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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 25/99 OLG Hamm

Leitsatz: Lässt sich der Betroffene gegenüber dem Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung dahin ein, er habe nicht gesehen, dass er sich in einer Tmpo-30-Zone befunden habe, muß das amtsgerichtliche Urteil im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des BGH zur subjektiven Vorwerfbarkeit (BGHSt 43, 214 = NJW 1997, 3252) nähere Feststellungen zur Einrichtung der Tempo-30-Zone (Geschwindigkeitstrichter, nur ein Schild oder weitere Beschilderung) enthalten.

Senat: 2

Gegenstand: OWi

Stichworte: Abänderung des Rechtsfolgenausspruchs, einfache Fahrlässigkeit, Geschwindigkeitsüberschreitung, Fahrverbot, grobe Pflichtverletzung, rechtliche Bezeichnung der Tat, Tenor; Augenblicksversagen, Tempo-30-Zone; grobe Pflichtwidrigkeit

Normen: StVG 25 Abs. 1

Fundstelle: ZAP EN-Nr. 368/99; DAR 1999, 327; VRS 97, 207

Beschluss: Bußgeldsache gegen B.E.,
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 05.08.1998 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 12. 4 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch dahin geändert, daß die Anordnung des Fahrverbots entfällt.
Die Kosten des Rechtsmittels einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.

Gründe: Das Amtsgericht Recklinghausen hat gegen den Betroffenen durch das angefochtene Urteil wegen "einer fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß §§ 3 Abs. 3, 41 (Zeichen 274), 49 StVO, 24 StVG" eine Geldbuße in Höhe von 200,- DM verhängt und ihm zugleich ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats erteilt.
Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils befuhr der Betroffene am 18.02.1998 um 15.01 Uhr mit seinem PKW in Recklinghausen die Straße "Am Grünen Platz", die als 30 km/h-Zone ausgewiesen ist, mit einer mittels eines Laser-Geschwindigkeitsmeßgerätes gemessenen Geschwindigkeit von 61 km/h. Ferner wird festgestellt, daß Verkehrsschikanen in diesem Teil der Straße nicht eingebaut worden sind.
Das Amtsgericht ist der Einlassung des Betroffenen, er habe als Ortsunkundiger eine Wegbeschreibung bekommen und dadurch sowie durch ein weiteres Verkehrsschild das die Beschränkung der Geschwindigkeit auf 30 km/h anordnende Schild übersehen, offensichtlich gefolgt.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet worden. Die vorgenommene Beschränkung auf das Fahrverbot ist im Hinblick auf die denkbare Wechselwirkung zwischen der Höhe der Geldbuße und dem Fahrverbot als Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch anzusehen (vgl. Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 79 Rdnr. 32 m.w.N.).
Die Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist auch wirksam, weil den Urteilsgründen noch hinreichend deutlich entnommen werden kann, daß der Betroffene wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, die innerhalb einer geschlossenen Ortschaft begangen worden ist, schuldig gesprochen worden ist. Da die Geschwindigkeit offensichtlich durch das Verkehrszeichen 274.1 zu § 41 StVO - die Bezeichnung des Verkehrszeichens 274 dürfte irrtümlich erfolgt sein - auf 30 km/h beschränkt ist, ist allerdings nicht nachvollziehbar, weshalb als verletzte Vorschrift auch § 3 Abs. 3 StVO aufgeführt wird, da nach Nr. 1 dieser Vorschrift festgelegt wird, daß die zulässige Höchstgeschwindigkeit auch unter günstigsten Umständen innerhalb geschlossener Ortschaften für alle Kraftfahrzeuge 50 km/h beträgt (vgl. auch Senatsbeschluß vom 25.02.1999 in 2 Ss OWi 105/99). Da hier durch ein Vorschriftszeichen (§ 41 StVO) eine niedrigere Geschwindigkeit angeordnet ist, handelt es sich um ein Gebot, dessen Mißachtung § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO unterstellt ist, so daß die §§ 3 Abs. 3 Nr. 1, 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO nicht anwendbar sind (vgl. BayObLG DAR 1998, 480, NZV 1999, 50).
In diesem Zusammenhang weist der Senat jedoch erneut darauf hin, daß nach § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 260 Abs. 4 StPO die Urteilsformel die rechtliche Bezeichnung der Tat angeben muß (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. 4 1998 in 2 Ss OWi 375/98 = VRS 95, 293 = DAR 1998, 281 = MDR 1998, 901 sowie vom 20.11.1997 in 2 Ss OWi 1294/97 = VRS 94, 466 = NZV 1998, 124 = zfs 1998, 75).
Der Rechtsbeschwerde ist der Erfolg nicht zu versagen.
Bei der gegebenen Ausgangslage hat das Amtsgericht - ausgehend von der Bußgeldkatalogverordnung - zu Unrecht eine nähere Prüfung unterlassen, ob die von dem Betroffenen gezeigte Fahrlässigkeit die Annahme einer groben Pflichtverletzung i.S.d. § 25 Abs. 1 StVG rechtfertigt.
Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluß vom 11.09.1997 - 4 StR 557/96 = BGHSt 43, 241 = NJW 1997, 3252 = NZV 1997, 525) kommt bei einer im Sinne der Regeltatbestände der Bußgeldkatalogverordnung "qualifizierten" Überschreitung der durch Zeichen 274 oder 274.1 der StVO beschränkten Geschwindigkeit die indizielle Wirkung der Verwirklichung des Regelbeispiels für die Verhängung eines Fahrverbots nur mit Einschränkung zum Tragen. Dem Kraftfahrzeugführer kann danach das für ein Fahrverbot erforderliche grob pflichtwidrige Verhalten nicht vorgeworfen werden, wenn der Grund für die von ihm begangene Geschwindigkeitsüberschreitung darin liegt, daß er das die Geschwindigkeit begrenzende Zeichen nicht wahrgenommen hat, es sei denn, gerade diese Fehlleistung beruht ihrerseits auf einer groben Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit. Daher bedarf es, wenn der Betroffene sich gegenüber dem Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung dahin einläßt, er habe das die Geschwindigkeit begrenzende Verkehrszeichen übersehen, in der Regel näherer tatrichterlicher Feststellungen zu den äußeren Umständen der Geschwindigkeitsbeschränkung. Ein Fahrverbot ist daher dann nicht zu verhängen, wenn der Fahrzeugführer trotz objektiv erheblicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit die geschwindigkeitsbeschränkenden Maßnahmen infolge nur einfacher Fahrlässigkeit nicht wahrgenommen hat (vgl. BGH a.a.O.; Senatsbeschlüsse vom 25.02.1998 in 2 Ss OWi 179/98 = VRS 95, 230 = NStZ-RR 1998, 248 = NZV 1998, 334 = DAR 1998, 323 = MDR 1998, 965 und vom 15.12.1997 in 2 Ss OWi 1365/97 = VRS 95, 58 = NZV 1998, 164 = DAR 1998, 150).
Wie in den Fällen, die den zuvor zitierten Entscheidungen zugrundeliegen, hat auch vorliegend nach den bislang getroffenen Feststellungen lediglich einfache Fahrlässigkeit vorgelegen. Denn zum einen waren offensichtlich außer des einmalig aufgestellten Zonenverbotsschildes 274.1 keine weiteren Hinweise auf die Geschwindigkeitsbegrenzung gegeben. Dies ergibt sich im übrigen aus der Feststellung, daß Verkehrsschikanen in der Straße nicht eingebaut worden sind. Auch wenn der Betroffene schon die ohne zusätzliche Geschwindigkeitsbegrenzung gem. § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO innerörtlich einzuhaltende Höchstgeschwindigkeit überschritten hat, ist zum anderen das Ausmaß dieser Überschreitung (11 km/h) nicht so groß, um allein daraus und ohne weiteres eine die Verhängung eines Fahrverbots rechtfertigende grobe Pflichtwidrigkeit herzuleiten.
Da nicht zu erwarten ist, daß in einer neuen Hauptverhandlung weitere bedeutsam Feststellungen zum Vorliegen einer groben Pflichtwidrigkeit getroffen werden können, hat der Senat von einer Zurückverweisung der Sache, wie sie die Generalstaatsanwaltschaft beantragt hatte, abgesehen und von der Möglichkeit des § 79 Abs. 6 OWiG Gebrauch gemacht, in der Sache selbst zu entscheiden. Da bei einer Verneinung der Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 StVG eine Erhöhung der (Regel-)Geldbuße nicht in Betracht kommt und diese hier auch angemessen ist, war das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch - unter Aufrechterhaltung der Geldbuße bei Wegfall des Fahrverbots - wie geschehen abzuändern (vgl. Senatsbeschluß vom 25.02.1998 a.a.O.; BayObLG NStZ-RR 1998, 248).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.


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