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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ws 507/99 OLG Hamm

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Ablehnung der bedingten Entlassung, Halbstrafe, sexuelle Nötigung, Entführung gegen den Willen der Entführten, Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit, Leugnen der Tat im Vollzug, Prognosegutachten, Einwirken auf Zeugen

Normen: StGB 57 Abs. 2 Nr. 2; StGB 57 Abs. 1 Nr. 2; StPO 454 Abs. 2 Nr. 2

Beschluss: Strafsache gegen M.B.,
wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung und Entführung gegen den Willen der Entführten,
(hier: Ablehnung der Halbstrafenentlassung).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 05.07.1999 gegen den Beschluss der 16. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 28.06.1999 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10.08.1999 durch den Richter am Oberlandesgericht , die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe: I. Mit seiner am 06.07.1999 beim Landgericht Bielefeld eingegangenen sofortigen Beschwerde wendet sich der Verurteilte gegen den ihm am 05.07.1999 zugestellten Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 28.06.1999, durch den die bedingte Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 23.08.1996 nach Anhörung der Staatsanwaltschaft Magdeburg, des Leiters der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne und nach mündlicher Anhörung gemäß § 57 Abs. 2 StGB abgelehnt worden ist.
Das Landgericht Magdeburg hatte den Beschwerdeführer mit seit dem 08.10.1997 rechtskräftigem Urteil vom 23.08.1996 wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung und Entführung gegen den Willen der Entführten sowie wegen sexueller Nötigung unter Einbeziehung einer weiteren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Der Angeklagte hatte am 24.10.1992 die damals 13-jährige Schülerin C.W. in seinen PKW gelockt und noch während der Fahrt zum Mundverkehr bis zum Samenerguß gezwungen. Anschließend fuhr er mit dem Mädchen in seinem PKW etwa anderthalb Stunden umher, um dann mit ihm in einem Waldstück den Geschlechtsverkehr auszuüben. Das Mädchen ließ den Geschlechtsverkehr widerstandslos über sich ergehen, weil es dem Verurteilten ausgeliefert war, erneute Gewaltanwendung durch ihn fürchtete und seine Lage - zutreffend - als aussichtslos begriff. Nach der Wertung des damaligen Tatrichters soll der Verurteilte diese innere Verfassung des Opfers nicht erkannt haben, so dass der Tatrichter ihn vom Vorwurf der Vergewaltigung auch in diesem Fall freigesprochen hatte.
Am Abend des 14.11.1992 hatte der Verurteilte die damals 14jährige Schülerin A.V. ebenfalls in seinen PKW gelockt, ihr für das Opfer völlig unerwartet während der Fahrt mit einer Einwegspritze in den linken Oberschenkel gestochen und ihr dabei eine nicht mehr feststellbare Substanz infiziert, um auf diese Weise das Opfer in Angst und Schrecken zu versetzen und seine Widerstandskraft zu brechen. Er verbrachte das Mädchen sodann in ein einsames Waldstück, schlug ihr dort nach dem Anhalten des Fahrzeuges mit der Hand in das Gesicht, so dass das Mädchen eine Unterblutung an der Innenseite der Unterlippe davontrug und erzwang sodann zunächst den Mund- und daraufhin den Geschlechtsverkehr. Anschließend zeigte er der Geschädigten ein Messer, die daraufhin um ihr Leben fürchtete und deshalb dem Wunsch des Verurteilten, mit ihr seine Wohnung aufzusuchen, nachkam. Aus Angst um ihr Leben ließ die Geschädigte dort zu, dass der Verurteilte mit ihr weitere zwei Male den Geschlechtsverkehr ausübte. Auch insoweit war der Tatrichter der Ansicht, dass der Verurteilte diese innere Verfassung der Geschädigten nicht erkannt und von einverständlicher Ausübung des Geschlechtsverkehrs ausgegangen sei.
Hinsichtlich der Tat zum Nachteil C.W. erfolgte eine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs der seinerzeit erst 13 Jahre alten Geschädigten gemäß § 176 Abs. 1 StGB ausweislich der Urteilsgründe deshalb nicht, "weil C. zur Tatzeit zwar erst 13 Jahre alt war, der Angeklagte dies aber nicht wusste und sich deshalb insoweit in einem tatbestandsausschließendem Irrtum befand".
Nach der Rechtskraft des Urteils betrieb der Beschwerdeführer ein Wiederaufnahmeverfahren hinsichtlich seiner Verurteilung zum Nachteil C.W. mit der Behauptung, die Geschädigte habe ihre Aussage mit Schreiben vom 29.10.1997 ihm gegenüber widerrufen. Der Wiederaufnahmeantrag wurde nach Beweisaufnahme durch das Landgericht Stendal mit Beschluss vom 23.07.1998 als unbegründet verworfen. Bei der Beweisaufnahme über den Wiederaufnahmeantrag hatte sich ergeben, dass ein D. S. an die Geschädigte herangetreten und ihr für die Abgabe einer den Widerruf ihrer früheren Aussage beinhaltenden Erklärung 5.000,DM geboten und ihr sodann den Inhalt des an den Beschwerdeführer geschriebenen Briefes im wesentlichen vorgegeben hatte. Dies hatten übereinstimmend die Geschädigte und auch der im Wiederaufnahmeverfahren als Zeuge gehörte D.S. bekundet.
II. Die gemäß § 454 Abs. 2, § 57 StGB statthafte und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
Die Strafvollstreckungskammer hat die bedingte Aussetzung des Strafrestes zunächst deshalb zu Recht abgelehnt, weil die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung des Beschwerdeführers bereits nach Verbüßung der Hälfte der Strafe gemäß § 57 Abs. 2 Ziffer 2 StGB nicht erfüllt sind.
Bei der danach gebotenen Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit des Verurteilten und seiner Entwicklung während des Strafvollzuges haben sich besondere Umstände im Sinne dieser Bestimmung nicht ergeben. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses, die durch das Beschwerdevorbringen nicht erschüttert werden, Bezug genommen werden.
Der Senat weist zudem vorsorglich darauf hin, dass auch die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Ziffer 2 StGB hier äußerst fraglich erscheinen. Danach muss die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden können, wobei bei dieser Entscheidung die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten des Verurteilten im Vollzug, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen sind, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind, § 57 Abs. 1 S. 2 StGB.
Für den Verurteilten sprechen insoweit bei dem bisherigen Sachstand allein zwei Gesichtspunkte: zum einen, dass er sich ausweislich der Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne im Vollzug bislang beanstandungsfrei geführt hat, zum anderen der Umstand, dass zwischen der Tatbegehung und der Verurteilung ein Zeitraum von knapp vier Jahren lag. Andererseits hat sich der Verurteilte in diesem Zeitraum nicht etwa beanstandungsfrei geführt. Vielmehr beging er nur kurze Zeit nach seiner im vorliegenden Verfahren erfolgten Entlassung aus der Untersuchungshaft am 27.07.1993 bereits am 10.09.1993 eine weitere Straftat, nämlich die dem - in die Verurteilung durch das Landgericht Magdeburg einbezogenen Strafbefehl des Amtsgerichts Staßfurt vom 28.03.1996 zugrundeliegende gefährliche Körperverletzung, mithin eine neuerliche Aggressionstat. Hinzu kommt, dass er noch im Jahre 1992 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt werden musste, wenn auch nur zu einer Geldstrafe. Die dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegenden Straftaten weisen zudem nicht nur einen vor allem angesichts des Alters der Geschädigten gegenüber durchschnittlichen Sexualstraftaten deutlich gesteigerten Unrechtsgehalt auf. Sie waren zudem von den Umständen der Tatausführung her auf Wiederholung angelegt. Der Beschwerdeführer hatte nämlich ihm bis dahin unbekannte 13 bzw. 14 Jahre alte Mädchen auf offener Straße in seinen PKW gelockt und anschließend sexuell missbraucht, und zwar im zeitlichen Abstand von nur wenigen Wochen. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer nach der Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne - psychologische Stellungnahme des zuständigen Anstaltspsychologen - bislang keinerlei Tatverarbeitung zeigt, sein Vergewaltigungsdelikt weitgehend verleugnet und sein Fehlverhalten dem "normalen Bereich" zugehörend relativiert bzw. rechtfertigt. Auch zeigt er sich an einer therapeutischen, insbesondere sexualtherapeutischen Behandlung nicht interessiert. Zwar kann das Leugnen der Tat als solcher im Rahmen der Entscheidung über die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers nicht zu seinem Nachteil verwertet werden. Von besonderer Bedeutung ist bei dieser Sachlage aber, inwieweit der Beschwerdeführer in die Versuche des D.S. eingebunden war, die Zeugin W. zur wahrheitswidrigen Rücknahme der ihn belastenden Aussage zu veranlassen. Dies bedarf vor einer bedingten Entlassung des Beschwerdeführers unbedingt der Aufklärung, zumal kaum vorstellbar ist, dass Schulz aus eigenem Antrieb auf die Zeugin eingewirkt haben könnte. Sollte der Beschwerdeführer aber noch im Jahre 1998 versucht haben, in der vom Landgericht Stendal festgestellten Weise auf die Zeugin W. einzuwirken, hätte dies unter dem Gesichtspunkt des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit große Bedeutung für die Frage, ob seine bedingte Entlassung aus der Strafhaft verantwortet werden kann. Hinzu kommt, dass nach Einschätzung des Senates aus den oben ausgeführten, den Taten immanenten Gründen eine bedingte Entlassung des Beschwerdeführers nur dann in Betracht kommen dürfte, wenn zuvor entsprechend § 454 Abs. 2 Ziffer 2 StPO ein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt wird, ob bei ihm keine Gefahr mehr besteht, dass seine durch die Taten zu Tage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Der Beschwerdeführer ist zwar nicht wegen Katalogtaten gemäß § 66 Abs. 3 S. 1 StGB i.V.m. § 454 Abs. 2 Ziffer 2 StPO verurteilt worden. Objektiv bezog sich die Tat zum Nachteil C. W. aber auf ein Kind i.S.v. § 176 Abs. 1 StGB - eine Katalogtat -; auch die Geschädigte Voigt war zum Zeitpunkt der Tatbegehung erst 14 Jahre alt und damit gerade der Altersgrenze des § 176 Abs. 1 StGB entwachsen. Bei dem Angeklagten besteht zudem auch bereits nach den Feststellungen des Tatrichters eine "hohe Bereitschaft, sich und seine Wünsche mit Gewalt durchzusetzen", und zwar auch gerade auf sexuellem Gebiet und insbesondere gegenüber Geschädigten, die dem Kindesalter noch nicht oder gerade entwachsen sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


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