Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss OWi 1079/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: OWi

Stichworte: illegale Beschäftigung, Arbeitsförderungsgesetz, AFG, ausländische Arbeitnehmer, Arbeitserlaubnis, Gefälligkeitsverhältnis

Normen: AFG 229; AFG 19 Abs. 1, AFG 227, SGB 404 Abs. 2; SGB 284 Abs. 1

Beschluss: Bußgeldsache gegen N.Ö.,
wegen fahrlässigen Verstoßes gegen § 19 Abs. 1, 6 AFG.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen bzw. den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Ahlen vom 12. 4 1999 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 08.11.1999 durch den Richter am Landgericht als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 2 Nr. 1 und 2 OWiG auf Antrag bzw. nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 4 StPO, bzw. gemäß § 80 Abs. 4 OWiG beschlossen:

Soweit die Rechtsbeschwerde die Verurteilung zu einer Geldbuße in Höhe von 200,00 DM wegen Beschäftigung des Herrn H.O. betrifft, wird der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde verworfen.
Soweit das Urteil die Verhängung der Geldbuße in Höhe von 2.000,00 DM wegen der Beschäftigung des Herrn E.S. betrifft, wird das Urteil einschließlich der zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens insgesamt - an das Amtsgericht Ahlen zurückverwiesen.

Gründe: I. Das Amtsgericht Ahlen hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 12. 4 1999 wegen "zweier fahrlässiger Verstöße gegen §§ 19 Abs. 1, 6 AFG, 229 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 AFG eine Geldbuße von 200,- DM und eine Geldbuße von 2.000,00 DM festgesetzt" und ihn im übrigen freigesprochen.
Zur Sache hat das Amtsgericht im Wesentlichen festgestellt:
"(S. 3 UA.)
Der Betroffene war Inhaber des Lebensmittelgeschäfts, W. 21 in Warendorf. Der Betrieb wurde am 05.07.1990 angemeldet und mit Wirkung vom 31.03.1997 abgemeldet. Mit Wirkung vom 01.04.1997 wurde das Lebensmittelgeschäft von der Ehefrau des Betroffenen als neue Inhaberin weitergeführt.
Als Inhaber dieses Lebensmittelgeschäfts beschäftigte der Betroffene in der Zeit vom 08.07.1996 bis 07.01.1997 den am 22.02.1974 geborenen türkischen Arbeitnehmer E.S. und am 28.11.1996 den am 08.11.1970 geborenen jugoslawischen Arbeitnehmer H.O., obwohl diesen die dazu erforderliche Arbeitserlaubnis nicht erteilt worden war und eine zwischenstaatliche Vereinbarung, die den Verzicht auf die Erteilung der Arbeitserlaubnis begründet, nicht vorlag. Ob er darüber hinaus auch den Türken A.C. in der Zeit vom 28.11.1996 bis 07.01.1997 oder bis zum 13.08.1997 als Arbeitnehmer beschäftigte, ist nicht weiter aufgeklärt worden, da dieser jedenfalls eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung hatte."
In der Beweiswürdigung heißt es später (S. 4, 5 UA.):
"Auch bezüglich E.S. hat der Betroffene eingeräumt, daß dieser sich in seinem Lebensmittelgeschäft aufgehalten habe. E.S. habe dort dabei gesessen. Es könne auch sein, daß er geholfen habe. S. - ein Neffe seiner Ehefrau - sei bei ihnen zu Besuch gewesen. Der Zeuge S. hat angegeben, daß er sich seit 4 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte. Er hat ebenfalls eingeräumt, im Lebensmittelgeschäft geholfen zu haben. Wenn er frei gehabt habe, sei er dort gewesen. So habe er leere Kisten weggeräumt und volle Kisten wieder hingestellt.
Weiter heißt es in der Beweiswürdigung zur Frage, inwieweit der Zeuge S. als Aushilfe seit sechs Monaten für sechs Stunden täglich im Lebensmittelgeschäft tätig gewesen sei:
"Auch wurde angegeben - worauf auch in der Hauptverhandlung von dem Betroffenen und dem Zeugen S. Wert gelegt wurde -, daß kein Entgelt gezahlt worden sei und die Tätigkeit im Rahmen der Familienhilfe erfolgt sei."
Gegen diese Verurteilung wendet sich das form- und fristgerecht angebrachte Rechtsmittel des Betroffenen, mit dem er die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und seinen Freispruch beantragt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde insgesamt als unbegründet zu verwerfen.
II. Das Rechtsmittel hat teilweise - zumindest vorläufigen - Erfolg.
1.) Soweit der Betroffene sich mit seinem Rechtsmittel gegen seine Verurteilung wegen der Beschäftigung des Herrn H.O. wendet, handelt es sich um einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 Abs. 1 S. 2, 80 OWiG, weil es sich bei den Beschäftigungen des H. O. einerseits und des E.S. andererseits um gesonderte Taten handelt, die im Rechtsbeschwerdeverfahren hinsichtlich ihrer Zulässigkeit gesondert zu beurteilen sind (§ 79 Abs. 2 OWiG). Die Rechtsbeschwerde war insoweit nicht zuzulassen, da dies weder die Fortbildung des materiellen Rechts gebietet noch das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben war (§ 80 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Satz 3 OWiG).
2.) Soweit die Verurteilung hingegen die Beschäftigung des Herrn E.S. betrifft, hat die Rechtsbeschwerde jedenfalls vorläufigen Erfolg.
Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Annahme einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 229 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 AFG, 16 Abs. 1 S. 6 AFG a.F. nicht.
Nach dieser Vorschrift handelt ordnungswidrig, wer fahrlässig einen nichtdeutschen Arbeitnehmer beschäftigt, welcher die erforderliche Arbeitserlaubnis nicht besitzt. Dass diese Voraussetzungen gegeben sind, lässt sich den tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils nicht entnehmen. Vor allem kann nicht festgestellt werden, dass E.S. als "Arbeitnehmer" im Geschäft des Betroffenen tätig war. Arbeitnehmer ist nach allgemein anerkannter Definition, wer aufgrund privatrechtlichen Vertrages oder ihm gleichgestellten Rechtsverhältnissen im Dienste eines Anderen - regelmäßig gegen Entgelt - zur fremdbestimmten abhängigen Arbeit verpflichtet ist (vgl. Erbs/Kohlhaas/Erbs, Strafrechtliche Nebengesetze A 183, § 229 AFG Rdnr. 1; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Aufl. 1996, § 36 II Ziffer 2 (S. 53 f); Palandt/Putzo, 57. Aufl. 1998, Einführung vor § 611 BGB Rdnr. 8 i.V.m. Palandt/Thomas, Einführung vor § 662 BGB Rdnr. 5). Wesentliches Element ist insoweit regelmäßig eine entgeltliche Tätigkeit, die hier jedoch gerade nicht festgestellt ist. Allein aus der Tatsache, dass der Neffe der Ehefrau des Betroffenen als Verwandter hier sechs Monate jeweils sechs Stunden täglich für den Betroffenen Dienste geleistet hat, kann nicht darauf geschlossen werden, dass ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis vorgelegen hat. Vielmehr können Dienste auch im Rahmen von Gefälligkeitsschuldverhältnissen, also unentgeltlich und ohne rechtliche Verpflichtung geleistet werden. Solche Gefälligkeitsverhältnisse sind jedoch nicht als Arbeitsverhältnisse zu qualifizieren (vgl. Schaub, a.a.O. sowie Palandt, a.a.O.). Beim Gefälligkeitsschuldverhältnis fehlt es nämlich an einem wesentlichen Element des Arbeitsverhältnisses, der vertraglichen Verpflichtung zur Erbringung von Dienstleistungen. Zwar kann allein aus der familiären Verbundenheit des Betroffenen zu dem in dem Lebensmittelgeschäft tätigen Neffen nicht geschlossen werden, dass es an einer privatrechtlichen Vereinbarung als Grundlage für die Leistungserbringung fehlt. Es kommt insoweit im wesentlichen auf die Lage des Einzelfalls an. Dabei bedarf es einer Gesamtwürdigung der maßgeblichen Indizien, die allein Sache des Tatrichters ist. Solche Indizien sind insbesondere Umfang des vereinbarten Entgelts im Verhältnis zur Arbeitsleistung und die Tatsache, dass Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden sowie u.U. auch die Notwendigkeit, anderenfalls eine Ersatzkraft einzustellen für das Vorliegen einer Arbeitnehmereigenschaft. Zu solchen Umständen finden sich vorliegend jedoch gerade, keine eingehenden Feststellungen; vielmehr ist sogar offen geblieben, ob Entgelt gezahlt worden ist. Das Tatgericht hat, obwohl es ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass der Betroffene und der Zeuge S. sich im Termin noch ausdrücklich auf die Unentgeltlichkeit der Leistungserbringung bezogen haben, sich mit dieser Frage mit keinem Wort auseinandergesetzt. Ferner sind besondere Vereinbarungen auch nicht festgestellt worden, aus denen sich ergeben hätte, dass die Arbeitsleistung zu bestimmten Zeiten vereinbart war, so dass daraus auf die Existenz einer Arbeitsverpflichtung geschlossen werden könnte. Auch kann den Feststellungen nicht etwa entnommen werden, dass die Anwesenheit des Zeugen S. etwa deshalb unerlässlich gewesen wäre, weil der Betroffene seinerzeit zu bestimmten Zeiten noch anderweitig abhängig beschäftigt gewesen ist und insoweit es der Einstellung einer Ersatzkraft in dem Falle bedurft hätte, falls dass der Zeuge während den fest vereinbarten Stunden nicht tätig geworden wäre. Auch soweit das Amtsgericht offensichtlich davon ausgeht, dass entsprechend der Ansicht der Arbeitsverwaltung - gestützt auf die Durchführungsanweisung zu § 16 AFG - auch sogenannte Gefälligkeitsverhältnisse grundsätzlich arbeitserlaubnispflichtig sind, trägt dies die Verurteilung nicht. Denn eine solche Auslegung löst sich vom eindeutigen Wortlaut der Vorschrift und verstößt somit gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Diese Norm schließt jede Rechtsanwendung aus, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht. Auslegungen, die den möglichen Wortsinn überschreiten, sind demnach mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar. Da diese Verfassungsbestimmung Erkennbarkeit und Voraussehbarkeit der Strafandrohung für den Normadressaten verlangt, muss der Wortsinn aus dessen Sicht bestimmt werden (vgl. BVerfGE 82, 836 ff. m.w.N.). Wenn wie hier der Begriff des Arbeitnehmers bzw. Arbeitgebers verwandt wird, kann vom Bürger nicht erwartet werden, dass er diese Bestimmung auch auf Gefälligkeitsverhältnisse überträgt. Ein Verstoß gegen § 229 AFG i.V.m. § 19 Abs. 1 S. 6 AFG a.F. setzt daher regelmäßig die Feststellung voraus, dass ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt (vgl. so auch: Beschluss des Kammergerichts Berlin, 5. Senat für Bußgeldsachen vom 12.04.1997 - 5 Ws (B) 370/97 -; OLG Hamm, Beschluss vom 29.09.1998 - 1 Ss OWi 968/98 -). Ob in Einzelfällen dem Gebot des § 103 Abs. II GG auch in Fällen unentgeltlicher Arbeitsleistung Rechnung getragen wird, weil wegen besonderer Umstände ein Arbeitsverhältnis gleichwohl anzunehmen ist, kann dahinstehen. Denn aus den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen lässt sich eine vertragliche Arbeitsverpflichtung des Zeugen S. nicht folgern.
Dass die von Arbeitsverwaltung und Amtsgericht offensichtlich vertretene Rechtsauffassung der Norm dahin, dass die Frage der vertraglichen Bindung und Entgeltlichkeit ohne Bedeutung sein soll, nicht zutreffend sein kann, zeigt auch die Vorschrift des § 227 a AFG a.F.. Nach dieser Norm konnte derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden, wer als Arbeitgeber einen nichtdeutschen Arbeitnehmer, der eine nach § 19 Abs. 1 S. 1 AFG erforderliche Erlaubnis nicht besitzt, zu Arbeitsbedingungen beschäftigt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen deutscher Arbeitnehmer stehen, die gleiche oder vergleichbare Tätigkeiten ausüben. Da eine unentgeltliche Beschäftigung in einem Gefälligkeitsverhältnis in einem besonders hohen Maße von den "normalen Arbeitsbedingungen" abweicht, müsste somit ein Arbeitgeber im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses immer wegen einer Straftat und nicht nur wegen einer Ordnungswidrigkeit verfolgt werden. Diese Konsequenz gesetzgeberisch jedoch offensichtlich nicht gewollt und ist auch - insoweit inkonsequent - von Arbeitsverwaltung und Amtsgericht nicht gezogen worden.
Vorliegend kann insbesondere auch dahinstehen, ob angesichts der heute geltenden Bestimmungen der §§ 404 Abs. 2 Ziffer 2, 284 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Ziffer 2 SGB III die vorgenannte enge Auslegung der Norm ebenfalls angezeigt ist. Da vorliegend zum Zeitpunkt der im Jahre 1996 bzw. Anfang 1997 liegenden Tat die Neuregelung noch nicht in Kraft getreten war, war gemäß § 4 Abs. 3 OWiG die alte gesetzliche Regelung als die dem Betroffenen jedenfalls günstigere Regelung anzuwenden.
Die angefochtene Entscheidung war daher, soweit die Verurteilung wegen der Beschäftigung von Herrn S. betraf, einschließlich der zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben. Der Senat hat davon abgesehen, in der Sache selbst zu entscheiden, weil insbesondere nicht auszuschließen ist, dass das Amtsgericht nach weiteren Ermittlungen die Einlassungen des Betroffenen und des Zeugen, er habe ein Entgelt nicht gezahlt bzw. erhalten, für widerlegt halten kann. Gründe dafür, die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Ahlen zurückzuverweisen, bestehen nicht. Der Tatrichter wird auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde insgesamt zu befinden haben, da deren Erfolg i.S.d. § 473 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG hinsichtlich des aufgehobenen Teils noch nicht feststeht und hinsichtlich des bestätigten Teils eine gesonderte Kostenquote wegen der einheitlichen Rechtsverfolgung seitens des Betroffenen nicht gebildet werden kann.


zur Startseite "Rechtsprechung"

zum Suchformular

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".