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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ws 284/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Haftbeschwerde, Haftverschonung durch Senat, Außervollzugsetzung, versuchter Mord, relativ geringer Strafrest von 9 Monaten, Anfechtbarkeit der letzten Haftentscheidung

Normen: StPO 112 Abs. 3, StPO 116

Beschluss: Strafsache gegen S.T.,
wegen Beihilfe zum versuchten Mord u.a.,
(hier: Haftbeschwerde des Angeklagten).

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 09.06.1999 gegen den Beschluß der Jugendkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt vom 02.02.1999 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14. 9. durch die Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Unter Verwerfung der Beschwerde im übrigen wird der angefochtene Beschluss wie folgt abgeändert:
Der Vollzug des Haftbefehls des Amtsgerichts Bocholt vom 06.06.1997 (3 Gs 237/97) in der Fassung des Beschlusses der Jugendkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt vom 02.02.1999 wird ausgesetzt.
Dem Angeklagten wird aufgegeben,
1. nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft umgehend Herrn Breumann im Sozialamt der Stadt Bocholt zwecks Zuweisung einer Unterkunft aufzusuchen und der Jugendkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt die Wohnungsanschrift unverzüglich bekannt zu geben,
2. sich wöchentlich zweimal - und zwar dienstags und freitags - persönlich bei der für seinen Wohnsitz zuständigen Polizeidienststelle zu melden,
3. ohne (vorherige) Zustimmung des zuständigen Haftgerichts (derzeit die Jugendkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt) keine Wohnsitzänderung vorzunehmen und das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht zu verlassen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe: Die Beschwerde des Angeklagten "gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Bocholt" ist dahin auszulegen, dass er sich gegen die zuletzt ergangene Haftentscheidung, hier also gegen den die Untersuchungshaft aufrechterhaltenden Beschluss der Jugendkammer vom 02.02.1999, wendet. Anfechtbar ist nämlich immer nur die zuletzt ergangene, den Bestand des Haftbefehls betreffende Haftentscheidung (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage, § 117 Rdn. 8 m.w.N.).
Das Rechtsmittel führt zur Außervollzugsetzung des Haftbefehls.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen des dringenden Tatverdachts auf die Gründe des Urteils der Jugendkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt vom 02.02.1999 Bezug genommen. Es besteht der Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO, weil der Angeklagte des Verbrechens der Beihilfe zum versuchten Mord nach §§ 211, 22, 27 StGB dringend verdächtig ist.
Dieser Haftgrund gilt auch für die Teilnahme an den genannten Straftaten der Schwerkriminalität.
Der Senat ist aber der Auffassung, dass nunmehr mildere Maßnahmen nach § 116 StPO ausreichen, um die weitere ordnungsmäßige Durchführung des Strafverfahrens zu gewährleisten.
Zwar ist eine Vollzugsaussetzung im Fall des § 112 Abs. 3 StPO in § 116 StPO nicht ausdrücklich vorgesehen. Es entspricht aber gesicherter verfassungsgemäßer Auslegung, dass eine Haftverschonung unter bestimmten Auflagen geboten ist, wenn dadurch erreicht werden kann, dass sich der Angeklagte nicht dem Verfahren entzieht (vgl. BVerfG, NJW 1996, 243, § 116 Rdn. 18; Senatsentscheidung vom 29.10.1991 in 4 Ws 395 und 396/91).
Der Angeklagte befindet sich seit gut 27 Monaten in Untersuchungshaft. Zwar ist der Abschluss und Ausgang des Revisionsverfahrens offen. Die Relation zwischen bereits erlittener Untersuchungshaft und noch möglicher Strafvollstreckung von etwa 9 Monaten gibt dem Senat aber Veranlassung zu der Annahme, dass der Angeklagte bei Einhaltung der ihm erteilten Auflagen nicht untertauchen wird, zumal er sich um ein weiteres Bleiberecht in der Bundesrepublik Deutschland bemüht. Es dürfte ihm darüber hinaus bekannt sein, dass eine Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls kaum vermeiden lassen wird, sollte er auch nur die geringsten Anstalten zur Flucht erkennen lassen. Nach alledem lässt eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls verantworten.
Der angefochtene Beschluss war insoweit abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.


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