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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 672/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Frage, wann ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann, dass das Urteil auf der Nichtgewährung des letzten Wortes beruht.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Letztes Wort, Nichtgewährung, Beruhensfrage

Normen: StPO 258, StPO 337

Beschluss: Strafsache gegen M.G.,
wegen versuchter sexueller Nötigung (hier: Revision des Angeklagten)

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der V. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 06.03.2001 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.08.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Die Berufungskammer des Landgerichts hat mit dem angefochtenen Urteil die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Schöffengerichts Minden vom 25.08.2000 verworfen. Das Schöffengericht hatte den Angeklagten wegen versuchter sexueller Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

Das Berufungsurteil ist in Anwesenheit des Angeklagten verkündet worden. Der Angeklagte hat mit am 07.03.2001 bei dem Landgericht eingegangenem Schreiben seines Verteidigers Revision eingelegt und diese nach Urteilszustellung am 24.04.2001 mit am 23.05.2001 beim Landgericht eingegangenem weiteren Schreiben seines Verteidigers mit der näher ausgeführten Sachrüge sowie mit der Verfahrensrüge der Verletzung des § 258 Abs. 2, 3 StPO - Nichtgewährung des letzten Wortes - begründet.

II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Bereits die Verfahrensrüge der Verletzung des § 258 Abs. 2, 3 StPO führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrunde liegenden Feststellungen sowie zur Zurückverweisung der Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts.

Dieser Rüge liegen folgende Verfahrenstatsachen zugrunde, die durch die Revision vorgetragen (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO) und durch das Hauptverhandlungsprotokoll des Landgerichts bewiesen (§ 274 StPO) sind:

"Nach dem Schluss der Beweisaufnahme vor der Berufungskammer erhielten zunächst die Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagte und dessen Verteidiger und der Nebenklägervertreter zu ihren Ausführungen das Wort, und zwar der Beschwerdeführer zuerst. Der Verteidiger beantragte, den Angeklagten freizusprechen. Der Verteidiger stellte drei schriftliche Hilfsbeweisanträge, die verlesen und sodann als Anlagen 6 - 8 zum Protokoll genommen wurden.

Der Staatsanwalt beantragte, die Berufung zu verwerfen, Auferlegung von 3.000,- DM Geldbuße an eine gemeinnützige Einrichtung. Zudem soll der Nebenklägerin W. vom Angeklagten ein Geldbetrag von 3.000,- DM als Wiedergutmachung "zahlen" (richtig: "gezahlt werden").

Der Nebenklägervertreter beantragte, die Berufung zu verwerfen und den Nebenkläger zur Zahlung der vom Vertreter der Staatsanwaltschaft beantragten Geldauflagen zu verpflichten und zudem die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin in der Berufungsinstanz dem Angeklagten aufzuerlegen.

Nach Erörterung mit den Verfahrensbeteiligten: b. + v.:
1. Die Hauptverhandlung wird unterbrochen.
2. Fortsetzungstermin zur Verkündung einer Entscheidung wird bestimmt auf Dienstag, den 60.03.2001, 10.00 Uhr, Landgericht Bielefeld, Saal 65.
3. Zu dem Termin sind die ehrenamtlichen Richter, der Angeklagte, sein Verteidiger, der Vertreter der Staatsanwaltschaft, die Nebenklägerin sowie der Nebenklägervertreter mündlich geladen."

Sodann folgt in der Sitzungsniederschrift der Fertigstellungsvermerk mit den Unterschriften der Urkundspersonen.

Die vorgedruckten Eintragungen über die Gewährung des letzten Wortes an den Angeklagten sind in dem Vordruck des Sitzungsprotokolls vom 01.03.2001 durchgestrichen.

In der Fortsetzungsverhandlung vom 06.03.2001 erfolgte ausweislich der Sitzungsniederschrift dann nur noch die Feststellung der Anwesenden und sodann die Urteilsverkündung.

Damit steht fest, dass dem Angeklagten entgegen § 258 Abs. 2, 3 StPO das letzte Wort nicht gewährt wurde.

Der Senat hat jedoch erwogen, ob hier ausnahmsweise (BGHSt 22, 278) ausgeschlossen werden kann, dass das Urteil auf diesem Verfahrensmangel auch beruht.

Der Verstoß gegen die Pflicht zum Hinweis auf die Berechtigung zum letzten Wort (§ 258 Abs. 2, 3 StPO) wirkt nämlich nicht wie ein unbedingter Revisionsgrund (ebda.). Daraus folgt, dass ein Verstoß gegen diese Bestimmung nur dann zur Aufhebung des Urteils zwingt, wenn es auf dem Verstoß beruht (§ 337 Abs. 1 StPO), wenn also nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Urteil ohne den Verfahrensmangel anders gelautet hätte, was für jeden Einzelfall zu prüfen ist (ebda.). Dabei wird das Revisionsgericht ein Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensmangel allerdings nur in besonderen Ausnahmefällen ausschließen können (BGHSt 22, 278, 281 m.w.N.). Solche Ausnahmefälle sind etwa dann anerkannt worden, wenn der Angeklagte in vollem Umfang geständig war (BGHSt 22, 278, 281; BGHR StPO,
§ 258 Abs. 3 letztes Wort 3: nur hinsichtlich des Schuldspruchs; BGHR StPO, § 258 Abs. 3, Wiedereintritt 9), und zwar insbesondere dann, wenn dem Angeklagten bereits das letzte Wort gewährt worden war und lediglich nach einem erforderlichen Wiedereintritt in die Verhandlung verabsäumt wurde, ihm erneut Gelegenheit zum letzten Wort zu geben (BGHR StPO, § 258 Abs. 3, Wiedereintritt 9 m.w.N.).

Eine solche Fallgestaltung liegt hier indes nicht vor. Der Angeklagte war nicht geständig. Er hat vielmehr von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Ihm war auch nicht bereits das letzte Wort gewährt worden.

Allein der Umstand, dass der Angeklagte sich bislang in der Hauptverhandlung nicht eingelassen hatte, führt ebenfalls nicht zum Ausschluss des Beruhens. Es kann nämlich bereits nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte sich nach Erteilung des letzten Wortes - entgegen seiner bisherigen Verteidigungsstrategie - doch noch geäußert hätte (vgl. BGHR StPO, § 258 Abs. 3, letztes Wort 1, Wiedereintritt 1).


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