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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 391/01 OLG Hamm

Leitsatz: Ein Angriff gegen die Menschenwürde im Sinne von § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegt dann vor, wenn die Angehörigen der in Rede stehenden Bevölkerungsgruppe, z.B. die in Deutschland lebenden dunkelhäutigen Menschen, die einen solchen Teil der Bevölkerung im Sinne von § 130 StGB darstellen, im Kernbereich ihrer Persönlichkeit getroffen werden.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Volksverhetzung; Angriff gegen die Menschenwürde, Diskriminierung, Öffentlichkeit

Normen: StGB 130

Beschluss: Strafsache gegen S.P.,
wegen Volksverhetzung u.a.

Auf die (Sprung-) Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendgericht - in Bielefeld vom 27.11.2000 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 29.05.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:

Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten, der auch die dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat, als unbegründet verworfen.

Gründe:
I.
Der Jugendrichter in Bielefeld hat den Angeklagten wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit Beleidigung und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt.

Nach den zugrunde liegenden Feststellungen hatte der Angeklagte am 02.08.2000 in Bielefeld an einer Haltestelle den dunkelhäutigen 13jährigen Geschädigten D.O. O. entdeckt, der dort in einem Wartehäuschen gemeinsam mit seinen Freunden, den Zeugen pp., auf einen Zug nach Bielefeld wartete. Der Angeklagte sprach den Zeugen O. an, um ihm zu bestätigen, dass der Zeuge an einer früheren Auseinandersetzung des Angeklagten mit mehreren Jugendlichen nicht beteiligt gewesen sei. Nach Bekundung des Angeklagten sollen die Freunde des Schülers O. dabei plötzlich in seine Richtung gespuckt und gerufen haben: „Verpißt euch, Ihr Glatzen“. Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte durch eine solche oder durch ähnliche Bemerkungen der Begleiter des Geschädigten provoziert gefühlt hatte. Nach einem kurzen Wortwechsel mit dem Zeugen wandte sich der Anklagte an den Schüler O. und wollte sich mit ihm schlagen. Als dieser nicht reagierte, beschimpfte er ihn als „Nigger, Scheißnigger, Kaffer“ und erklärte ihm, er habe hier nichts zu suchen und solle in sein Land zurückkehren.

Als die vier Schüler dann das Wartehäuschen verlassen wollten, um zu dem gerade eingetroffenen Zug zu gehen, stieß der Angeklagte dem Zeugen K. mit dem Ellenbogen ins Gesicht, so dass dieser eine schmerzhafte Nasenprellung erlitt. Sodann folgte der Angeklagte dem Schüler O. bis zur Wagontür und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht, wodurch der Geschädigte eine Platzwunde an der Unterlippe, starkes Nasenbluten und Kopfschmerzen aufgrund einer Gehirnerschütterung erlitt.

Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit am 29.11.2000 bei dem Amtsgericht eingegangenem Schreiben seines Verteidigers Revision eingelegt und diese nach Urteilszustellung am 09.01.2001 mit einem am 30.01.2001 bei den Bielefelder Justizbehörden eingegangenem weiteren Schreiben seines Verteidigers mit der Sachrüge begründet.
Der Nebenkläger hat beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Revision war zu verwerfen, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, § 349 Abs. 2, Abs. 3 StPO.

Anlass zu näherer Erörterung gibt nur Folgendes:

Der Angeklagte hat sich durch sein Verhalten gegenüber dem Zeugen O. insbesondere auch der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB schuldig gemacht. Er hat durch dieses Verhalten nämlich in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft hat.
Der Angeklagte hat den Zeugen O. mit den Worten „Nigger, Scheißnigger, Kaffer“ beschimpft und dadurch, dass er in unmittelbarem Zusammenhang mit diesen Beschimpfungen gegenüber dem Geschädigten erklärte, dieser habe hier nichts zu suchen und solle in sein Land zurückkehren, auch dessen Menschenwürde angegriffen.

Ein Angriff gegen die Menschenwürde im Sinne von § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB liegt dann vor, wenn die Angehörigen der in Rede stehenden Bevölkerungsgruppe, hier die in Deutschland lebenden dunkelhäutigen Menschen, die einen solchen Teil der Bevölkerung im Sinne von § 130 StGB darstellen (OLG Zweibrücken, NStZ 1994, 490, 491), im Kernbereich ihrer Persönlichkeit getroffen werden. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Angehörigen der Bevölkerungsgruppe in einem wichtigen Bereich ihrer Persönlichkeitsentfaltung behindert werden, wenn dieser Personengruppe ihr ungeschmälertes Lebensrecht in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen wird bzw. wenn sie unter Verletzung des verfassungsmäßigen Gleichheitssatzes als minderwertige Wesensgruppe behandelt wird (OLG Hamm, NStZ 1995, 137). Dabei muss sich der Angriff gegen den ihre menschliche Würde ausmachenden Kern der Persönlichkeit und nicht lediglich gegen einzelne Persönlichkeitsrechte richten (OLG Hamm NStZ 1994, 136, 137; vgl. auch BVerfG, NStZ 2001, 26, 28 je m.w.N.).

Zwar reicht die bloße Diskriminierung von Ausländern oder das Bestreiten ihres Aufenthaltsrechtes für sich genommen hierfür noch nicht (vgl. OLG Hamm a.a.O. und BVerfG, a.a.O.). Mit der kollektiven Aufforderung an die gesamte dunkelhäutige Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, ohne Ausnahme das Land zu verlassen, und zwar allein aufgrund ihres andersartigen Herkommens bzw. ihrer andersartigen Hautfarbe, werden die dunkelhäutigen Bürger unseres Landes aber jedenfalls insoweit als unterwertige Wesen dargestellt, dass sie den Schutz des Art. 3 GG nicht verdient hätten und schon allein aufgrund ihrer Herkunft anders zu behandeln seien (OLG Hamm, a.a.O., 137). Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Aufforderung mit Gewalttätigkeiten oder mit der Drohung mit Gewalt verbunden und dadurch zum Ausdruck gebracht wird, dass sie gegebenenfalls mit Gewalt und ohne Rücksicht auf die körperliche Unversehrtheit des dunkelhäutigen Mitbürgers durchgesetzt werden soll (vgl. OLG Hamm, a.a.O.).

In diesem Sinne war auch das Vorgehen des Angeklagten gegen den Geschädigten hier zu verstehen. Es ging über eine bloße Beleidigung aus Verärgerung über das vorangegangene Geschehen deutlich hinaus. Entscheidend ist insoweit, dass nach den Feststellungen des Amtsgerichts die möglicherweise erfolgten Provokationen gerade nicht von dem dunkelhäutigen Geschädigten sondern von dessen - offenbar nicht dunkelhäutigen - Begleitern ausging, der Angeklagte diese Provokation aber zum Anlass nahm, um zuvörderst und zunächst allein gegen den dunkelhäutigen Geschädigten vorzugehen, und zwar in der festgestellten beleidigenden und herabsetzenden Art und Weise, die anschließend noch in einen gewalttätigen körperlichen Angriff mündete. Bei Berücksichtigung dieser Begleitumstände, auf die es bei der Feststellung eines Angriffs auf die Menschenwürde im Sinne des § 130 Abs. 1 Ziffer 2 StGB in besonderem Maße ankommt (vgl. BVerfG, a.a.O., 28; OLG Hamm, a.a.O., 137), wird die gegen die gesamte, oben genannte Bevölkerungsgruppe gerichtete Grundtendenz der Angriffshandlungen des Angeklagten gegen den dunkelhäutigen Geschädigten deutlich.

Das Verhalten des Angeklagten war zudem, insbesondere in Verbindung mit den erheblichen Beschimpfungen und dem sich anschließenden körperlichen Angriff gegen den Geschädigten, geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören. Die Ausgrenzung einer ganzen Bevölkerungsgruppe vergiftet das öffentliche Klima und bedroht den Rechtsfrieden (BayObLG JR 1998, 213, 216).

Der Angriff erfolgte hier auch öffentlich. Dabei ist nicht erforderlich, dass unmittelbar die allgemeine Öffentlichkeit angesprochen wird; vielmehr reicht die Kenntnisnahme durch eine beschränkte Öffentlichkeit aus, wenn den Umständen nach mit einem Bekannt werden in einer breiteren Öffentlichen gerechnet werden muss, sei es auch nur durch soziale Kontakte derjenigen, denen der fragliche Angriff unmittelbar eröffnet wird (ebda. m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 StPO.


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