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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 BL 159/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: BL6

Stichworte: Zeitraum zwischen Eröffnung und Beginn der Hauptverhandlung mehr als 3 Monate, Sachverständigengutachten im Zwischenverfahren

Normen: StPO 121 Abs. 1

Beschluss: Strafsache gegen W.O.,
wegen sexueller Nötigung u.a.,
hier: Haftprüfung durch Oberlandesgericht.

Auf die Vorlage der ( Doppel-)Akten (Haftsonderhefte II) zur Entscheidung nach §§ 121, 122 StPO hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21.09.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Verteidigers und des Angeklagten beschlossen:

Die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus wird angeordnet.
Die Haftprüfung für die nächsten Monate wird dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.

Gründe: Der Angeklagte ist in der vorliegenden Sache am 08.03.1999 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Münster vom 01.02.1999 - 23 Gs 319 /99 - polizeilich festgenommen und nach Verkündung des Haftbefehls am 09.03.1999 zur Untersuchungshaft gebracht worden, die seitdem ununterbrochen vollzogen wird. Die Untersuchungshaft dauert damit seit nunmehr über sechs Monaten an.
Mit dem genannten Haftbefehl wird dem Angeklagten zur Last gelegt, Anfang 9. 1998 die am 30.11.1980 geborene litauische Staatsangehörige K.G. in seiner Wohnung in Ibbenbüren, P. Damm länger als eine Woche eingesperrt zu haben. Dort habe er von ihr die Ausübung der Prostitution ohne Verdienst in Kenntnis ihres Alters und ihrer Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, verlangt. Zur Ausübung der Prostitution entsprechend der Forderung des Angeklagten ist es jedoch nicht gekommen. Nach einem Fluchtversuch der Zeugin am vierten Tage des Aufenthalts in der Wohnung habe der Angeklagte diese zunächst verprügelt und am Abend dieses Tages sowie an den fünf darauffolgenden Tagen jeweils mit Gewalt genötigt, sexuelle Handlungen, insbesondere die Durchführung des Beischlafs sowie von Oral- und Analverkehr an sich zu dulden. Als Haftgrund hat das Amtsgericht Fluchtgefahr bejaht. Mit ergänzender Begründung hat es den Haftbefehl in der Haftprüfungsentscheidung vom 28. 4 1999 - 23 Gs 1138/99 - aufrechterhalten (Bl. 248 ff. Bd. II DA). Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht Münster mit Beschluss vom 12.05.1999 - 9 Qs 13/99 - verworfen (Bl. 289 Bd. Il DA).
Diese Vorwürfe, die den alleinigen Gegenstand der Haftprüfung bilden, sind unter anderem auch Gegenstand der Anklage der Staatsanwaltschaft Münster vom 21.05.1999 (Bl. 299 Bd II DA), die das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen zutreffend zusammenfaßt. Sie ist durch Beschluss des Landgerichts Münster vom 02.07.1999 (BI 319 Bd. Il DA ) zugelassen worden. Die Hauptverhandlung ist auf den 19.10.1999 mit fünf Fortsetzungsterminen anberaumt worden.
Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft entsprechend war die weitere Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft des Angeklagten über sechs Monate hinaus anzuordnen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen des dringenden Tatverdachts auf den Inhalt der Anklageschrift Bezug genommen. Die Taten gegebenenfalls rechtlich abweichend von der Anklageschrift im Sinne des rechtlichen Hinweises der Kammer in deren Eröffnungsbeschluss zu beurteilen bleibt dem erkennenden Gericht vorbehalten, weil es darauf für die Haftentscheidung nicht ankommt. Dringender Tatverdacht ergibt sich insbesondere aufgrund der Bekundungen der Zeugin G. sowie denen der Zeuginnen B. und Gl., die die Hauptbelastungszeugin G. unmittelbar nach den dem Angeklagten zu Last gelegten Vorfällen gesehen, aufgenommen und gepflegt haben. Der dringende Tatverdacht wird auch durch die Bekundungen der vom Angeklagten benannten Entlastungszeugen nicht ausgeräumt. Hinsichtlich der Bewertung der Bekundung des Zeugen Fuar ist derjenigen des Amtsgerichts Münster in seiner Entscheidung vom 28. 4 1999 (Bl. 248 f. Bd. II DA) nichts hinzuzufügen. Auch die Bekundungen der Gebrüder A. und M. S. sowie des Zeugen H. stehen nicht in Widerspruch zu den Angaben der Hauptbelastungszeugin G.. Diese hat nämlich eingeräumt, dass während ihres Aufenthalts in der Wohnung P. Damm das Verhältnis zu dem Angeklagten anfangs freundschaftlich gewesen sei und sie mit ihm auch freiwillig geschlafen habe.
Bei dem Angeklagten ist auch weiterhin der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) zu bejahen, denn es besteht die konkrete Gefahr, dass er sich dem Verfahren durch Flucht entzieht, würde er freigelassen. Er hat wegen der ihm zur Last gelegten Taten mit einer hohen Freiheitsstrafe zu rechnen, was allein schon für ihn einen Fluchtanreiz begründet. Darüber hinaus droht ihm auch der Widerruf der Reststrafenaussetzung zur Bewährung aus der Verurteilung des Amtsgerichts Osnabrück vom 23.02.1996, in dem gegen ihn eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren 6 Monaten verhängt wurde. Dem Fluchtanreiz stehen keine tragfähigen sozialen Bindungen gegenüber. Soziale Bindungen des geschiedenen staatenlosen Angeklagte sind mit Ausnahme von Verbindungen zu seiner geschiedenen Frau nicht ersichtlich. Berücksichtigt man zudem, dass seine sechs Geschwister sämtlich noch im Libanon leben und sich dort die politische und wirtschaftliche Situation seit seiner Flucht vor mehr als zehn Jahren grundlegend verbessert hat, so steht zu erwarten, dass der berufslose, langjährig arbeitslose Angeklagte sich der Durchführung des Strafverfahren im Falle seiner Freilassung nicht stellen wird.
Auf diesem Hintergrund sind weniger einschneidende Maßnahmen als die Anordnung und auch der Vollzug der Untersuchungshaft (§ 116 StPO ) nicht ausreichend, um die Fluchtgefahr wirksam einzudämmen.
Der absehbare weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Verurteilungsfalle zu erwartenden Bestrafung.
Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus sind gleichfalls gegeben. Das Ermittlungsverfahren ist angesichts der am 21.05.1999 erfolgten Anklageerhebung mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung betrieben worden. Das Landgericht Münster hat unmittelbar nach Akteneingang mit Verfügung vom 27.05.1999 das Zwischenverfahren eingeleitet. Nach Auswertung der seitens der Verteidigung angeregten Nachermittlungen ist bereits am 02.07.1999 das Hauptverfahren eröffnet worden. Gegen diese Bearbeitungszeit ist nichts zu erinnern. Dies gilt letztlich auch noch für das weitere bisherige Verfahren. Zwar ist der Zeitraum zwischen Eröffnung (2.7.1999 ) und dem Hauptverhandlungtermin (ab dem 19.10.1999 ) unter dem Gesichtspunkt der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung nicht unbedenklich. Er findet hier jedoch seine Erklärung und Rechtfertigung darin, dass die Kammer in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Anordnung einer schriftlichen Begutachtung des Angeklagten durch den Sachverständigen Dr. B. zur Abklärung seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit für erforderlich gehalten hat. Denn nicht nur die Hauptbelastungszeugin spricht von einem aktuellen Alkohol- und Drogenmißbrauch während des Tatzeitraumes, sondern auch der Zeuge Fuar erwähnt eine frühere Drogenproblematik. Dieses Gutachten, dessen Fertigstellung nicht vor September zu erwarten war, ist am 03.09.1999 bei der Kammer eingegangen. Daß die Kammer vor einer Terminierung im 9. wegen der seinerzeit feststehenden Verhinderung des Verteidigers vom 13. 9. bis 4. 10. sowie des Sachverständigen in den ersten Oktoberwochen Abstand genommen hat, ist hier hinzunehmen.
Wenn unter diesen Umständen das Verfahren noch nicht abgeschlossen werden konnte, so beruht das auf wichtigen Gründen i. S. v. § 121 Abs. 1 StPO, die ein Urteil bisher nicht zugelassen haben, es andererseits aber noch rechtfertigen, die auch vom Landgericht Münster für erforderlich erachtete Untersuchungshaft des Angeklagten über sechs Monate hinaus aufrechtzuerhalten.
Die Nebenentscheidung folgt aus § 122 Abs. 3 Satz 3 StPO.


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