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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi (354/99) 36 Js 662/99 AG Marl, 8 OWi (354/99) 36 Js 662/99 AG Marl

Leitsatz: Bei der Bestimmung der Blutalkoholkonzentration kommt der dritten Dezimalen hinter dem Komma ein signifikanter Aussagewert nicht zu; sie ist außer Betracht zu lassen, und zwar sowohl für die Errechnung des Mittelwertes wie für die der Einzelwerte.

Senat: 3

Gegenstand: OWi

Stichworte: Blutalkoholkonzentration, Blutalkhol, Promille, Trunkenheit, 3. Dezimale, Trunkenheitsfahrt

Normen: StVG 24 a

Beschluss: Bußgeldsache gegen M.K.,
wegen Zuwiderhandlung gegen § 24 a StVG.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Marl vom 13.09.1999 hat der 3 . Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 11.01.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Marl zurückverwiesen.

Günde: I. Das Amtsgericht Marl hat am 13.09.1999 gegen den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 24 a Absatz 1 Nr. 1, 25 StVG eine Geldbuße von 1.000,- DM und ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt. Gegen den Betroffen war bereits zuvor durch Bußgeldbescheid des Kreises Recklinghausen vom 25.02.1998, rechtskräftig seit dem 09.10.1998 - wegen Führens eines Kraftfahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr unter Alkoholeinwirkung (1,02 ) eine Geldbuße von 500,- DM und ein Fahrverbot von 1 Monat festgesetzt worden.
Nach den zugrundeliegenden Feststellungen befuhr der Betroffene am 01.2.1999 gegen 20.15 Uhr in Marl-Hüls mit dem PKW vom Typ BMW, amtliches Kennzeichen RE-NK 46, die Otto-Hue-Straße in Fahrtrichtung Ovelheider Weg, als er durch Polizeibeamte angehalten wurde. Ein durchgeführter Alco-Test ergab einen Wert von 0,70 . Daraufhin wurde dem Betroffenen gegen 20.45 Uhr eine Blutprobe entnommen. Aufgrund des schriftlichen Untersuchungsergebnisses des CEL (Gemeinsames Chemisches und Lebensmitteluntersuchungsamt für den Kreis Recklinghausen und die Stadt Gelsenkirchen in der Emscher-Lippe-Region) vom 02.2.1999 gewann das Gericht die Überzeugung, dass der Betroffene zur Tatzeit 0,8 Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hatte, die zu einer solchen Blutalkoholkonzentration führt. Das Gutachten hatte einen arithmetischen Mittelwert von 0,80 aus dem Ergebnis der gaschromatographischen Einzelwerte von 0,810 und 0,806 sowie der enzymatischen Werte von 0,794 und 0,790 errechnet.
Der Betroffene hat gegen dieses Urteil des Amtsgerichts Marl vom 13.09.1999 Rechtsbeschwerde eingelegt. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
II. Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 1 u. Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und hat in der Sache einen zumindest teilweisen Erfolg. Sie führt auf die erhobene Sachrüge zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Marl.
1. Allerdings ist die Rüge des Betroffenen, das Amtsgericht habe seinem Beweisantrag auf Nachuntersuchung der Blutprobe nach dem Widmark-Verfahren nachgehen müssen, unbegründet. Zur Feststellung der Blutalkoholkonzentration dienen chemische Untersuchungen von Blutproben nach dem Widmark-Verfahren und nach der Alkoholdehydrogenase-Methode (ADH), in jüngerer Zeit vor allem nach dem exakteren gaschromatographischen (GC) Verfahren. Gem. Nr. 15 der von den Bundesländern vereinbarten Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift über die Feststellung von Alkohol im Blut bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten (abgedruckt bei Mühlhaus/Janiszewski 40) sind jeweils mehrere Analysen durchzuführen, und zwar drei nach Widmark und zwei nach ADH (BGHSt 21, 167), für das GC-Verfahren genügen, auch wenn es an die Stelle des Verfahrens nach Widmark tritt, stets zwei Analysen (Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., § 316 Rdnr. 8 c m.w.N.). Demnach sind zwei verschiedene Untersuchungsmethoden zur Feststellung der Blutalkoholkonzentration ausreichend, wie auch der Beschwerdeführer zutreffend ausführt. Das Amtsgericht hat somit den Beweisantrag des Betroffenen zu Recht gem. § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG abgelehnt.
2. Jedoch tragen die getroffenen Feststellungen nicht die Verurteilung wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit nach § 24 a Abs. 1 Nr. 1 StVG . Dieser Tatbestand ist nicht erfüllt, wenn der Mittelwert aus den Einzelanalysen 0,8 nicht erreicht oder sich erst durch Aufrundung ergeben würde.
Aufgrund der sich aus dem schriftlichen Untersuchungsergebnis des CEL vom 02.2.1999 ergebenden Einzelwerte errechnet sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHSt 28, 1, (4) = NJW 1978 Seite 1930) nur ein arithmetischer Mittelwert von 0,7975 .
Nach dem Gutachten des Bundesgesundheitsamtes "Alkohol bei Verkehrsstraftaten" von 1966 ist absolute Genauigkeit, d.h. Übereinstimmung des Untersuchungsergebnisses mit der wahren, der wirklichen Konzentration eines Stoffes (hier Alkohol) in einer Blutprobe mittels physikalischer Messung oder chemischer Methoden nicht erreichbar. Deshalb kann das Bestreben nur darauf gerichtet sein, eine möglichst weitgehende Annäherung des Messergebnisses an den wahren Wert zu erreichen. Das bedeutet, die Differenz zwischen wahrem Wert und Messergebnis - der Fehler - soll möglichst klein gehalten werden. Nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung kommt das arithmetische Mittel aus einer Mindestzahl voneinander unabhängigen Einzelmesswerten dem wahren Wert am nächsten (vgl. Gutachten S. 32 Nr. 5). Wurden diese Werte - wie im vorliegenden Fall - durch gaschromatographische Analyse und dem enzymatischen Verfahren ermittelt, so genügen insgesamt vier Einzelwerte (2 und 2) als Grundlage (2. Gutachten von 1977, S. 8).
Im Rahmen des § 24 a StVG kommt bei der Bestimmung der Blutalkoholkonzentration der ersten Dezimalen hinter dem Komma die entscheidende Bedeutung zu. In der forensischen Praxis wird allerdings die zweite Dezimale regelmäßig mitverwendet. Bei der Feststellung des Grenzwertes von 0,8 hat auch der Gesetzgeber - verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, VR 1976, 600) - einen Sicherheitszuschlag von 0,15 auf den zweistelligen Gefahrengrundwert von 0,65 aufgestockt.
Wie auch der Senat bereits in früheren Entscheidungen (Senat in NJW 76, 2309 sowie Beschluss vom 18.03.1999 - 3 Ws 1131/98 -) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ausgeführt hat, kommt der dritten Dezimalen ein signifikanter Aussagewert nicht zu. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Einzelbestimmungen in der 2. Dezimalen so erhebliche Unterschiede aufweisen können, dass Schwankungsbreiten bis 0,1 zulässig sind. Deshalb hat schon die 2. Dezimale nach der allgemeinen Erfahrung einen lediglich eingeschränkten Aussage- und Sicherheitswert. Dies hat zur Folge, dass schon die 2. Dezimale im Grunde nur einen Richtwert für die 1. Dezimale darstellen kann. Bei dieser Sachlage hat der Richter die dritte Dezimalstelle außer Betracht zu lassen, und zwar sowohl für die Errechnung des Mittelwertes wie für die der Einzelwerte (BGH aaO).
Der Senat sieht auch keine Veranlassung, aufgrund der inzwischen erfolgten technischen Entwicklung von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Zwar hat die technische Entwicklung der vergangenen Jahre dazu geführt, dass die Messergebnisse immer genauer geworden sind. Diese Entwicklung hat den Bundesgerichtshof im Jahre 1990 auch dazu veranlasst, den Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit von 1,3 auf 1,1 herabzusetzen (BGHSt 37 Seite 89 = NJW 1990 Seite 2393). Allerdings ist eine absolute Messgenauigkeit noch nicht erreicht, wie auch die zugrundeliegenden Einzelergebnisse hier zeigen. Die Unterschiede der Messergebnisse innerhalb der gleichen Messmethode (0,794 und 0,790 bzw. 0,810 und 0,806 ) betragen jeweils 0,004 , bewegen sich also gerade im Bereich der dritten Dezimalstelle hinter dem Komma.
Vorliegend hat das Amtsgericht entsprechend der Angaben im schriftlichen Untersuchungsergebnis des CEL vom 02.2.1999 die jeweils mit drei Dezimalstellen hinter dem Komma angegebenen Einzelwerte der Berechnung des arithmetischen Mittels zugrunde gelegt und errechnet deshalb eine Blutalkoholkonzentration von genau 0,80 und nicht nur - wie bei Berechnung unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze unter Nichtberücksichtigung der dritten Dezimalstelle - von 0,7975 .
Der mit einem zweifelsfreien Wortlaut im Gesetz festgelegte Grenzwert von 0,8 ist damit nicht erreicht und darf auch entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH a.a.O.) durch Anwendung der Aufrechnungsregeln nicht erreicht werden. Dies würde ansonsten zu einer Ausweitung des gesetzlichen Tatbestandes führen und einen Verstoß gegen das Verfassungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG darstellen.
3. Vorliegend kommt ein Verstoß gegen § 24 a Abs. l Nr. 2 StVG in Betracht, da der Betroffen zur Tatzeit mehr als 0,5 Alkohol im Blut hatte. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde an das Amtsgericht Marl zurückzuverweisen.


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