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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 761/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Fahrlässigkeit bei einem Verstoß gegen die Bundesimmissionsschutzverordnung

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Fahrlässigkeit, Bundesimmissionsschutzverordnung,

Normen: Bundesimmissionsschutzverordnung

Beschluss: Bußgeldsache gegen G.B.,
wegen Verstoßes gegen die Bundesimmissionsschutzverordnung.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Bochum vom 17. Mai 2001 gegen das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 16. Mai 2001 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 10. 10. 2001 durch die Richterin am Landgericht (als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 OWiG) nach Anhörung des Betroffenen und seiner Verteidiger beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Bochum zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das staatliche Umweltamt Herten hat gegen den Betroffenen, der seinerzeit verantwortlicher Geschäftsführer der Fleischwarenfabrik Bernhard B. GmbH & Co. KG in Oer-Erkenschwick war, am 10. Dezember 1999 wegen fahrlässigen Verstoßes gegen § 62 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG einen Bußgeldbescheid erlassen und ihm darin die Nichteinhaltung der als Auflage vorgegebenen Immissionsrichtwerte beim Betrieb seiner Fleischwarenfabrik in dem Zeitraum von Juli 1998 bis März 1999 zur Last gelegt. Es war eine Geldbuße in Höhe von 7.500,00 DM festgesetzt worden. Gegen diesen Bußgeldbescheid hat der Betroffene rechtzeitig Einspruch eingelegt. Das Amtsgericht Bochum hat ihn durch Urteil vom 16. Mai 2001 freigesprochen und folgende Feststellungen getroffen:

"Die Fleischwarenfabrik B. ist aus kleinen Anfängen heraus immer weiter vergrößert worden. Durch An- und Umbauten hat die Betriebsstätte nunmehr eine solche Größe erreicht, dass dort etwa 2.000 Mitarbeiter beschäftigt sind. Im Laufe der Betriebserweiterungen wurde eine Vielzahl von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen erteilt. Mit Änderungsgenehmigungsbescheid vom 14.11.1988 des staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes Recklinghausen ist der Firma u.a. folgende Auflage gemacht worden:

Auflagen in Bezug auf den Lärmschutz:

4.1.1 Die von der Anlage einschließlich des zugehörigen LKW-Verkehrs verursachten Geräuschemissionen dürfen im gesamten Einwirkungsbereich außerhalb des Werkes nicht zu einer Überschreitung der Immissionswerte nach Nr. 2.321 der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 16.07.1968 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 137 vom 26.07.1968) beitragen.

Insbesondere dürfen die Beurteilungspegel, zu denen die Betriebsgeräusche beitragen, ermittelt nach TA-Lärm, vor den Häusern an der

tagsüber
nachts

Industriestraße 6
70 dB (A)

70 dB (A)

Hagener Weg 4
(Hundedressurplatz)

65 dB (A)
65 dB (A)

Am breiten Teich 2
60 dB (A)
45 dB (A)

Auf'm Heitacker 28
60 dB (A)
45 dB (A)

Albertstraße 3
50 dB (A)
35 dB (A)

Ulrichstraße 18
50 dB (A)
35 dB (A)

Horneburger Straße 200
60 dB (A)
45 dB (A)

nicht überschreiten.
Die Nachtzeit beginnt um 22.00 Uhr und endet um 6.00 Uhr.
Für die Ermittlung der Geräuschimmissionen ist die Nr. 2.4 TA Lärm maßgebend.

4.1.2 Ein Beitrag im Sinne vorstehender Ziff. 4.1.1 ist dann nicht gegeben, wenn der Beurteilungspegel der von der beantragten Anlage ausgehenden gleichförmigen Geräusche um mindestens 3 dB (A) und der übrigen Geräusche (z.B. Verkehr, Ansprechen von Sicherheitsventilen) um mindestens 5 dB (A) unter dem Gesamtbeurteilungspegel der außerhalb der Werksgeländegrenze einwirkenden Fremdgeräusche liegt.

4.1.3 Die Einhaltung der in Ziffer 4.1.1 genannten Immissionsrichtwerte ist durch baubegleitende Überwachung des Projektes im Hinblick auf die erforderlichen Schallschutzmaßnahmen durch einen von der Obersten Landesbehörde anerkannten Sachverständigen sicherzustellen und nach Aufnahme eines Probebetriebes der Anlage, erforderlichenfalls von Teilen der Anlage, durch Messungen überprüfen zu lassen.

Im Jahre 1998 beschwerten sich Anwohner der Ulrichstraße beim staatlichen Umweltamt über nächtliche Lärmbelästigungen. Es wurden daraufhin nächtliche Lärmmessungen durch das STUA Herten durchgeführt. Zunächst konnten an den Messpunkten keinerlei Grenzwertüberschreitungen festgestellt werden. Erst in der Nacht vom 02. zum 03.07.1998 stellte der Zeuge J. am Messpunkt Ulrichstraße einen Lärmpegel von 42 dB (A) fest. Die unterschiedlichen Messergebnisse wurden im Wesentlichen durch die unterschiedlichen Windrichtungen bestimmt. In der Nacht vom 02./03.07.1998 herrschte eine sogenannte "Mitwindlage", d.h. der Wind wehte vom Betriebsgelände zur Ulrichstraße. Nachdem der Firma B. das Messergebnis mitgeteilt worden war, wurden zunächst verschiedene Sofortmaßnahmen zur Lärmreduzierung umgesetzt; es wurde u.a. die Betankung der Sauerstofftanks für den Kläranlagebetrieb von Diesel- auf Elektroantrieb veranlasst. Auch mit weiteren Maßnahmen versuchte die Firma, die Lärmemissionen zu reduzieren. Des weiteren schaltete die Firma B. das Sachverständigenbüro U. ein, das am 23.09.1998 eine weitere Lärmmessung durchführte. Dabei wurden dann Grenzwertüberschreitungen nicht festgestellt. Festgestellt wurde ein erheblicher Fremdgeräuschanteil, z. B. durch die nahegelegene Autobahn A 2. Diese Messung wurde jedoch bei einer sogenannten "Querwindlage" durchgeführt. Da diese Windwetterlage nicht charakteristisch war, beauftragte die Firma B. in Absprache mit dem staatlichen Umweltamt das Sachverständigenbüro U. mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens. Während bisher lediglich an den Messpunkten Immissionsmessungen durchgeführt waren, wurden nunmehr unmittelbar an der Betriebsstätte Immissionsmessungen durchgeführt. In dem am 25.02.1999 erstellten Gutachten gelangen die Sachverständigen aufgrund schalltechnischer Berechnungen zu dem Ergebnis, dass ausgehend von dem an der Betriebsstätte festgestellten Schallpegel an dem Messpunkt Ulrichstraße ein Lärmpegel von 42 dB (A) erreicht wird; dieser Berechnung liegt eine sogenannte "Mitwindwetterlage" zugrunde.

Das Gutachten enthält auch eine Reihe von Vorschlägen zur Lärmreduzierung. Unmittelbar nach Vorlage dieses Gutachtens hat die Firma B. auch damit begonnen, erste Punkte der vom Gutachter vorgeschlagenen Lärmminderungsmaßnahmen durchzuführen. Im späteren Verlauf kam es jedoch zwischen der Firma B. und dem staatlichen Umweltamt zu Streitigkeiten darüber, welche weiteren Maßnahmen getroffen werden müssten.

Zu einem späteren - in der Hauptverhandlung nicht genau feststellbaren - Zeitpunkt hat das Büro U. im Auftrag der Firma B. eine weitere Immissionsmessung durchgeführt. Um den Anteil der Fremdgeräusche am Gesamtpegel ermitteln zu können, wurde deshalb zur Nachtzeit der Betrieb der Firma B. für ca. 30 Minuten vollständig stillgelegt. Dabei stellten die Sachverständigen einen Lärmpegel von ca. 35 dB (A) fest."

Das Amtsgericht hat sodann ausgeführt:

"Damit steht fest, dass tatbestandsmäßig eine Ordnungswidrigkeit gem. §§ 62 Abs. 1 Nr. 3, 12 Abs. 2 Bundesimmissionsschutzgesetz vorliegt. Die vom Betroffenen vertretene Firma hat den für den Messpunkt Ulrichstraße geltenden Lärmgrenzwert überschritten.

Eine Verurteilung würde jedoch voraussetzen, dass der Betroffene zumindest fahrlässig gehandelt hat. Dies kann nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nicht bejaht werden.

Dabei hat sich das Gericht von folgenden Erwägungen leiten lassen:
Zunächst ist festzustellen, dass sich die Lärmsituation als ausgesprochen schwierig darstellt (dies hat das staatliche Umweltamt in dem Verwaltungsstreitverfahren, das die Anwohner gegen das Umweltamt angestrengt haben, selbst so vorgetragen).

Zum einen handelt es sich durch die zahlreichen Erweiterungsbauten um eine ausgesprochen komplexe Anlage. Zum anderen gibt es eine erhebliche Fremdgeräuschkulisse. Wie es sich im Laufe des Verfahrens gezeigt hat, war es selbst für die Sachverständigen schwierig, die den Lärmpegel bestimmenden Geräuschquellen zuzuordnen und Maßnahmen zur Lärmminderung zu empfehlen. Festzuhalten bleibt, dass die Firma B. unmittelbar nach Bekannt werden der Lärmüberschreitung die Maßnahmen ergriffen hat, die nach damaligem Kenntnisstand zu einer Herabsetzung des Lärmpegels führen konnten. Im weiteren Verlauf hat die Firma auch - entsprechend der Auflage - ein Sachverständigenbüro beauftragt. Sie hat auch nach Vorlage des 2. Gutachtens unverzüglich mit den vom Gutachter vorgeschlagenen Lärmminderungsmaßnahmen begonnen. Dass es zu einem späteren Zeitpunkt, der nicht mehr Gegenstand des Bußgeldbescheides ist, Streitigkeiten zwischen der Firma und dem staatlichen Umweltamt um die weitere Umsetzung der Lärmminderungsmaßnahmen gab, muss hier unberücksichtigt bleiben.

Nach alledem ist festzuhalten, dass die Firma während des gesamten Verfahrens jeweils die hier konkret möglichen Schritte zur Einhaltung der Lärmrichtwerte getan hat.

Auch das staatliche Umweltamt hat in dem von den Anliegern angestrengten Verwaltungsstreitverfahren vorgetragen, dass bei diesem Verhalten der Firma B. keinerlei Anlass zu ordnungsbehördlichen Maßnahmen bestehe.

Nach alledem vermag das Gericht ein schuldhaftes nämlich fahrlässiges Verhalten des Betroffenen nicht festzustellen.

Der Betroffene war daher freizusprechen."

Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft Bochum mit ihrer rechtzeitig eingelegten Rechtsbeschwerde, mit der sie unter näherer Begründung beantragt hat, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Betroffenen wegen Verstoßes gegen § 62 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 12 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz zu einer Geldbuße in Höhe von 5.000,00 DM zu verurteilen.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel zwar beigetreten, hält aber eine Sachentscheidung des Senats nicht für angezeigt, da die bisherigen Feststellungen eine abschließende Beurteilung noch nicht ermöglichten.

II.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 18. September 2001 ausgeführt:

"Das Amtsgericht hat im Rahmen der Erwägungen zur inneren Tatseite ausschließlich auf das Verhalten des Betroffenen nach dem Bekannt werden der festgestellten Immissions-Richtwertüberschreitung abgestellt. Mit der nach dem festgestellten Sachverhalt naheliegenden Frage, ob der Betroffene als verantwortlicher Geschäftsführer der Firma Bernhard B. GmbH und Co. KG die Richtwertüberschreitung bei Einhaltung der für die beantragte Betriebserweiterung mit dem Änderungsgenehmigungsbescheid vom 14.11.1988 erteilten Auflagen (von vornherein) hätte vermeiden können und ihm ggf. insoweit ein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen ist, hat es sich indessen nicht auseinandergesetzt. Hierzu aber hat um so mehr Anlass bestanden, als der Firma B. nach Nr. 4.1.3 der genannten Änderungsgenehmigung aufgegeben war, die Einhaltung der Immissionsrichtwerte durch entsprechende Schallschutzmaßnahmen und die baubegleitende Überwachung des Projekts durch einen von der Obersten Landesbehörde anerkannten Sachverständigen sicherzustellen und die Anlage nach der Aufnahme des Probebetriebes durch entsprechende Messungen überprüfen zu lassen. Insoweit - insbesondere dazu, ob der Betroffene den Auflagen aus dem Änderungsgenehmigungsbescheid vom 14.11.1988 nachgekommen ist - fehlt es zudem auch an den erforderlichen Feststellungen.

Das Amtsgericht hat den der Entscheidung zugrunde liegenden Verfahrensgegenstand nach alledem nicht erschöpfend gewürdigt. Das freisprechende Urteil kann daher keinen Bestand haben.

Für eine Sachentscheidung des Senats nach § 79 Abs. 6 OWiG ist nach meiner Auffassung kein Raum, da die bisherigen Feststellungen eine abschließende Beurteilung nicht ermöglichen."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigenständiger Prüfung an und hat daher wie geschehen entschieden. Es ist darauf abzustellen, dass der Betroffene die ihm nach § 12 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz erteilte Auflage nicht bzw. schlecht erfüllt hat. Eben diesen Verstoß sanktioniert § 62 Abs. 1 Nr. 3 Bundesimmissionsschutzgesetz, so dass der Tatrichter zu prüfen haben wird, inwieweit dem Betroffenen diesbezüglich ein Schuldvorwurf zu machen ist.
Das Amtsgericht wird auch eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu treffen haben, § 473 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.


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