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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 548/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Umfang der erforderlichen Feststellungen bei der Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz und zur Abgrenzung von Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Umfang der tatsächlichen Feststellungen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, Vorsatz, bewusste Fahrlässigkeit, Unterlassen, Strafrahmenverschiebung

Normen: TierschutzG 17 Nr. 2 b TierschutzG, StGB 13, StGB 49

Beschluss: Strafsache gegen F.S.
wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des
Amtsgerichts Witten vom 7. März 2001 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 01.08.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Witten zurückverwiesen.

G r ü n d e:
I.
Das Amtsgericht Schöffengericht Witten hat den Angeklagten wegen "fortgesetzten Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt". Bei der Wiedergabe der strafrechtlichen Vorbelastungen hat das Amtsgericht u.a. folgende Verurteilung aufgeführt:
...
"4. Durch Urteil des Amtsgerichts Witten vom 16. Februar 2000 wurde der Angeklagte wegen fortgesetzten Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz und wegen Vollstreckungsvereitelung unter Einbeziehung der Vorverurteilung vom 07.09.1999 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde. Durch Bewährungsbeschluss vom gleichen Tage wurde dem Angeklagten u.a. mit seinem Einverständnis aufgegeben, höchstens 50 Schafe zu halten und seine weiteren Schafe bis Mai 2000 abzuschaffen."

Zum Tatgeschehen hat es u.a. folgende Feststellungen getroffen:

"Nach dem bereits zitierten Urteil des Amtsgerichts Witten vom 16. Februar 2000 trat in den Verhältnissen des Angeklagten im Hinblick auf seine Tierhaltung, die Anzahl der von ihm gehaltenen Schafe und seine Einstellung gegenüber seinen Tieren eine Änderung nicht ein. Die Bewährungsauflage, höchstens 50 Schafe zu halten und seine weiteren Schafe bis Mai 2000 abzuschaffen, befolgte der Angeklagte nicht, obwohl er im Termin zur Hauptverhandlung vom 16.02.2000 sein Einverständnis zu dieser Bewährungsauflage erklärt hatte. Im Gegenteil wurde der Angeklagte bereits am 16. März 2000 erneut einschlägig straffällig, weil er dabei mitwirkte, dass acht seiner Schafe ohne die vorgeschriebene Hinzuziehung eines Veterinärs unter Verstoß gegen das Fleischhygienegesetz auf dem Bauernhof des Bauern B. geschlachtet und zu diesem Zweck getötet und ausgeweidet wurden.

Der Angeklagte hielt weiterhin auf verschiedenen von ihm angepachteten Weiden in Witten mehr als 100 Schafe, obwohl er wusste und ihm durch Urteil des Amtsgerichts Witten vom 16. Februar 2000 bescheinigt worden war, dass er weder die persönlichen noch die materiellen Voraussetzungen dafür hatte, die Schafe angemessen und dem Tierschutzgesetz entsprechend zu halten, zu beaufsichtigen und zu versorgen. Da der Angeklagte hauptberuflich als Waldarbeiter bei der Stadtverwaltung Witten beschäftigt ist, fehlte ihm die Zeit, die Schafe ordnungsgemäß zu kontrollieren. Dabei nahm er weiterhin immer wieder in Kauf, dass einzelne Schafe von Krankheiten befallen wurden, die er nicht erkannte und die den Tieren länger anhaltende Schmerzen zufügten. Praktisch setzte sich das Verhalten des Angeklagten, das Gegenstand des Urteils des Amtsgerichts Witten vom 16. Februar 2000 war, ohne jegliche spürbare Zäsur auch nach diesem Urteil fort. Erst unter dem Eindruck seiner Inhaftierung im vorliegenden Verfahren am 6. Dezember 2000 verkaufte der Angeklagte durch Vermittlung seines Verteidigers mit undatiertem Kaufvertrag seine immer noch aus 120 Tieren bestehende Schafherde an den Zeugen H.

Auf diesem Hintergrund kam es zu folgenden Vorfällen:

...

Am 11. Juli 2000 fand die Polizei in Witten auf einer Weide auf dem Grundstück Durchholzer Straße 27 in Witten ein dem Angeklagten gehörendes und seiner Obhut anvertrautes Schwarzkopfschaf, welches sich vom Angeklagten unbemerkt von der Schafherde entfernt hatte. Das Schaf lag auf der Weide und war nicht mehr in der Lage, selbständig aufzustehen. Nachdem der Angeklagte von der Polizei nicht erreicht werden konnte, erschien nach mehr als einer Stunde auf Veranlassung der Polizeibehörde der Tierarzt Dr. B. an der Weide und fand das Schwarzkopfschaf des Angeklagten festliegend in der Seitenlage vor. Das Tier befand sich in einem erbärmlichen Allgemein- und Pflegezustand. Es war nicht geschoren, die Afterregion völlig verdreckt. Es war sehr stark abgemagert und hatte starken Durchfall. Weiterhin war festzustellen, dass das Tier unter starken Schmerzen litt. Sein Kreislauf war zusammengebrochen. Es lag aufgrund der starken Schwächung im Sterben. Wäre ein Tierarzt vorher konsultiert worden, hätten dem Tier viele Schmerzen und viel Leid erspart werden können. Um 21.15 Uhr, mehr als 2 Stunden nach dem Eintreffen der Polizei an der Wiese des Grundstücks Durchholzer Straße 27 in Witten, entschloss sich der Tierarzt, das Schwarzkopfschaf des Angeklagten aufgrund des Zustandes des Schafes einzuschläfern. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Angeklagte, obwohl er inzwischen von der Polizei informiert worden war, noch nicht eingetroffen.

Dem Angeklagten war es nicht möglich, sich so um seine Schafe zu kümmern, wie dies von ihm zu erwarten gewesen wäre."

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Verwerfung der Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO beantragt.

II.
Die zulässige Revision des Angeklagten ist begründet.

Sie führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insgesamt und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Witten, die auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.

Der Schuldspruch wegen eines (bedingt) vorsätzlichen Verstoßes durch Unterlassen gegen § 17 Nr. 2 b TierschutzG kann nicht bestehen bleiben, weil ausreichende Feststellungen sowohl zur objektiven als auch zur subjektiven Tatseite fehlen.

Nach § 17 Nr. 2 b TierschutzG macht sich strafbar, wer einem Wirbeltier länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt. Zwar sind die Feststellungen des Urteils zu dem Allgemein- und Pflegezustand der Schafe ausreichend, eine Tiermisshandlung i.S.d. § 17 Nr. 2 b TierschutzG anzunehmen. Dass dieser Taterfolg aber dem Angeklagten auch objektiv zuzurechnen ist, hat das angefochtene Urteil indessen nicht hinsichtlich aller von ihm geahndeten Vorfälle rechtsfehlerfrei festgestellt. So genügen die genannten Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen hinsichtlich des am 11. Juli 2000 aufgefundenen Schwarzkopfschafes nicht, um darauf einen Vorwurf gegen den Angeklagten zu stützen. Es fehlen insbesondere Ausführungen dazu, ob der "erbärmliche Allgemein- und Pflegezustand" des aufgefundenen Tieres ausschließlich auf mangelnde Pflege durch den Angeklagten zurückzuführen ist. Denkbar ist nämlich auch, dass das Schaf, das sich "vom Angeklagten unbemerkt von der Schafherde entfernt hatte", bereits seit längerer Zeit umhergeirrt und durch andere äußere Einflüsse in den angetroffenen Zustand versetzt worden war. Letzteres würde keine dem Angeklagten zuzurechnende Tiermisshandlung durch Unterlassen darstellen, so dass der Tatrichter diese Möglichkeit durch entsprechende Feststellungen auszuschließen hat.

Die tatrichterlichen Feststellungen tragen überdies nicht den Vorwurf einer bedingt vorsätzlichen quälerischen Tiermisshandlung im Sinne des § 17 Nr. 2 b TierschutzG.

Der subjektive Tatvorwurf wird damit begründet, der Angeklagte sei hauptberuflich als Waldarbeiter bei der Stadtverwaltung Witten beschäftigt und ihm habe deshalb die Zeit gefehlt, die Schafe ordnungsgemäß zu kontrollieren. Dabei habe er weiterhin immer wieder in Kauf genommen, dass einzelne Schafe von Krankheiten befallen wurden, die er nicht erkannte und die den Tieren länger anhaltende Schmerzen zufügten. Weiter heißt es, dem Angeklagten sei es nicht möglich gewesen, sich so um seine Schafe zu kümmern, wie dies von ihm zu erwarten gewesen wäre.
Diese tatrichterlichen Ausführungen lassen besorgen, dass das Amtsgericht von bewusster Fahrlässigkeit und nicht von bedingtem Vorsatz des Angeklagten ausgegangen ist. Dies gilt um so mehr, als es in der Strafzumessung u.a. heißt:
"Weiterhin hat das Gericht zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er ein einfacher und schlicht strukturierter Mensch ist, der im Hinblick auf seine Belastbarkeit und die Fähigkeit, sowohl in persönlicher als auch in sachlicher Hinsicht für eine derart große Schafherde Sorge tragen zu können, erkennbar an Realitätsverlust leidet."

Die Schuldformen bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit unterscheiden sich allein darin, dass der bewusst fahrlässig Handelnde mit der als möglich erkannten Folge nicht einverstanden ist und deshalb auf ihren Nichteintritt vertraut, während der bedingt vorsätzlich Handelnde mit dem Eintreten des schädlichen Erfolges in der Weise einverstanden ist, dass er ihn billigend in Kauf nimmt oder dass er sich wenigstens mit der Tatbestandsverwirklichung abfindet (vgl. BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 2). Da die Grenzen dieser beiden Schuldformen fließend sind, sind die Merkmale der inneren Tatseite besonders sorgfältig durch tatsächliche Feststellungen zu belegen und dabei die Rechtsbegriffe Vorsatz und Fahrlässigkeit in ihre tatsächlichen Bestandteile aufzulösen ( vgl. KK-Engelhardt, StPO, 4. Aufl., Rdnr. 10 zu § 267; BGHR StGB a.a.O.).

Dem genügt die formelhafte Wertung des Amtsgerichts nicht, der Angeklagte habe den in dem angefochtenen Urteil festgestellten Taterfolg in Kauf genommen. Denn sie lässt eine hinreichende Ausfüllung mit konkreten Tatsachen vermissen. Soweit das Amtsgericht den bedingten Vorsatz damit zu begründen versucht, der Angeklagte habe aufgrund seiner einschlägigen Vorverurteilungen, namentlich derjenigen vom 16. Februar 2000, um die Pflichtwidrigkeit seines Handelns gewusst, so ergibt sich allein daraus noch nicht die unbedingt notwendige Billigung des möglichen Erfolges.

Sie kann auch nicht etwa daraus hergeleitet werden, dass der Angeklagte der ihm in dem Bewährungsbeschluss erteilten Weisung, den Bestand seiner Schafherde bis Ende Mai 2000 auf maximal 50 Schafe zu reduzieren, nicht nachgekommen ist. Zwar musste der Angeklagte damit rechnen, dass er wie auch schon in der Vergangenheit - mit einer so großen Schafherde restlos überfordert sein würde mit der Folge, dass wiederum einige seiner Schafe von Krankheit befallen würden. Der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts ist aber allein kein Kriterium für die Entscheidung der Frage, ob ein Angeklagter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, bei denen insbesondere die Motive und die Interessenlage des Angeklagten zu beachten sind (vgl. BGHR StGB § 15 Vorsatz, bedingter 1, 9).

Da wesentliche Umstände gegen die Annahme eines bedingten Misshandlungsvorsatzes sprechen, war das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Witten zurückzuverweisen.

III.
Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:

Sollte der Tatrichter einen vorsätzlichen Verstoß gegen das TierschutzG durch Unterlassen bejahen, so wird er die Frage, ob eine Strafrahmenmilderung nach §§ 13 Abs. 2, 49 Abs. 2 StGB geboten ist, in einer wertenden Gesamtwürdigung der wesentlichen unterlassungsbezogenen Gesichtspunkte zu überprüfen haben; seine Auffassung hat er in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise darzulegen (vgl. BGHR StGB § 13 Abs. 2 Strafrahmenverschiebung 1).


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