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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss OWi 794/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: OWi

Stichworte: Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch, Geschwindigkeitsüberschreitung, Fahrverbot, beharrliche Pflichtverletzung, Rechtskraft der Vorbelastung nach der neuen Tat, Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot, Beharrlichkeit

Normen: BKatV 2 Abs. 2, StVG 25 Abs. 1

Beschluss: Bußgeldsache gegen G.T.,
wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässige Höchstgeschwindigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Rheine vom 21. 4 1999 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 05.08.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht auf Antrag bzw. nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie nach Anhörung des Betroffenen gemäß § 349 Abs.2 und 4 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG einstimmig beschlossen:

1. Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Rheine zurückverwiesen.

Gründe: I. Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen einer mit einem PKW mit Anhänger am 3.10. 1998 gegen 7.20 Uhr in Rheine-Mesum auf der B 481 in Fahrtrichtung Emsdetten fahrlässig begangenen "Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb einer geschlossenen Ortschaft von 70 km/h um 27 km/h gemäß §§ 3 Abs. III, 41 Abs. II, 49 (StVO) in Verbindung mit §§ 24StVG" eine Geldbuße in Höhe von DM 150 festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs.3 OWiG i.V.m. § 349 Abs.2 StPO als unbegründet zu verwerfen.
II. Das Rechtsmittel hat einen - zumindest vorläufigen - Teilerfolg.
1. Soweit sich die Rechtsbeschwerde - auch - gegen den Schuldspruch richtet, war sie gemäß dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft vom 16.7. 1999, der dem Betroffenen bekannt ist, als offensichtlich unbegründet zu verwerfen (§ 349 StPO, § 79 Abs. 3 OWiG), da die Nachprüfung des Urteils insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat.
2. Dagegen kann der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben.
a ) Zwar ist gegen die verhängte Geldbuße in Höhe von 150 aus Rechtsgründen nichts zu erinnern, da sie den Regelsatz des Bußgeldkataloges, der eine Geldbuße von DM 120 vorsieht (Tabelle 1 a) zu Nr. 5 der Anlage lfd. Nr. 5.1.4 BKatV), im Hinblick auf die beiden verwertbaren Voreintragungen im Verkehrszentralregister wegen einschlägiger Verkehrsordnungswidrigkeiten überschreitet (vgl. § 1 Abs.2 BKatV).
b) Die Anordnung des Fahrverbots hält indes einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
aa) In den Urteilsgründen ist dazu ausgeführt:
"Es liegt ein Regelfall der Bußgeldkatalogverordnung vor. Gegen den Betroffenen war bereits ein Bußgeldbescheid zugestellt worden wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 29 km/h. Einige Zeit zuvor war er schon einmal wegen zu schnellen Fahrens aufgefallen. Es liegt zwar noch kein grobes und beharrliches Verstoßen gegen Verkehrsvorschriften vor, der Betroffene ist aber über einen Zeitraum von weniger als zwei Jahren 3 mal wegen Geschwindigkeitsübertretung in Erscheinung getreten. Angesichts dieser Gesamtumstände hielt das Gericht die Verhängung eines Fahrverbotes für den Betroffenen für erforderlich."(UA 4/5)
Zu den in Bezug genommenen Voreintragungen hat das Amtsgericht festgestellt:
"Verkehrsrechtlich ist (der Betroffene) 2 mal in Erscheinung getreten:
Durch Bußgeldbescheid des Landkreises Emsland vom 12.02.1997 wurde gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 80,00 DM verhängt wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 24 km/h. Die Entscheidung ist rechtskräftig seit dem 04.03.1997.
Durch Bußgeldbescheid des Oberkreisdirektors in Mülheim an der Ruhr vom 22.Septeinber 1998, rechtskräftig seit dem 09.10. 1998 wurde gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 100,00 DM verhängt wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 29 km/h."(UA 3)
bb) Die Begründung der Anordnung des Fahrverbots ist rechtsfehlerhaft; im übrigen reichen die bisherigen Feststellungen nicht aus, um die Anordnung der Maßnahme zu rechtfertigen.
(1) Ein Regelfall der Bußgeldkatalogverordnung liegt - entgegen den Urteilsgründen - nicht vor.
Der festgestellte Verkehrsverstoß der Geschwindigkeitsüberschreitung um 27 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften mit einem PKW mit Anhänger wird nach der Tabelle 1 a) zu Nr. 5 der Anlage lfd. Nr. 5.1.4 BKatV mit der Festsetzung einer Geldbuße geahndet. Damit hat der Verordnungsgeber zum Ausdruck gebracht, daß er die Zuwiderhandlung noch nicht als grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers wertet (vgl. BGHSt 38, 125, 128/129).
Die Voraussetzungen der in der Bußgeldkatalogverordnung geregelten beharrlichen Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers sind nicht erfüllt, weil im Zeitpunkt der Begehung der abzuurteilenden Geschwindigkeitsüberschreitung am 03.10.1998 der Bußgeldbescheid vom 22.09.1998, mit dem die frühere Geschwindigkeitsüberschreitung um 29 km/h geahndet worden ist, noch nicht rechtskräftig gewesen ist. § 2 Abs. 2 Satz 2 BKatv bezieht sich demgegenüber auf den Fall der wiederholter Geschwindigkeitsüberschreitung um mindestens 26 km/h, der innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Entscheidung begangen wird.
(2) Läge - wie es in den Urteilsgründen heißt - "noch kein grobes und beharrliches Verstoßen gegen Verkehrsvorschriften vor" (UA 4/5), käme die Anordnung eines Fahrverbots aus Rechtsgründen nicht in Betracht.
Nach der Vorschrift des § 25 StVG, die auch nach Inkrafttreten der Bußgeldkatalogverordnung alleinige Rechtsgrundlage für die Verhängung des Fahrverbots ist (vgl. BGHSt 38, 125, 128; Jagusch/Hentschel, 35. Aufl. (1999), § 25 StVG Rdnr. 15 b m.w.N.), kann die Maßnahme nur angeordnet werden, wenn gegen den Betroffenen wegen einer ordnungswidrigkeit gemäß § 24 StVG, die er unter grober oder beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, eine Geldbuße festgesetzt wird (§ 25 Abs.1 Satz 1 StVG).
(3) Soweit dem Gesamtzusammenhang der Begründung entnommen werden kann, daß das Amtsgericht mit der Verhängung des Fahrverbots die beharrliche Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers geahndet hat, reichen die bisherigen Feststellungen zur Rechtfertigung der Maßnahme nicht aus.
Grundsätzlich kommt die Anordnung eines Fahrverbots wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers auch dann in Betracht, wenn bei Begehung der neuerlichen Tat noch keine rechtskräftige Vorahndung vorgelegen hat. Mit § 2 Abs.2 Satz 2 BKatV hat der Verordnungsgeber bestimmte Regel(Sonder)fälle aus dem undifferenzierten Bereich beharrlicher Verkehrsverstöße des § 25 Abs.1 Satz 1 StVG herausgenommen und rechtlich verselbständigt (BGHSt 38, 231, 234). Damit hat er Verwaltungsbehörden und Gerichte keineswegs voll einer Einzelfallprüfung befreit, sondern nur den Begründungsaufwand in den katalogmäßig bestimmten Regel(Sonder)fällen eingeschränkt (BGHSt 38, 125, 131).
Den Besonderheiten des nicht in § 2 Abs.2 Satz 2 BKatV erfaßten Falles eines beharrlichen Verstoßes wird die angefochtene Entscheidung bisher nicht gerecht. Der Vorwurf, beharrlich die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers verletzt zu haben, besteht darin, daß der Fahrer durch die wiederholte Begehung von Verkehrsverstößen, die nach ihrer Art oder den Umständen ihrer Begehung für sich allein betrachtet zwar nicht bereits zu den objektiv oder subjektiv groben Zuwiderhandlungen zählen, erkennen läßt, daß es ihm an der für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderlichen rechtstreuen Gesinnung und der notwendigen Einsicht in zuvor begangenes Unrecht fehlt (Amtl.Begr. BT-Drucks.V/1319 S. 90;BGHSt 38, 231, 234). Fehlende Einsicht in zuvor begangenes Unrecht kann er auch dann zeigen, wenn ihm vor Begehung einer weiteren Ordnungswidrigkeit die frühere Tat auf andere Weise als durch rechtskräftige Ahndung voll bewußt geworden ist. Das kann beispielsweise - auch bei fahrlässiger Tatbegehung - schon durch die Zustellung des Bußgeldbescheides geschehen (vgl. BayObLG NZV 1996, 370, 371). Doch bedarf es in einem solchen Fall ausreichender tatrichterlicher Feststellungen, die den Schluß zulassen; der Betroffene habe sich über den vorausgegangenen Warnappell hinweggesetzt (vgl. BVerfG DAR 1996, 196, 198).
Zwar legt in vorliegender Sache das Datum der Rechtskraft (9.10.1998) des Bußgeldbescheides des OKD Mülheim an der Ruhr vom 22.09.1998 nahe, daß dieser Bußgeldbescheid dem Betroffenen spätestens am 25.09.1998 (vgl. § 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG) - mithin vor der abgeurteilten Geschwindigkeitsüberschreitung vom 03.10.1998 - zugestellt worden ist, worauf das Amtsgericht pauschal hingewiesen hat. Damit steht jedoch nicht fest, daß dieser die Warnfunktion der Vorahndung mißachtet hat. Das ist vielmehr davon abhängig, daß er von der Sanktion für sein verkehrswidriges Verhalten Kenntnis erlangt und sich gleichwohl darüber hinweggesetzt hat. Angesichts der rechtlich zulässigen Möglichkeit von Ersatzzustellungen bedarf es deshalb weiterer tatrichterlicher Aufklärung (vgl. Senatsbeschluß vom 10.02.1998 - 4 Ss OWi 63/98 OLG Hamm).
3. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat damit hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs einen - zumindest vorläufigen - Erfolg. Die aufgezeigten Mängel nötigen zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs, weil zwischen der Geldbuße und dem Fahrverbot eine Wechselwirkung besteht. Der Senat sieht sich gehindert, gemäß § 79 Abs.6 OWiG in der Sache selbst zu entscheiden, da zunächst weitere Feststellungen zu treffen sind. Deshalb war die Sache im Umfang der Aufhebung des angefochtenen Urteils an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO, § 79 Abs. 3 OWiG); dabei hat der Senat keinen Anlaß gesehen, die Sache einer anderen Abteilung des Amtsgerichts zu übertragen.
Der Tatrichter hat auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu befinden, da deren Erfolg im Sinne des § 473 StPO i.V.m. § 46 Abs.1 OWiG noch nicht feststeht.


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