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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 237/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zur genügenden Entschuldigung hinsichtlich der Versäumung der Berufungshauptverhandlung infolge eines Verkehrsstaus

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: genügende Entschuldigung, Versäumung der Berufungshauptverhandlung aufgrund eines Verkehrsstaus, Verkehrsunfall, eigenes Verschulden

Normen: StPO 329, StPO 44

Beschluss: Strafsache gegen C.M.,
wegen Körperverletzung (hier: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung).

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der XIII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 06.04.2001 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11.06.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung am 27.03.2001 gewährt.

Die Kosten der Beschwerde einschließlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.

Das Verwerfungsurteil der Strafkammer vom 27.03.2001 ist damit gegenstandslos.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Bottrop hat den Angeklagten am 01.02.2000 wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und darüber hinaus dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und eine Sperre von noch sechs Monaten gegen den Angeklagten verhängt. Im Übrigen hat das Schöffengericht den Angeklagten freigesprochen.

Die Berufung des Angeklagten gegen dieses Urteil ist durch Urteil des Landgerichts Essen vom 27.03.2001 verworfen worden. Zur Begründung hat das Landgericht in dem Verwerfungsurteil ausgeführt, der Angeklagte habe zwar rechtzeitig Berufung eingelegt, sei aber im Termin zur Berufungshauptverhandlung ungeachtet der durch die Urkunde vom 19.03.01 nachgewiesenen Ladung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden.

Gegen das dem Verteidiger am 02.04.2001 zugestellte Verwerfungsurteil hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 02.04.2001, am selben Tage beim Landgericht in Essen eingegangen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung beantragt und gleichzeitig für den Fall der Verwerfung des Antrags Revision gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 27.03.2001 eingelegt. Mit dem Wiedereinsetzungsantrag hat der Angeklagte eine eidesstattliche Versicherung seines Arbeitskollegen F.F. vom 02.04.2001 vorgelegt.

Das Landgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch mit dem angefochtenen Beschluss vom 06.04.2001 als unbegründet verworfen.

Gegen den am 19.04.2001 dem Verteidiger zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde vom 23.04.2001, die am selben Tage beim Landgericht Essen eingegangen ist.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit am 05.06.2001 beim Senat eingegangenem Antrag vom 16.05.2001 beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die gem. § 46 Abs. 3 StPO i.V.m. § 329 Abs. 3 StPO statthafte und fristgerecht (§ 311 Abs. 2 StPO) eingelegte sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Angeklagten war unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung zu gewähren, da er durch die vorgelegte eidesstattliche Versicherung hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass er unverschuldet daran gehindert war, rechtzeitig zum Berufungstermin vor der Strafkammer zu erscheinen, § 329 Abs. 3, § 44 S. 1 StPO. Den Angeklagten trifft bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalls billigerweise kein Vorwurf, dass er nicht zum Berufungshauptverhandlungstermin erschienen ist. Er hat die ihm hier mögliche und zumutbare Sorgfalt bei der Sicherstellung seines rechtzeitigen Erscheinens zum Termin vor der Berufungskammer aufgewendet. Aufgrund der eidesstattlichen Versicherung des Arbeitskollegen des Angeklagten sowie der Sitzungsniederschrift vom 27.03.2001 steht hierzu fest, dass der Angeklagte sich am 27.03.2001 mit dem PKW von seiner Arbeitsstelle zum Landgericht Essen begeben hatte, wobei ihn der genannte Arbeitskollege fuhr. Der Angeklagte selbst verfügte über keine Fahrerlaubnis. Aufgrund eines unvorhergesehenen umfangreichen Staus auf der BAB 40 kamen der Angeklagte und sein Arbeitskollege nur zögerlich vorwärts. Der Angeklagte rief daraufhin beim Landgericht in Essen an und teilte mit, dass er in etwa 20 Minuten dort eintreffen werde. Dies wurde der Kammer ausweislich des Sitzungsprotokolls um 09.05 Uhr durch die Geschäftsstelle telefonisch mitgeteilt. Die Hauptverhandlung wurde daraufhin von 09.10 Uhr bis 10.32 Uhr unterbrochen. Um 10.32 Uhr wurde das Verwerfungsurteil verkündet. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Angeklagte nicht bei Gericht erschienen, und zwar, wie aufgrund der eidesstattlichen Versicherung feststeht, deshalb, weil ein anderer Verkehrsteilnehmer auf sein Fahrzeug hinten derart aufgefahren war, dass das Fahrzeug nicht mehr fahrbereit war. Der Arbeitskollege hat hierzu versichert, dass ihm nach dem Unfall die Fortsetzung der Fahrt zum Landgericht zu gefährlich erschienen sei und er den Angeklagten deshalb nicht beim Landgericht abgesetzt habe. Man habe dann den Arbeitgeber von dem Unfall mit dem Firmenfahrzeug unterrichtet. Anschließend habe der Angeklagte erneut beim Landgericht anrufen wollen, dies sei ihm aber nicht mehr möglich gewesen, weil der Akku des Handys leer gewesen sei. Ein weiteres Handy habe nicht zur Verfügung gestanden. Ohne den Unfall wäre es ohne weiteres möglich gewesen, binnen der angekündigten 20 Minuten das Landgericht zu erreichen.

Bei dieser Sachlage trifft den Angeklagten an seinem Nichterscheinen vor der Berufungskammer kein Verschulden. Insoweit ist anerkannt, dass die Frage der genügenden Entschuldigung zugunsten des Angeklagten weit auszulegen ist (OLG Hamm, VRS 97, 44, 48; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 329 Rdnr. 23 m.w.N.). Hier hätte der Angeklagte trotz des Verkehrsstaus jedenfalls innerhalb der vom Landgericht auf seinen Anruf hin angeordneten Unterbrechung vor der Berufungskammer erscheinen können. Dies war ihm allein deshalb unmöglich, weil zu den Verkehrsstauungen zusätzlich noch der Verkehrsunfall hinzukam, der dazu führte, dass sich sein Fahrer weigerte, die Fahrt mit dem beschädigten Fahrzeug fortzusetzen. Ein solcher Verkehrsunfall war von dem Angeklagten aber weder vorauszusehen noch konnte er von ihm - als Beifahrer des Fahrzeugs - verschuldet sein (vgl. zu der ähnlichen Fallgestaltung einer Autopanne: OLG Hamm,
VRS 97, 44 und Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 329 Rdnr. 27 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Gewährung von Wiedereinsetzung aus § 473 Abs. 7 StPO und hinsichtlich der Kosten der Beschwerde aus § 473 Abs. 3 StPO analog.


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