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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 426/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zur ausreichenden Begründung der Verfahrensrüge, mit der eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes dadurch geltend gemacht wird, dass das Gericht nicht ausreichend deutlich genug auf die außerhalb des Gerichtsgebäudes stattfindende Hauptverhandlung hingewiesen hat und zur Kontrollpflicht der Gerichte in diesen Fällen.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes, ausreichende Begründung der Verfahrensrüge, Verhandlung an einem anderen Ort, Verschulden des Gerichts, Kontrollpflicht des Gerichts, Aushang am Sitzungssaal

Normen: GVG 169, StPO 344

Beschluss: Strafsache
gegen A.C.
wegen gefährlicher Körperverletzung

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten vom 05.02.2001 gegen das Urteil des Amtsgerichts Dorsten vom selben Tage hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07. 11. 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Dorsten zurückverwiesen.
Gründe :
I.
Das Amtsgericht Dorsten hat den Angeklagten am 05.02.2001 aufgrund einer unter anderem auch außerhalb des Gerichtsgebäudes durchgeführten Hauptverhandlung wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zur einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hatte der Angeklagte am 09.04.2000 mit einer Pressholzlatte von ca. 1 Meter Länge mehrmals auf den Kopf und Oberkörper des Nebenklägers eingeschlagen und dem Nebenkläger dadurch u.a. Brüche des linken Armes zugefügt.

Gegen das am 05.02.2001 in seiner Anwesenheit verkündete und seinem Verteidiger am 14.04.2001 zugestellte Urteil hat der Angeklagte mit am 05.02.2001 bei dem Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz des Verteidigers fristgerecht Sprungrevision eingelegt und die Revision mit am 07.03.2001 beim Amtsgericht eingegangenem weiteren Schriftsatz des Verteidigers begründet. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung sachlichen Rechts sowie mit der Verfahrensrüge die Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens bei Durchführung der Hauptverhandlung, § 338 Ziffer 6 StPO und § 169 GVG.

Zu der Verfahrensrüge ist aufgrund des Revisionsvortrages, den dienstlichen Äußerungen der Amtsrichterin sowie aufgrund der Sitzungsniederschriften folgender Sachverhalt festgestellt:

Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 31.01.2001 verkündete die Amtsrichterin am Ende der Hauptverhandlung folgenden Beschluss:

1. Die heutige Hauptverhandlung wird unterbrochen.

2. Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung wird anberaumt auf Montag, 05. Febr. 01, 08.30 Uhr, an der Tatörtlichkeit.

3. Zu dem Fortsetzungstermin soll die benannte Zeugin Frau Rechtsanwältin F. um 09.30 Uhr im Gerichtsgebäude erscheinen.“

Am 05.02.2001 wurde die Hauptverhandlung vor dem Haus H. 93 in Dorsten mit der Inaugenscheinnahme des Tatortes und Zeugenvernehmungen sowie anschließend ab ca. 10.30 Uhr im Gerichtsgebäude des Amtsgerichts Dorsten fortgesetzt. Das am Sitzungssaal des Amtsgerichts aushängende Verzeichnis der am 05.02.2001 vor dem Amtsgericht Dorsten anstehenden Termine wies unter laufender Nr. 1 folgenden Eintrag auf:

„1. Fortsetzungs- und Ortstermin
08.30 Uhr C., A., 5 Ds 32 Js 1035/00 (354/00)“

Nach der dienstlichen Äußerung der Amtsrichterin hatte sie der Protokollführerin keine Anweisung erteilt, den Verhandlungsort („Tatörtlichkeit“) mit der genauen Anschrift in den Aushang aufzunehmen.

II.
1. Zur Zulässigkeit der Verfahrensrüge.

a) Die Rüge, der Grundsatz der Öffentlichkeit sei verletzt, ist in zulässiger Weise ausgeführt und genügt den sich aus § 344 Abs. 2 StPO ergebenden Anforderungen. Nach § 344 Abs. 2 StPO muss die Revisionsbegründung die den Mangel enthaltenden Tatsachen angeben. Die Mitteilung der den Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen muss so vollständig und genau sein, dass das Revisionsgericht aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 344 Rdnr. 24 m.w.N.). Wird die Verletzung der Öffentlichkeitsmaxime des § 169 GVG gerügt, so muss aus der Revisionsbegründung hervorgehen, durch welche Umstände die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden ist und aus welchen Gründen das Gericht den Verfahrensverstoß zu vertreten hat (BayObLG VRS 87, 139; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 338 Rdnr. 50 a).

b) Die Beschränkung der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung wird hier von der Revision hinreichend dargelegt. Die Revision trägt vor, dass der Aushang keinen Hinweis zum Verhandlungsort enthalten habe. Den Inhalt des Aushanges gibt sie wörtlich wieder.

c) Zum Verschulden des Amtsgerichts hat die Revision folgendes ausgeführt:

„Diesen Zustand hätte das Amtsgericht bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt auch bemerken und beseitigen können. Die Richterin (...) ist der ihr obliegenden Aufsichtspflicht nicht nachgekommen. Selbst als der Unterzeichner vor der letzten Vertagung um 10.15 Uhr beantragte, eine Kopie des Terminzettels zum Hauptverhandlungsprotokoll zu nehmen, kontrollierte sie den Terminzettel nicht. Während des Ortstermins äußerte sie vielmehr noch sinngemäß gegenüber dem Verteidiger, „dass man sich bei dieser Protokollführerin um nichts kümmern müsse, das laufe alles von alleine“.

Mit diesen Ausführungen hat die Revision hinreichend dargelegt, aufgrund welcher Umstände das Gericht den behaupteten Verfahrensverstoß zu vertreten hat.

Die Ausführungen der Revision enthalten die Tatsachenbehauptungen, dass die Amtsrichterin die Beschränkung der Öffentlichkeit nicht bemerkt und den Aushang nicht kontrolliert habe. Die Amtsrichterin habe sich auf die Zuverlässigkeit der Protokollführerin verlassen, ohne sich um die Wahrung der Öffentlichkeit selbst gekümmert zu haben. Dadurch habe sie ihre Aufsichtspflicht verletzt.

Dieser Sachvortrag wird einer Revisionsbegründung gemäß § 344 Abs. 2 StPO gerecht, obgleich die von der Revision vorgetragenen Tatsachen allein eine Pflichtverletzung der Amtsrichterin nicht in vollem Umfang zu begründen vermögen. Die Revision teilt nämlich nicht mit, aufgrund welcher Umstände die Angabe des Ortes der Fortsetzung der Hauptverhandlung unter Nennung der genauen Anschrift auf dem Aushang unterblieben ist. Denkbar wäre insoweit, dass die Amtsrichterin bereits keine entsprechende Anordnung über die Aufnahme der genauen Bezeichnung des Ortes der Fortsetzung der Hauptverhandlung in den Aushang getroffen hatte, möglich wäre aber auch, dass sie eine solche Anordnung getroffen aber verabsäumt hatte, die Ausführung dieser Anordnung zu kontrollieren. Im letzteren Fall könnte aber ein Verschulden des Gerichts ausscheiden, wenn die für die Ausführung der richterlichen Anweisung betreffend die Gestaltung des Aushanges zuständige Protokollführerin tatsächlich völlig zuverlässig gewesen wäre (vgl. BayObLG, VRS 87, 139, 140; vgl. auch LR-Hanack, StPO, 24. Aufl., § 338 Rdnr. 114).

Indes gehören zum notwendigen Revisionsvorbringen jedoch nur solche Umstände, die dem Revisionsführer - allgemein oder als Verfahrensbeteiligtem - zugänglich sind (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 344 Rdnr. 22 m.w.N.). Die Ansicht des Bayrischen Obersten Landesgerichtes (VRS 87, 139, 141), der Revisionsführer sei in den Fällen, in denen ihm die Gründe für die objektiv gegebene Beschränkung der Öffentlichkeit nicht ohne weiteres zugänglich sind, gehalten auch „ins Blaue“ Behauptungen aufzustellen, die geeignet sind, das Verschulden des Tatrichters zu begründen, teilt der Senat nicht. Nach Auffassung des Senats ist die Rüge vielmehr bereits dann zulässig erhoben, wenn die vom Revisionsführer angegebenen Tatsachen beim Wegdenken der ihm nicht zugänglichen gerichtsinternen Umstände das Verschulden des Gerichts begründen.

Der Bundesgerichtshof hat in vergleichbaren Fällen bereits mehrfach entschieden, dass eine derart weitreichende Darlegungslast des Revisionsführers aus § 344 Abs. 2 StPO nicht abgeleitet werden kann. Die betreffenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGHSt 28, 290, 291; St 29, 162, 164), waren jeweils zu der Rüge der vorschriftswidrigen Besetzung des erkennenden Gerichtes (§ 338 Nr. 1 StPO) ergangen. Im Fall BGHSt 28, 290, 291 hatte der nach dem Geschäftsverteilungsplan zum regelmäßigen Vertreter bestellte Richter am Landgericht als Vorsitzender mitgewirkt. Die Revision hatte vorgetragen, dass für die Strafkammer mindestens für 7 Monate kein Vorsitzender bestellt worden sei und schon deshalb ein Fall nur vorübergehender Verhinderung nicht vorgelegen habe. Sie hatte dagegen nicht vorgetragen, weshalb für die Kammer ein Vorsitzender nicht bestellt worden war.
Der BGH hat die Zulässigkeit der Rüge bejaht, weil der Revisionsführer die Tatsachen angegeben habe, die ihm aus dem Geschäftsverteilungsplan - und damit als Verfahrensbeteiligtem - zugänglich gewesen seien.

Im Fall BGHSt 29, 162, 164 hatte ein Richter entgegen der kammerinternen Geschäftsverteilung an der Hauptverhandlung mitgewirkt. Der BGH hat ausgeführt, dass aus § 344 Abs. 2 S. 2 StPO nicht entnommen werden könne, dass von dem Revisionsführer im Rahmen seiner Begründungspflicht verlangt werden kann, Tatsachen anzugeben, die ihm nicht allgemein oder als Verfahrensbeteiligtem zugänglich sind, sondern sich aus kammerinternen Vorgängen ergeben.

Danach war der Revisionsführer hier nicht durch § 344 Abs. 2 S. 2 StPO gehalten, vorzutragen, aus welchen Gründen die genaue Angabe des Ortes der Fortsetzung der Hauptverhandlung in dem Terminsaushang unterblieb. Die Erteilung einer entsprechenden Anweisung zur Fertigung des Terminsaushanges durch die Amtsrichterin stellt ebenso einen gerichtsinternen und dem Revisionsführer nicht zugänglichen Umstand dar, wie die Zuverlässigkeit der Protokollführerin bzw. Geschäftsstellenbeamtin, die mit der Fertigung des Aushanges betraut war. Der Revisionsführer hätte sich über diese Umstände nur durch Befragung des Gerichts informieren können. Dies kann ihm jedoch nicht abverlangt werden, da er gegenüber dem Gericht keinen Anspruch auf die Erteilung entsprechender Auskünfte hat. Die Beschaffung solcher Informationen obliegt vielmehr dem Senat im Rahmen der Beweisaufnahme zur Frage der Begründetheit der Verfahrensrüge im Freibeweisverfahren. Dort können ohne weiteres entsprechende dienstliche Äußerungen der betroffenen Gerichtspersonen eingeholt werden. Dies betrifft aber bereits die Begründetheit der Verfahrensrüge.

2. Zur Begründetheit der Verfahrensrüge.

a) Die Verfahrensrüge ist begründet.
Durch die fehlende Angabe der Anschrift des Verhandlungsortes auf dem Aushang ist das Gebot der Öffentlichkeit des Hauptverfahrens in vorwerfbarer Weise verletzt. Öffentlich ist eine Verhandlung nur dann, wenn die Allgemeinheit, d.h. beliebige, auch unbeteiligte Zuhörer, an der Hauptverhandlung teilnehmen können, sofern sie dies wünschen (BGH NStZ 1981, 311). Der in § 169 Satz 1 GVG normierte Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens erfordert, dass das Gericht grundsätzlich durch einen Hinweis am Gerichtssaal auf Ort und Zeit der Verhandlung aufmerksam machen muss, wenn die Hauptverhandlung nicht an der sonst üblichen Stelle stattfindet (OLG Hamm, NJW 1974, 1780; OLG Hamm, StV 2000, 459).
Das Amtsgericht hatte hier aufgrund des in der öffentlichen Sitzung vom 31.01.2001 verkündeten Beschlusses die Hauptverhandlung am 05.02.2001 ab 08.30 Uhr zunächst in Dorsten-Wulfen vor dem Haus Heidbruch 93 und sodann ab 10.30 Uhr im Saal 105 des Amtsgerichts Dorsten fortgesetzt. Der vor dem Gerichtssaal angebrachte Aushang enthielt jedoch keinen Hinweis darauf, an welchem Ort die Fortsetzung der Hauptverhandlung stattfinden sollte. Damit hätte ein Zuhörer, der an der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten teilnehmen wollte, anhand des Aushanges nicht erkennen können, wo die Hauptverhandlung stattfinden würde.

Die Rechtsprechung des BGH (NStZ 1981, 311) hat die Anforderungen an die Beachtung des Öffentlichkeitsgrundsatzes „spürbar“ gelockert (so Thüm NStZ 1981, 293). Es soll nicht mehr in jedem Fall erforderlich sein, dass das Gericht auf einen auswärtigen Termin gesondert durch einen Aushang hinweist. Entscheidend seien die besonderen Umstände des Einzelfalles (BGH, NStZ 1981, 311 m.w.N.). Nach dieser Rechtsprechung kann es für die Wahrung des Öffentlichkeitsgrundsatzes ausreichend sein, wenn die Weiterverhandlung außerhalb des Gerichtsgebäudes in öffentlicher Sitzung unter der Angabe von Ort und Zeit verkündet wird. Auch dies ist hier indes nicht geschehen. Nach der Sitzungsniederschrift vom 31.01.2001 hatte das Amtsgericht am Ende der Sitzung die Fortführung der Verhandlung am 05.02.2001 lediglich in der Weise verkündet, dass die Hauptverhandlung „an der Tatörtlichkeit“ fortgesetzt werde. Die genaue Angabe der Anschrift der „Tatörtlichkeit“ enthält dagegen auch der am Ende der Sitzung vom 31.01.2001 verkündete Beschluss nicht. Der Erörterung der weiteren Frage, ob es der genauen Bezeichnung des Ortes der Fortsetzung der Hauptverhandlung auf dem Aushang hier auch deshalb bedurft hätte, weil das Amtsgericht mit der an der Tatörtlichkeit durchgeführten Zeugenvernehmung dort einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung durchgeführt hatte (vgl. BGH, NStZ 1981, 311), bedarf es hier daher nicht.

b) Die Beschränkung der Öffentlichkeit der Verhandlung ist auf ein Verschulden des Gerichts zurückzuführen.
Ein revisibler Verstoß gegen die Öffentlichkeit der Verhandlung setzt nach herrschender Meinung ein dem Gericht zurechenbares Verhalten voraus (vgl. LR-Hanack, a.a.O., § 338 Rdnr. 113 m.w.N.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 338 Rdnr. 49 m.w.N.). Der Revisionsgrund greift grundsätzlich nur dann ein, wenn das Gericht oder der Vorsitzende eine die Öffentlichkeit unzulässig beschränkende Anordnung getroffen, eine ihnen bekannte Beschränkung nicht beseitigt oder eine ihm obliegende zumutbare Aufsichtspflicht verletzt haben (ebda.). Hingegen begründet allein das Verschulden untergeordneter Beamter wie des Protokollführers oder des Gerichtswachtmeisters die Revision regelmäßig nicht (LR-Hanack, a.a.O., § 338 Rdnr. 113), wie allgemein Verletzungen des Öffentlichkeitsgrundsatzes, die auf Umständen beruhen, die außerhalb des Einflussbereichs oder der Einwirkungsmöglichkeit des Gerichtes liegen, die Revision nicht begründen können (vgl. BGHSt 21, 72; BGHSt 22, 297, 299).

Dabei kann dem Gericht aber nur außerplanmäßiges und gelegentliches Fehlverhalten der untergeordneten Hilfsorgane nicht ohne weiteres zugerechnet werden (LR-Hanack, a.a.O., § 338 Rdnr. 114). Insbesondere bei auswärtiger Fortsetzung der Hauptverhandlung führt die Aufsichtspflicht des Gerichtes dazu, dass das Gericht sich selbst davon überzeugen muss, ob die Vorschriften über die Öffentlichkeit beachtet sind (LR-Hanack, a.a.O., § 338 Rdnr. 114 m.w.N.; BGH StV 1981, 3;
OLG Hamm, NJW 1974, 1708; OLG Hamm, StV 2000, 659; KK-Diemer, StPO,
4. Aufl., § 169 GVG Rdnr. 9).

Hier hatte die Amtsrichterin ihre Sorgfaltspflicht bezüglich der Wahrung der Öffentlichkeit und ihre Aufsichtspflicht gegenüber der Protokollführerin, der die Fertigung des Aushanges oblag, nicht hinreichend erfüllt. Die Amtsrichterin hat sich, wie aufgrund ihrer dienstlichen Äußerung feststeht, lediglich auf die allgemeine Zuverlässigkeit der Protokollführerin verlassen und selbst nichts in die Wege geleitet, damit die Öffentlichkeit der Verhandlung hergestellt wird, insbesondere keine konkrete Anweisung für die Fertigung des Aushanges erteilt. Auch hatte die Amtsrichterin den Aushang am Terminstage vor Durchführung des Ortstermins nicht kontrolliert, da sie sich insoweit völlig auf ihre zuverlässige Geschäftsstellenkraft verlassen hatte. In ihrer dienstlichen Äußerung hatte die Amtsrichterin hierzu ausgeführt, die betreffende Beamtin sei bereits sehr lange Leiterin der Strafgeschäftsstelle beim Amtsgericht Dorsten und sei äußerst zuverlässig. Sie schreibe die Terminsrollen auch für die anderen Strafrichter. Auch diese hätten die Zuverlässigkeit der Geschäftsstellenkraft bestätigt, es habe bisher nie Probleme mit den von ihr erstellten Terminsrollen gegeben. Auch habe sie des öfteren Ortstermine durchgeführt, ohne dass es zu Beanstandungen hinsichtlich des Terminszettels gekommen wäre.

Diese Umstände sind nicht geeignet, hier ein Verschulden der Amtsrichterin zu verneinen. Die Amtsrichterin hätte der Geschäftsstellenkraft bzw. der Protokollführerin zumindest die ausdrückliche Anweisung erteilen müssen, auf dem Aushang die genaue Anschrift des Verhandlungsortes aufzunehmen. Nur wenn sie eine solche ausdrückliche Anweisung vor Durchführung des Ortstermines erteilt hätte, könnte es überhaupt noch darauf ankommen, ob die Geschäftsstellenbeamtin derart zuverlässig war, dass ausnahmsweise auf eine generell gebotene Kontrolle der richtigen Ausführung dieser Anweisung durch sie seitens der Amtsrichterin hätte verzichtet werden können. Im Übrigen würde auch eine ausdrücklich erteilte Anweisung bezüglich des Aushanges das Gericht nur von der Kontroll- und Überwachungspflicht befreien können, nicht aber auch von der Verpflichtung, zumindest entsprechende Anweisungen betreffend die Gestaltung des Aushanges zu erteilen. Könnte das Gericht auch auf derartige Anweisungen nur aufgrund der ihm bekannten oder von ihm angenommenen Zuverlässigkeit der Hilfsperson verzichten, würde dies nämlich auf eine unzulässige Übertragung der allein dem Gericht obliegenden Wahrung des Öffentlichkeitsgrundsatzes auf das Hilfsorgan hinauslaufen.

Da bereits die Rüge der Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes der Revision zu einem vollen Erfolg verhilft, waren die weiterhin erhobenen Verfahrensrügen und die Sachrüge nicht zu erörtern.


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