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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ws 502/86 OLG Hamm

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Strafzeitberechnung, keine formgerechte Zustellung, keine Verlängerung durch Unterbrechung nach § 454 b StPO, Errechnung des Zwei-Drittel-Zeitpunktes, StVollstrO

Normen: StVollstrO 37

Beschluss: Strafsache gegen D.B.,
wegen Betruges u.a.
(hier: Strafzeitberechnung).

Auf die sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft Bochum vom 11.03.1986 und der Staatsanwaltschaft Münster vom 29.08.1986 gegen den Beschluß der 17. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 19.02.1986 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09.02.1967 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Münster wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Verurteilten trägt die Staatskasse.

Gründe: Der Verurteilte verbüßte vom 24.09.1984 bis zum 21.03.1986 die gegen. ihn durch Urteil des Amtsgerichts Münster vom 21.12.1981 verhängte Freiheitsstrafe von vier Monaten und die Gesamt Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, die gegen ihn durch Gesamtstrafenbeschluß des Amtsgerichts Recklinghausen vom 26.11.1984 verhängt worden war.
Die Vollstreckung der viermonatigen Freiheitsstrafe begann am 24.09.1984. Sie wurde nach Ablauf von 81 Tagen gemäß § 43 Abs. 3 StVollstrO am 13.12.1984 unterbrochen. Anschließend verbüßte der Verurteilte die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten abzüglich zwei Tage Untersuchungshaft, die er in dieser Sache erlitten hatte. Zwei Drittel dieser Strafe waren nach Berechnung der Justizvollzugsanstalt am 21.09.1985 vollstreckt.
Durch Beschluß vom 27.08.1985 lehnte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld die bedingte Entlassung des Verurteilten gemäß § 57 Abs. 1 StGB in beiden Verfahren ab. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten blieb ohne Erfolg.
Nachdem der Verurteilte die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten abzüglich zwei Tage Untersuchungshaft am 11.02.1986 verbüßt hatte, wurde der Rest der viermonatigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Münster vom 21.12.1981 vollstreckt.
Die Staatsanwaltschaft berechnete den Strafrest der viermonatigen Freiheitsstrafe unter Zugrundelegung einer Gesamtdauer von 122 Tagen mit 41 Tagen und bestimmte das Strafende auf den 24.03.1986. Gegen diese Strafzeitberechnung erhob der Verurteilte Einwendungen und vertrat die Auffassung, daß die viermonatige Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Münster vom 21.12.1981 bereits am 21.03.1986 verbüßt sei.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurden die Akten der Strafvollstreckungskammer zur Entscheidung über die Strafzeitberechnung vorgelegt.
Durch den angefochtenen Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer das Strafende auf den 21.03.1986 festgesetzt. An diesem Tag ist der Verurteilte aus der Strafhaft entlassen worden.
Die Staatsanwaltschaft Bochum hat gegen den ihr förmlich zugestellten Beschluß der Strafvollstreckungskammer fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt; das Rechtsmittel ist jedoch von der Generalstaatsanwaltschaft zurückgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft Münster hat gegen den ihr nur zur Kenntnisnahme übersandten Beschluß der Strafvollstreckungskammer ebenfalls sofortige Beschwerde eingelegt.
Das gemäß §§ 458 Abs. 1, 462 Abs. 1 u. 3 StPO statthafte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Münster ist mangels formgerechter Zustellung als fristgerecht zu behandeln; es ist jedoch sachlich nicht begründet.
Nach § 37 Abs. 1 StVollstrO ist der Zeitpunkt der Entlassung aus der Strafhaft für jede Strafe getrennt zu berechnen, wenn mehrere Strafen hintereinander zu verbüßen sind (§ 43 Abs. 1 Satz 1 StVollstrO). Wie die Strafzeit im einzelnen zu berechnen ist, ergibt sich aus § 37 Abs. 4 StVollstrO. Nach dieser Vorschrift ist der Tag zu 24 Stunden und die Woche zu 7 Tagen zu berechnen, der Monat und das Jahr nach der Kalenderzeit. Soll also eine nach vollen Jahren oder vollen Monaten bemessene Strafe berechnet werden, so ist, wie § 37 Abs. 4 Satz 2 StVollstrO erläutert, bis zu dem Tage zu rechnen, der durch seine Zahl dem Anfangstag entspricht. Fehlt dieser Tag in den maßgeblichen Monat, tritt an seine Stelle dessen letzter Tag. Daraus ergibt sich, daß Freiheitsstrafen von Jahren und Monaten, ebensowenig wie sie in Tagen verhängt werden dürfen, bei der Vollstreckung auch nicht in Tage umgerechnet werden müssen (OLG Köln Rpfleger 1959, 156).
§ 37 Abs. 4 StVollstrO nimmt demgemäß in Kauf, daß die erkannte Strafe je nach dem Beginn des Vollzugs wegen der unterschiedlichen Länge der Monate zu einer unterschiedlich langen Strafdauer führen kann.
Diese Berechnungsart befindet sich im Einklang mit der Bestimmung des § 39 StGB, nach der Freiheitsstrafen unter einem Jahr nach vollen Wochen und Monaten und Freiheitsstrafen von längerer Dauer nach vollen Monaten und Jahren zu berechnen sind. Auch das Strafgesetzbuch geht also davon aus, daß die erkannte Freiheitsstrafe trotz Bemessung nach einem einheitlichen Maßstab - je nach dem in Betracht kommenden Vollstreckungszeitraum - eine unterschiedlich lange Vollstreckung zur Folge haben kann (BGHSt 7, 322).
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, ergibt die Berechnung der Strafzeiten bei einer vollständigen Verbüßung der beiden Strafen hintereinander, daß die zunächst nach § 43 Abs. 2 Satz 1 StVollstrO zu vollstreckende Freiheitsstrafe von vier Monaten am 23.01.1985 (TB) und die Gesamtstrafe von einem Jahr und zwei Monaten abzüglich der beiden Tage Untersuchungshaft am 21.03.1986 (TB) verbüßt waren.
Tatsächlich ist die Strafvollstreckung anders vorgenommen worden, da die Vollstreckung der viermonatigen Freiheitsstrafe gemäß § 43 Abs. 3 StVollstrO (vgl. auch § 454 b Abs. 2 StPO in der Fassung des 23. StrÄndG vom 13.04.1986) zu dem Zeitpunkt, in dem zwei Drittel der Strafe verbüßt waren, unterbrochen und das letzte Drittel erst nach vollständiger Verbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten vollstreckt worden ist.
An dem für den 21.03.1986 berechneten Strafende kann sich jedoch nach Ansicht des Senats durch die Unterbrechung der Strafvollstreckung jedenfalls für den Fall, daß die bedingte Entlassung des Verurteilten nach § 57 Abs. 1 StGB von der Strafvollstreckungskammer abgelehnt wird und der Verurteilte die gegen ihn erkannten Strafen ohne Unterbrechung des Strafvollzugs hintereinander verbüßt, nichts ändern. In diesem Fall erscheint es nicht gerechtfertigt, einen anderen Zeitpunkt für das Strafende festzusetzen als den, der nach § 37 Abs. 4 StVollstrO bei vollständiger Verbüßung der beiden Strafen hintereinander zu bestimmen wäre.
Dem Verurteilten kann entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft nicht entgegengehalten werden, er müsse die Nachteile einer mit seinem Einverständnis erfolgten Unterbrechung nach § 43 Abs. 3 StVollstrO in Kauf nehmen, wenn ihm zu einem frühen Zeitpunkt die Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung aus der Strafhaft offengehalten werde. Dieser Gesichtspunkt vermag nicht zu überzeugen.
Nach heute einhelliger Rechtsprechung ist bei mehreren nacheinander zu vollstreckenden zeitigen Freiheitsstrafen eine Zusammenrechnung zur Bestimmung des Zwei-Drittel-Zeitpunkts unzulässig. Die Voraussetzungen des § 57 StGB sind vielmehr jeweils gesondert zu prüfen. § 43 Abs. 3 StVollstrO wurde deshalb erlassen, damit während der Vollstreckung der letzten Strafe eine einheitliche und gleichzeitige Gesamtprognose getroffen werden kann (OLG München MDR 1981, 694 m.w.N.). Widerspricht der Verurteilte der Unterbrechung nicht (§ 43 Abs. 3 Satz 2 StVollstrO), beinhaltet dies zwar sein Einverständnis mit dieser Maßnahme, aber nicht, daß er im Falle der Ablehnung der bedingten Entlassung eine längere Verbüßung hinzunehmen hat als bei vollständiger Vollstreckung ohne Unterbrechung. Ein einleuchtender Grund hierfür ist auch nicht erkennbar.
Der Grund für die unterschiedliche Errechnung des Strafendes liegt darin, daß die Vollstreckungsbehörde den Rest der viermonatigen Freiheitsstrafe in Tagen unter Zugrundelegung einer Gesamtdauer von 122 Tagen berechnet hat, während die Berechnung der Strafzeit nach § 37 Abs. 1 StVollstrO abstrakt nach vollen Monaten vorgenommen wird. Die Staatsanwaltschaft Münster hat sich in Übereinstimmung mit der in der Praxis vorgenommenen Handhabung für die Berechnung des Strafrestes auf § 40 Abs. 1 StVollstrO berufen, wonach der Strafrest bei Unterbrechung des Strafvollzugs nach Tagen zu berechnen ist (so auch Jabel in MDR 1980, 718, 720). Diese Bestimmung findet aber, wie der Wortlaut und auch die Entstehungsgeschichte des § 43 Abs. 3 StVollstrO zeigen, nicht auf die bloße Unterbrechung der Strafvollstreckung nach § 43 Abs. 3 StVollstrO, sondern nur auf den Fall Anwendung, daß der Strafvollzug wie z.B. beim Entweichen des Verurteilten unterbrochen ist (vgl. § 40 Abs. 2 StVollstrO).
Ein anderes Ergebnis läßt sich auch nicht aus § 37 Abs. 2 Satz.2 StVollstrO herleiten. Diese Bestimmung gibt lediglich die Möglichkeit, die Strafe bei längerer Vollzugsdauer als einer Woche nur nach Tagen zu berechnen. Umstände, die im Laufe eines Tages eintreten, gelten als zu Beginn des Tages eingetreten. Ist der Lauf der Strafzeit jedoch aus irgendeinem Grund unterbrochen worden, so ist für die Anwendung von Absatz 2 Satz 1 und 2, wie § 37 Abs. 2 Satz 5 StVollstrO erläutert, nicht der Strafrest, sondern die Zeit maßgebend, die der Verurteilte insgesamt im Strafvollzug zuzubringen hat. Diese Bestimmung ergänzt § 40 Abs. 1 StVollstrO, wonach ein Strafrest nach vollen Tagen berechnet wird, und verdeutlicht, daß es sich nach der gesamten Vollzugsdauer richtet, ob die Fiktion des § 37 Abs. 2 Satz 2 StVollstrO zum Zuge kommt, d.h. ob eine Berechnung nach Tagen bei einer Vollzugsdauer von mehr als einer Woche mit der dort vorgesehenen Fiktion zulässig ist (Pohlmann/Jabel , StVollstrO , 6. Aufl., § 37 Rdn .8 und 16; Wetterich/Hamann, StVollstrO, 3. Aufl., Rdn. 171 ff). Eine andere Auffassung läßt sich aus § 37 Abs. 2 Satz 2 und 5 StVollstrO entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft nicht herleiten. Ohnehin ist die Strafvollstreckungsordnung nur die Vollstreckungsbehörden bindende Justizverwaltungsvorschrift (Wendisch in Löwe-Rosenberg, StPO, 24. Aufl., vor § 449 Rdn. 19); sie hat jedoch keine Gesetzeskraft und bindet nicht die Gerichte, soweit sie über die Zulässigkeit der Strafvollstreckung zu entscheiden haben (Wendisch, a.a.O., BVerfG 29, 312, 315; OLG Bremen NJW1954, 84; Dünnebier in GA 1969, 218).
Wie der Strafrest im vorliegenden Fall zu berechnen ist, ist in der Strafvollstreckungsordnung ebensowenig geregelt wie die Strafzeit im Falle der Aussetzung nach § 57 Abs. 1 nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe (Pohlmann/Jabel, a.a.O., § 37 Rdn. 21; Wetterich/Hamann, a.a.O., Rdn. 173 S. 71; OLG Köln RPfleger 1959, 156).
Literatur und einschränkend auch die Rechtsprechung (vgl. OLG Köln, a.a.O.) halten zu Recht für die Berechnung des Zwei-Drittel-Zeitpunktes sowohl die konkrete Berechnungsweise nach Tagen als auch die abstrakte Berechnungsweise, bei der ein Monat mit 30 Tagen in Ansatz zu bringen ist, aber auch die Vorwärts- und die Rückwärtsrechnung für anwendbar (vgl. im einzelnen Pohlmann/Jabel, a.a.O.; Wetterich/ Hamann a.a.O.). Ergeben sich bei den verschiedenen Berechnungsweisen Unterschiede, so wird von der dem Verurteilten günstigeren Berechnungsweise auszugehen sein (Pohlmann/Jabel, a.a.O., § 37 Rdn. 24; Wetterich/Hamann, a.a.O., Rdn. 178; Pohlmann in RPfleger 1959, 146 und 1961, 273). Jede dieser - nach Kenntnis des Senats - im Einzelfall in der Praxis angewendeten Methoden ergibt als Zwei-Drittel-Zeitpunkt für die viermonatige Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Münster vom 21.12.1981 den 23.12.1984 (TB). Hätte die Vollstreckungsbehörde anstelle der konkreten Berechnungsweise also nach Tagen - vorliegend die durchaus zulässige abstrakte Berechnungsweise gewählt, hätte sie den Strafrest ebenso wie im Falle des Widerrufs der Aussetzung eines Strafrestes nach derselben Berechnungsweise ermitteln müssen, die auch bei der Errechnung des Zeitpunkts bis zur Unterbrechung der Strafvollstreckung nach § 43 Abs. 3 StVollstrO angewandt worden ist, da sich sonst ebenso wie beim Widerruf - die verschiedenen Strafteile nicht zur vollen Strafe ergänzen (Pohlmann/Jabel, a.a.O., § 40 Rdn. 4). Durfte die Strafvollstreckungsbehörde aber bei der Berechnung des Zwei-Drittel-Zeitpunktes zugunsten des Verurteilten die abstrakte Berechnungsmethode zugrundelegen, erscheint es gerechtfertigt, zugunsten des Verurteilten auch den Strafrest nach der abstrakten Berechnungsweise zu ermitteln. In diesem Fall wäre die Strafe - wegen des nur 28 Tage zählenden 2. am 21.03.1986 verbüßt gemessen.
Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ergibt sich folglich ein Grund, das Ende der Strafzeit aus dem Urteil des Amtsgerichts Münster vom 21.12.1981 auf den 24.03.1986 zu bestimmen. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Münster konnte aus diesem Grund keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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