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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss OWi 56/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Annahme von Vorsatz hinsichtlich der illegalen Beschäftigung eines Ausländers und zur Bemessung der Geldbuße

Senat: 4

Gegenstand: OWi

Stichworte: illegale Beschäftigung eines Ausländers, Vorsatz, Tatmehrheit, einheitliche Geldbuße, Bemessung der Geldbuße, hohe Geldbuße

Normen: SGB III 284 Abs. 1 S. 1, SGB III 404 Abs. 2 Nr. 2, OWiG 20, OWiG 17 Abs. 3 S. 1

Beschluss: Bußgeldsache gegen H.N.,
wegen illegaler Beschäftigung eines Ausländers,
hier: Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts und Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

Auf den Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gegen den Beschluß des Amtsgerichts Rheine vom 28. September 2000 und auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Rheine vom 1. September 2000 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 20. 06. 2001 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 2 Nr. 1 OWiG im Umfang der Verwerfung der Rechtsbeschwerde teilweise auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen bzw. dessen Verteidigers, im übrigen nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß §§ 79 Abs. 3, 5 und 6 OWiG, 349 Abs. 2 StPO beschlossen:

1. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
2. Unter Verwerfung der Rechtsbeschwerde im übrigen wird das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Rheine zurückverwiesen.
3. Die Liste der angewendeten Vorschriften wird um § 404 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 SGB III ergänzt.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil gegen den Betroffenen wegen "fahrlässigen sowie vorsätzlichen Verstoßes gegen §§ 284 I 1 SGB III i. V. m. §§ 65, 35, 17, OWiG" eine Geldbuße von 10.000,00 DM verhängt. Gegen dieses am 1. September 2000 in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Betroffene mit am 8. September 2000 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage Rechtsbeschwerde eingelegt. In diesem Schriftsatz ist zugleich die allgemeine Sachrüge erhoben worden und klargestellt, daß das Urteil insgesamt angefochten werden soll. Eine Urteilsausfertigung ist dem ordnungsgemäß bevollmächtigten Verteidiger des Betroffenen erst am 24. November 2000 zugestellt worden.
Das Amtsgericht hat bereits mit Beschluß vom 28. September 2000 die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen, weil die ordnungsgemäß eingelegte Rechtsbeschwerde nicht fristgerecht begründet worden sei. Gegen diesen dem Verteidiger des Betroffenen am 2. November 2000 zugestellten Beschluß hat der Betroffene mit am 9. November 2000 beim Amtsgericht Rheine eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers vom 8. November 2000 die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts beantragt.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, den Beschluß des Amtsgerichts Münster (gemeint ist Rheine) vom 28. September 2000 aufzuheben, das angefochtene Urteil, soweit der Betroffene wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen §§ 284 Abs. 1 S. 1, 404 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 2 (gemeint ist Abs. 3) SGB III verurteilt worden ist sowie im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben, die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Rheine zurückzuverweisen und die weitergehende Rechtsbeschwerde zu verwerfen.
II. 1. Auf den zulässigen Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts war der Beschluß des Amtsgerichts Rheine vom 28. September 2000, durch den die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als unzulässig verworfen worden ist, aufzuheben.
Die Rechtsbeschwerdeanträge und ihre Begründung waren form- und fristgerecht bereits mit der Einlegung des Rechtsmittels angebracht worden. Darüber hinaus war im Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts Rheine das Urteil vom 1. September 2000 noch nicht einmal dem Betroffenen oder dem bevollmächtigten Verteidiger förmlich zugestellt worden, so daß der Lauf der Monatsfrist zur Begründung des Rechtsmittels gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 345 Abs. 1 S. 2 StPO noch nicht begonnen hatte.
2. Die Rechtsbeschwerde hat hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs einen zumindest vorläufigen Erfolg. Im übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.
a. Keinen Erfolg hat es, soweit der Betroffene wegen eines fahrlässig begangenen Verstoßes gegen das Verbot aus §§ 404 Abs. 2 Nr. 2, 284 Abs. 1 S. 1 SGB III schuldig gesprochen worden ist (unerlaubte Beschäftigung des Herrn A.H. in der Zeit vom 1. Juli 1999 bis zum 18. August 1999). Insoweit hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO).
b. Auch der Schuldspruch hinsichtlich eines gleichartigen, aber vorsätzlich begangenen Verstoßes wegen der Beschäftigung desselben Ausländers am 21. August 1999 unterliegt letztlich keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe läßt sich noch mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, daß das Amtsgericht - trotz einzelner mißverständlicher Formulierungen - letztlich zu Recht eine vorsätzliche Begehungsweise angenommen hat.
Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Betroffene, der Inhaber der Firma S. Baustoffe N. war, Herrn H. erneut am 21. August 2000 auf dem Bauvorhaben A. in Ochtrup-Welbergen beschäftigt, obwohl am 18. August 1999 anläßlich einer Überprüfung desselben Bauvorhabens durch Mitarbeiter des Hauptzollamtes Münster festgestellt worden war, daß der Betroffene diesen Ausländer in der Zeit vom 1. Juli bis zum 18. August 1999 ohne die erforderliche Erlaubnis beschäftigt hatte. Ihm war deshalb an diesem Tage die Einleitung eines entsprechenden Bußgeldverfahrens durch die Beamten bekannt gegeben worden.
Nach dem angefochtenen Urteil hat sich der Betroffene in der Hauptverhandlung dahin eingelassen, er habe darauf vertraut, daß Herr H. über die erforderliche Arbeitserlaubnis verfügt habe, da sich dieser bei Aufnahme der Tätigkeit durch Vorlage eines Versicherungsausweises legitimiert habe. Auch nachdem Beamte des Hauptzollamtes Münster am 18. August 1999 auf der Baustelle erschienen seien und ihm die Einleitung eines Bußgeldverfahrens mitgeteilt hätten, sei er - nach Rücksprache mit Herrn H. - weiterhin davon ausgegangen, daß dieser eine erforderliche Arbeitsgenehmigung habe. Herr H. habe ihm gegenüber sinngemäß geäußert, das Ermittlungsverfahren erfolge vollkommen unbegründet.
Insoweit hat das Amtsgericht im Rahmen der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung ausgeführt:
"Des weiteren hat sich der Betroffene eines vorsätzlichen Verstoßes gegen die §§ 284 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der geltenden Fassung gem. § 404 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 SGB III in Verbindung mit den §§ 65, 35 und 17 OWiG schuldig gemacht, indem er den Ausländer Herrn H. am 21.08.1999 erneut beschäftigt hat. Die Beschäftigung räumt der Betroffene ein. Zu diesem Zeitpunkt war dem Betroffenen auch bekannt, zumindest mußte er davon ausgehen, daß Herr H. keine erforderliche Arbeitsgenehmigung hatte. Die Mitarbeiter des Hauptzollamtes Münster hatten erst drei Tage zuvor dem Betroffenen die Einleitung eines Bußgeldverfahrens wegen der Beschäftigung eines Arbeitnehmers ohne Arbeitsgenehmigung bekannt gegeben. Aufgrund dessen hätte der Betroffene - wie er vorträgt - nicht auf die gegenteiligen Beteuerungen des Herrn H. vertrauen dürfen, sondern vielmehr seine Weiterbeschäftigung unterlassen müssen. Er hat zumindest - bedingt vorsätzlich - in Kauf genommen, Herrn H. trotz nicht vorhandener Arbeitsgenehmigung weiter zu beschäftigen. Das Vorbringen des Betroffenen, die Arbeit beim Bauvorhaben A. habe doch beendet werden müssen, zeigt eindeutig seine diesbezügliche Einstellung."
Zu Recht hat das Amtsgericht das Verhalten des Betroffenen als vorsätzlich begangene Ordnungswidrigkeit bewertet. Bedingter Vorsatz ist anzunehmen, wenn der Täter den Erfolgseintritt als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und ihn billigend in Kauf nimmt (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 50. Auflage, § 15 Rdnr. 10 a m.w.N.). Der Annahme bedingten Vorsatzes stünde hier entgegen, wenn der Betroffene - wenn auch grob vorwerfbar - tatsächlich darauf vertraut hätte, daß Herr H. über die gemäß § 284 Abs. 1 S. 1 SGB III erforderliche Arbeitserlaubnis verfügt hätte, weil er dann bei Begehung der Tathandlung einen Umstand nicht gekannt hätte, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört (§ 11 Abs. 1 OWiG). Dem angefochtenen Urteil ist jedoch letztlich trotz mißverständlicher Formulierungen noch hinreichend zu entnehmen, daß das Amtsgericht das Vorliegen eines solchen Irrtums ausgeschlossen hat. Das ergibt sich daraus, daß das Amtsgericht der Einlassung des Betroffenen, er habe aufgrund des Gesprächs mit Herrn H. nach den Geschehnissen vom 18. August 1999 darauf vertraut, dieser verfüge über die erforderliche Arbeitserlaubnis, ersichtlich schon für sich genommen wenig Überzeugungskraft beigemessen hat. Insbesondere rechtfertigt jedoch die in diesem Zusammenhang gewürdigte Äußerung des Betroffenen, die Arbeit am Bauvorhaben A. habe doch beendet werden müssen, in rechtsfehlerfreier Weise die Annahme zumindest bedingten Vorsatzes.
c. Das Urteil kann jedoch im Rechtsfolgenausspruch insgesamt keinen Bestand haben.
Zunächst hat das Amtsgericht trotz der zu Recht erfolgten Annahme eines tatmehrheitlich begangenen Verstoßes entgegen § 20 OWiG auf eine einheitliche Geldbuße erkannt. Verletzen jedoch mehrere Handlungen Bußgeldvorschriften und bilden diese Handlungen wie hier weder eine natürliche noch eine rechtliche Handlungseinheit ist gem. § 20 OWiG für jeden festgestellten Verstoß eine gesonderte Geldbuße festzusetzen.
Des weiteren können aber auch die erkannten Geldbußen von jeweils 6.000,00 DM keinen Bestand haben.
Gem. § 17 Abs. 3 S. 1 OWiG sind die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der den Täter treffende Vorwurf Grundlage der Zumessung der Geldbuße. Die Urteilsgründe enthalten zwar einzelne Erwägungen zur Bemessung der Geldbuße, sie genügen den Anforderungen des § 17 Abs. 3 S. 1 OWiG jedoch gleichwohl nicht. Das Amtsgericht hat sich mit den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen nur ansatzweise und angesichts der Höhe der erkannten Geldbuße(n) nicht ausreichend auseinandergesetzt. Vorliegend hätte es einer in die Einzelheiten gehenden Erörterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen bedurft (zu vgl. OLG Köln, VRS 87, 40; Göhler, OWiG, 12. Auflage, § 17 Rdnr. 22). Im übrigen fehlen Feststellungen dazu, in welchem Umfang Herr H. für den Betroffenen in den genannten Zeiten tätig geworden ist, weil nur so das Gewicht der Tat in die Bußgeldbemessung einfließen kann. Schließlich fehlen auch Ausführungen dazu, welchen wirtschaftlichen Vorteil der Betroffene aus der verbotenen Beschäftigung des Ausländers gegebenenfalls gezogen hat (§ 17 Abs. 4 OWiG).
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß aufgrund des Verschlechterungsverbotes keine der festzusetzenden Geldbußen 6.000,00 DM und die Summe der beiden Geldbußen einen Betrag von 10.000,00 DM nicht übersteigen darf.
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt, weil der Erfolg des Rechtsmittels noch nicht feststeht.


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