generalstaatsanwalt in Hamm die Beschwerde zurück. Er führte aus, dass die Einstellung gemäß § 45 Abs. 1 JGG i.V.m. § 123 Abs. 1 StPO eine Schuldfeststellung nicht enthalte. Die Staatsanwaltschaft Dortmund sei daher auch nicht verpflichtet gewesen, weitere Ermittlungen anzustellen, ob der Betroffene tatsächlich auch selbst Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen ausgeführt oder unterstützt habe. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs sei nicht gegeben, da der Betroffene während des Ermittlungsverfahrens hinreichend Gelegenheit gehabt habe, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Eine Anhörung zur Verfahrenseinstellung sei weder im Gesetz vorgesehen noch erforderlich. Auch bedürfe es nicht der richterlichen Zustimmung. Soweit der Betroffene durch die Eintragung in das Erziehungsregister belastet sei, habe er die Möglichkeit, dies gemäß §§ 61 ff BZRG überprüfen zu lassen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich der Betroffene mit dem rechtzeitig gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen im bisherigen Verfahren und weist darauf hin, dass eine Überprüfung nach §§ 23 ff. EGGVG deshalb zulässig sein müsse, da die Verfahrenseinstellung ohne richterliche Kontrolle erfolgt sei.

Während des laufenden Verfahrens hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen des Verfahrens wieder aufgenommen und dieses erneut mit Bescheid vom 31.01.2002 eingestellt. Die Einstellung ist nunmehr ausschließlich auf § 153 Abs. 1 StPO gestützt worden. Durch Verfügung vom 04.02.2001 ist die Mitteilung an das Bundeszentralregister erfolgt, die mit der ursprünglichen Einstellung gemäß § 45 Abs. 1 JGG verbundene Eintragung im Erziehungsregister zu löschen.

Gleichwohl verfolgt der Betroffene seinen ursprünglichen Antrag weiter. Er vertritt die Ansicht, dass er nach wie vor durch die Verfahrensweise der Staatsanwaltschaft in seinen Rechten verletzt sei, auch wenn die Einstellung nicht mehr mit den nachteiligen Folgen des § 45 JGG verbunden sei. Die erneute Einstellung sei rechtswidrig, da sie ohne richterliche Zustimmung erfolgt sei. Ferner beinhalte die Einstellung gemäß § 153 StPO eine fortdauernde Schuldvermutung, was auch gegen Art. 6 Abs. 2 EMRK verstoße. Darüber hinaus sei aufgrund des Verfahrens eine Speicherung der Daten in einer Vielzahl von Dateien erfolgt.

Der rechtzeitig gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig. Bei der Einstellung eines Verfahrens nach § 153 Abs. 1 StPO handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats um eine Prozesshandlung, auf die ausschließlich das durch die Strafprozessordnung geregelte Anfechtungssystem Anwendung findet. Sieht dieses - wie für den vorliegenden Fall - eine Anfechtung der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsentscheidung durch den Beschuldigten nicht vor, so hat es dabei sein Bewenden. Daneben ist nicht noch hilfsweise oder zusätzlich das Antragsverfahren nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet (vgl. Beschlüsse des Senats vom 23.09.1982 in NStZ 1983, 38 und 20.04.1993 in JMBl. NRW 1994, 23 und unveröffentlichter Beschluss vom 17.05.1988 - 1 VAs 36/88 -). Diese Rechtsprechung entspricht der herrschenden Meinung in der Literatur und der Rechtsprechung der anderen Oberlandesgerichte (vgl. Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung-Kissel, 4. Aufl., § 23 EGGVG Rdnr. 31 und 32; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 23 EGGVG RN 9 und 10 jeweils m.w.N.).

Auch nach erneuter Überprüfung sieht der Senat keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Auch Artikel 19 Abs. 4 GG gebietet eine Überprüfung der Einstellung gemäß § 153 Abs. 1 StPO nicht. Durch sie wird nicht in die Grundrechte des Betroffenen eingegriffen. Entgegen der Meinung des Betroffenen enthält sie nämlich eine - verbleibende - Schuldfeststellung nicht. Denn diese Einstellung setzt gerade nicht die Feststellung einer Schuld voraus. Sie kann vielmehr aus Opportunitätsgründen bereits dann erfolgen, wenn die Schuld des Beschuldigten als gering anzusehen wäre (vgl. Gesetzeswortlaut). Die Staatsanwaltschaft kann daher die Frage, ob ein Beschuldigter die ihm vorgeworfene Tat tatsächlich begangen hat, dahinstehen lassen, wenn jedenfalls hypothetisch eine lediglich geringe Schuld vorliegen würde. Die Strafsache braucht daher nicht weiter aufgeklärt zu werden, als für diese Prognose notwendig ist (vgl. Rieß in Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 153 Rdnrn. 32 ff.; KK-Schoreit § 153 RN 7). Da somit mit einer solchen Einstellung eine irgendwie geartete Schuldfeststellung nicht verbunden ist, widerspricht diese Verfahrensweise entgegen der Ansicht des Betroffenen auch nicht Art. 6 Abs. 2 EMRK. In der Verfahrenseinstellung gemäß § 153 Abs. 1 StPO ist auch nicht deshalb ein Grundrechtsverstoß - unter dem Gesichtspunkt der willkürlichen Ungleichbehandlung, Art. 3 I GG - zu sehen, weil die Staatsanwaltschaft nicht die Zustimmung des Betroffenen und des Gerichts eingeholt hat. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn diese Verfahrensweise dem Gesetz widerspräche. Dies ist jedoch nicht der Fall. § 153 Abs. 1 StPO sieht die Erforderlichkeit der Zustimmung des Beschuldigten - im Gegensatz zu § 153 Abs. 2 StPO - nicht vor. Auch ist die Zustimmung des Gerichts dann nicht erforderlich, wenn es sich bei der vorgeworfenen Tat um ein Vergehen handelt, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei der die durch die Tat verursachten Folgen gering sind, § 153 Abs. 1 S. 2 StPO. § 125 StGB ist nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht. Dass durch die dem Betroffenen vorgeworfene Tat erhebliche Folgen verursacht wurden, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Daher bedurfte es einer richterlichen Zustimmung gleichfalls nicht.

Soweit der Betroffene noch geltend macht, aufgrund des durchgeführten Verfahrens sei er in verschiedene - ihm nicht bekannte - Dateien eingetragen worden, ist dies für das vorliegende Verfahren ohne Belang. Diese Eintragungen sind - so sie denn tatsächlich erfolgt sein sollten - unabhängig von der Art der Verfahrenseinstellung erfolgt. Sie stehen in keinem Zusammenhang mit den im Antrag angegriffenen Bescheiden der Staatsanwaltschaft Dortmund bzw. der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm. Es ist nicht einmal ersichtlich, dass diese Eintragungen aufgrund eines Justizverwaltungsaktes erfolgt sind. Sollten die Polizeibehörden tatsächlich entsprechende Registerdateien führen, müsste der Betroffene seine Anträge auf Löschung - die im vorliegenden Verfahren im Übrigen nicht gestellt wurden - ggf. auf dem Verwaltungsrechtswege geltend machen.

Da somit der Antrag des Betroffenen unzulässig war und damit keine Aussicht auf Erfolg bot, konnte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, § 114 ZPO.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 30 EGGVG, 30, 130 KostO.


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