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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss 229/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zur inneren Tatseite beim räuberischen Diebstahl und zum Umfang der erforderlichen Feststellungen

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: räuberischer Diebstahl, innere Tatseite, Vorsatz, Beutesicherungsabsicht, erforderliche Feststellungen

Normen: StGB 252, StPO 267

Beschluss: Strafsache
gegen I.S.,
wegen räuberischen Diebstahls.

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts -Schöffengerichts- Paderborn vom 4. Dezember 2000 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20. 03. 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs.4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Paderborn zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Paderborn hat den Angeklagten wegen gemeinschaftlichen räuberischen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr vier Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Nach den Urteilsfeststellungen suchte der Angeklagte mit der ehemals Mitangeklagten B. am 25. September 1999 die Verkaufsräume der Firma P. & C. in der Westernstraße 31 in Paderborn auf. Während sich Frau B. sichernd umschaute, entnahm der Angeklagte aus einem Kleiderständer mit Cerutti-Waren einen Rock und einen Blazer im Gesamtwert von 1.298,00 DM an sich und steckte die Waren unter seinen Pullover. Der Zeuge Ladendetektiv Bo. bemerkte dieses Geschehen. Er konnte den Angeklagten und dessen Mittäterin am Ausgang des Geschäftes anhalten und zur Rede stellen. Der Angeklagte wollte mit den entwendeten Sachen flüchten. Es entstand eine Rangelei zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen Bo. "indem der Angeklagte sich mittels körperlicher Gewalt gegen den Zeugen Bo. stemmte und in Richtung Ausgang drängte, um mit den entwendeten Sachen zu flüchten und der Zeuge, um dieses zu verhindern, den Angeklagten umklammerte und versuchte, diesen wieder zurück in den Laden zu schieben". In seinen weiteren Feststellungen hat das Amtsgerichts ausgeführt:

"Im Verlauf der Rangelei gerieten der Angeklagte und der Zeuge Bo. an einen Hemdentisch, auf den sie fielen, wobei dessen Glasumrandung zerbrach. Hierdurch zog sich der Angeklagte erhebliche Schnittwunden an den Händen zu. Der Angeklagte wollte sich jedoch weiter losreißen und mit dem Diebesgut entfernen, so dass ihn der Zeuge Bo. weiter festhielt und ihn letztlich in eine Ecke des Raumes drückte, wo er ihn besser fixieren konnte. Als die Mittäterin B., die zunächst nur daneben gestanden hatte, merkte, dass der Angeklagte sich allein nicht mehr befreien konnte, griff sie den Zeugen Bo. von hinten an und umklammerte ihn. Sie ging mit ihren Händen gezielt auf den Hals des Zeugen Bo. los und drückte ihm derart stark die Kehle zu, dass der Zeuge Bo. keine Luft mehr bekam. Die Verkäuferin R. kam dem Zeugen Bo. zur Hilfe und riß die Mittäterin B. von ihm weg. Die Mittäterin B. versuchte jedoch Weiterhin, auf den Zeugen Bo. loszugehen, so dass sie die Zeugin R. weiterhin festhalten musste. Auf Grund des Angriffs der Mittäterin B. tat dem Zeugen Bo. noch einige Tage der Hals weh. Am Hals waren zudem Druckstellen aufgrund des festen Würgegriffes der Mittäterin B. zu erkennen. Zudem erlitt der Zeuge Bo. Prellungen am rechten Oberarm.....".
Der Angeklagte hat den Diebstahl der Kleidungsstücke eingeräumt und sich dahin eingelassen, der Zeuge Bo. "sei ihm gegenüber gleich brutal geworden und habe ihn bedrängt. Er habe Angst bekommen, sich losreißen und weglaufen wollen. Gewalt habe er nicht angewandt'.
Das Amtsgericht hat das Geschehen als "gemeinschaftlichen räuberischen Diebstahl nach §§ 252, 249 Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB" gewertet.

Hiergegen richtet sich die zulässige (Sprung-)Revision des Angeklagten mit der näher ausgeführten Rüge der Verletzung materiellen Rechts.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Paderborn.

Die Ausführungen des angefochtenen Urteils tragen nämlich nicht die Verurteilung wegen räuberischen Diebstahls gemäß § 252 StGB.

Nach § 252 StGB wird wegen räuberischen Diebstahls gleich einem Räuber bestraft, wer nach Vollendung eines Diebstahls, d. h. nach dem Bruch fremden und der Begründung neuen Gewahrsams an der gestohlenen Sache, Gewalt gegen eine Person anwendet, um sich im Besitz der Sache zu erhalten, sofern er dies zu einem Zeitpunkt tut, in dem er auf frischer Tat betroffen ist. Hieraus folgt, dass die bloße Absicht des Täters, sich die Diebesbeute zu erhalten, zur Erfüllung des Tatbestandes des § 252 StGB nicht genügt, dazu vielmehr erforderlich ist, dass gerade auch die Gewaltanwendung von der Absicht getragen wird, eine Gewahrsamsentziehung zu verhindern, da anderenfalls nicht gerechtfertigt ist, die Tat ihrem Unrechtsgehalt nach einem Raub gleichzustellen (BGHSt 9, 162, 163 f.). Allerdings braucht die Absicht, sich im Besitze des gestohlenen Gutes zu erhalten, nicht der einzige Beweggrund für die Gewaltanwendung zu sein. Es genügt, wenn sie einer unter mehreren Beweggründen ist. Letzteres kann u.a. dann der Fall sein, wenn der Täter mit der Gewaltanwendung zunächst seine Festnahme verhindern will, gleichzeitig aber befürchtet, im Falle dieser Festnahme werde ihm die Diebesbeute ohne weiteres wieder abgenommen, und er dieses verhindern möchte (BGHSt 13, 64, 65; BGH NJW 1968, 2386, 2387; BGH NStZ 1984, 454, 455; BGH StV 1987, 196, 197; BGH StV 1987, 534, 535; BGH MDR 1987, 94; OLG Zweibrücken JR 1991, 383, 384; OLG Zweibrücken StV 1994, 545, 546). Dagegen scheidet eine Bestrafung wegen räuberischen Diebstahls dann aus, wenn es dem Täter allein darum geht, sich der Strafverfolgung zu entziehen (BGH NSTZ 1984, 454, 455; BGH MDR 1987, 154; OLG Zweibrücken, JR 1991, 383, 384; OLG Zweibrücken, StV 1994, 545, 546), und er entweder bei der Flucht den Gewahrsam an den Beutestücken bereits - durch Herausgabe oder Wegwerfen aufgibt (BGH NJW 1968, 2386, 2387) oder den Gewahrsam gar nicht gefährdet sieht (BGHST 9, 162, 163; 13, 64, 65; StV 1987, 196, 97) oder aber die Beutestücke zwar mitnimmt, das aber ohne das Bewusstsein der Gewahrsamssicherung ausschließlich zum Zwecke der Beweismittelbeseitigung tut (BGH StV 1987, 534, 535; BGH MDR 1987, 154).
Den besonderen Anforderungen an die subjektive Tatseite des räuberischen Diebstahls genügt eine insoweit unvollständige Beweiswürdigung nicht (BGH MDR 1987, 94; OLG Zweibrücken JR 1991, 383, 384). Insbesondere kann der Wille zur Gewahrsamsbehauptung als Motiv der Gewaltanwendung nicht ohne weiteres nur deshalb angenommen werden, weil der Angeklagte unter Mitnahme der Beute geflohen ist bzw. fliehen will (OLG Zweibrücken JR 1991, 383, 384). Das hat das Amtsgericht hier aber offenbar verkannt. Es hat zur inneren Tatseite lediglich festgestellt, dass der Angeklagte "mit den entwendeten Sachen flüchten" wollte, er in Richtung Ausgang drängte "um mit den entwendeten Sachen zu flüchten" und er sich "losreißen und mit dem Diebesgut" entfernen wollte. Diesen Feststellungen ist nicht zu entnehmen, ob der Angeklagte zumindest auch deshalb gegen den Zeugen Bo. Gewalt verübt hat, um den Gewahrsam an den entwendeten Kleidungsstücken zu behaupten oder ob diese Absicht zum Zeitpunkt der Gewaltanwendung durch die Fluchtabsicht des Angeklagten bereits vollständig verdrängt war. Im letzteren Fäll würde nämlich, da der Tatbestand des räuberischen Diebstahls, der hinsichtlich der Beutesicherung Absicht im Sinne zielgerichteten Willens voraussetzt (vergl. Schönke/Schröder-Eser, StGB, 25. Auflage, § 252 Rdn.7) und bloße Wissentlichkeit hinsichtlich der gleichzeitig mit der Flucht erfolgenden Gewahrsamsbehauptung nicht ausreicht (vergl. OLG Zweibrücken, JR 1991,383,384; Schönke/Schröder-Cramer, a.a.0. 15 Rdn.65,68) eine Bestrafung des Angeklagten nach § 252 StGB ausscheiden (vergl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 13. Oktober 1998 in 3 Ss 1096/98). Zwar hat das Amtsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung bei der Schilderung der Aussage des Zeugen Bo. ausgeführt, dass der Angeklagte immer weiter versucht habe, sich dem Zeugen zu entwinden, ihn wegzudrücken und "mit der Beute, die er festgehalten habe", in Richtung Ausgang zu gelangen. Abgesehen davon, dass das Amtsgericht den Inhalt dieser Bekundung des Zeugen Bo. nicht zum Gegenstand einer eigenen Feststellung zum Tatgeschehen erhoben hat soweit sie das (bewusste) Festhalten der Beute betrifft, hat es zudem aber auch nicht dargelegt - was allerdings zur Nachprüfung durch das Revisionsgericht erforderlich ist -, auf welcher Tatsachengrundlage es zu einer dahingehenden Annahme gelangt sein sollte. Der Angeklagte hat eine Gewaltanwendung zum Zweck der Beutesicherung nicht eingeräumt und sich - bisher nicht widerlegt- darauf berufen, er habe wegen des ihn "brutal" bedrängenden Zeugen Bo. "Angst bekommen und sich deshalb losreißen und weglaufen wollen". Der insoweit mitgeteilten Aussage des Zeugen Bo. ist nicht zu entnehmen, ob und wie der Angeklagte seinen Gewahrsam an der Beute verteidigt hat. Es ist nichts dazu festgestellt, in welcher Weise der Angeklagte die entwendeten Kleidungsstücke "festgehalten" hat und keine Erwägung angestellt, ob er sich ihrer im Hinblick darauf, dass der Zeuge Bo. ihn von hinten umklammert hielt, in der Kürze der Zeit Oberhaupt hätte entledigen oder sie hätte fallen lassen können oder ob das wegen der Umklammerung durch den Zeugen gar nicht möglich war. Zudem hätte sich das Amtsgericht damit auseinandersetzen müssen, ob der Zeuge Bo., der nach den bisher getroffenen Feststellungen im Zuge der Rangelei damit befasst war, den sich wehrenden Angeklagten zu fixieren und ihn deshalb umklammert hielt, Oberhaupt zuverlässige Wahrnehmungen über die Art und Weise einer Beutesicherung durch den Angeklagten treffen konnte. Insoweit kommt in Betracht, dass der Zeuge ausschließlich mit der Personenfeststellung des Angeklagten befasst war. Allerdings ist bei einem solchen Tatgeschehen denkbar, dass es dem Zeugen (auch) darum ging, die entwendeten Kleidungsstücke von dem Angeklagten zurückzuerhalten und sich der Angeklagte (auch) dagegen gewehrt hat. Dahingehende Feststellungen und Beweiserwägungen sind indessen unerlässlich, um beurteilen zu können, ob auf einen Gewahrsamsbehauptungswillen des Angeklagten bei der Gewaltausübung rechtsfehlerfrei geschlossen werden kann.

Rein vorsorglich ist darauf hinzuweisen, dass der Tatbestand des gemeinschaftlichen räuberischen Diebstahls auch verwirklicht sein könnte, wenn die Mittäterin B. mit Gewahrsamssicherungsabsicht den Zeugen Bo. angegriffen hat (vergl. BGHSt 6,251) und so einvernehmlich mit dem Angeklagten dessen Besitz schützen wollte. Dahingehende Feststellungen sind aber den Urteilsgründen bisher nicht zu entnehmen.

Da weitere Feststellungen zur Frage der Beutesicherungsabsicht des Angeklagten oder seiner Mittäterin noch möglich sind, war das angefochtene Urteil auf die Sachrüge des Angeklagten aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Paderborn zurückzuverweisen.


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