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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 1 Ss OWi 283/99 OLG Hamm

Senat: 1

Gegenstand: OWi

Stichworte: Arbeitslosigkeit zwischen Urteil und Rechtsbeschwerdeverfahren, Aufhebung im Rechtsfolgenausspruch, Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch (Auslegung), Fahrverbot (allgemeine Voraussetzungen), besondere Härte, Geschwindigkeitsüberschreitung

Normen: StVG 25

Beschluss: Bußgeldsache gegen G.W.,
wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 30.12.1998 gegen das Urteil des Amtsgerichts Siegen vom 29.12.1998 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 13. 4 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Siegen zurückverwiesen.

Gründe: I. Das Amtsgericht Siegen hat gegen den Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen §§ 3 Abs. 3, 49 StVO i.V.m. § 24 StVG eine Geldbuße in Höhe von 100,- DM sowie gemäß § 25 StVG gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat Dauer verhängt. Nach den zugrundeliegenden Feststellungen befuhr der Betroffene am 17.06.1998 gegen 11.46 Uhr die Hüttentalstraße in Kreuztal außerhalb der geschlossenen Ortschaft. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt dort 80 km/h. Der Betroffene wurde mit einer Geschwindigkeit von 112 km/h gemessen, abzüglich eines Toleranzwertes von 4 km/h ergibt sich eine Geschwindigkeit von 108 km/h und damit eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 28 km/h.
Zum Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht ausgeführt, daß gegen den Betroffenen die Regelbuße gemäß der bundeseinheitlichen Bußgeldkatalogverordnung zu verhängen war, nämlich eine Geldbuße in Höhe von 100,- DM sowie ein Fahrverbot von einem Monat. Von diesem Fahrverbot sei auch nicht abzusehen gewesen. Solle entgegen der Indizwirkung des § 2 Abs. 1 BKatV von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden, so müsse ein besonders gelagerter Einzelfall vorliegen. Das Fahrverbot müsse für den Betroffenen eine besondere Härte darstellen. Diese Voraussetzungen seien bei dem Betroffenen nicht gegeben. Er habe mit Schreiben vom 20.08.1998 gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt. Zu dieser Zeit sei er als Angestellter im Außendienst beschäftigt und beruflich auf seinen Führerschein angewiesen gewesen. Ab Ende 10. 1998 sei der Betroffene arbeitslos gewesen. Der zunächst geplante Arbeitsantritt bei einem neuen Unternehmen zum 01.10.1998 sei nicht erfolgt. In den Monaten 11. und 12. 1998 sei der Betroffene arbeitslos gewesen. Zum 15.01.1999 werde der Betroffene eine Stelle bei der Firma B.Fenster als Leiter des Außendienstes antreten. Er sei in dieser Funktion als Außendienstleiter wiederum beruflich auf seinen Führerschein angewiesen. Für den Betroffenen hätte die Möglichkeit bestanden, das Fahrverbot während der Zeit seiner Arbeitslosigkeit anzutreten. Der Betroffene habe um das Fahrverbot gewußt und habe in seine Überlegungen einbeziehen müssen, daß er für eine neue Arbeitsstelle wiederum den Führerschein benötigen würde. Dies habe sich aufgrund der vorher durch den Betroffenen ausgeübten Tätigkeit aufgedrängt. Um Nachteile in der Zukunft zu vermeiden, wäre es daher möglich und auch zumutbar gewesen, daß der Betroffene zu diesem Zeitpunkt das Fahrverbot angetreten hätte.
Gegen dieses Urteil hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt. Zur Begründung der Rechtsbeschwerde wird ausgeführt, daß das Amtsgericht von einem Fahrverbot hätte absehen müssen, da dieses für den Betroffenen eine besondere Härte darstelle. Die Argumentation des Gerichts verkenne, daß der Betroffene auch während der Zeit seiner Arbeitslosigkeit auf seinen Führerschein angewiesen war, da er sich nur dann als Außendienstmitarbeiter habe bewerben können, wenn er im Besitz einer Fahrerlaubnis war.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit dem diesen zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und insoweit die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Siegen zurückzuverweisen.
II. 1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist nach ihrem insoweit eindeutigen Inhalt auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, obgleich eine entsprechende ausdrückliche Erklärung seitens des Betroffenen nicht abgegeben wurde. Eine solche ausdrückliche Erklärung war hier allerdings entbehrlich, da die Rechtsbeschwerde das angefochtene Urteil allein mit der Sachrüge angreift und insoweit nur Ausführungen zum Rechtsfolgenausspruch enthält (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 344 Rdnr. 6 m.w.N.). Dagegen ist eine Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf das Fahrverbot unzulässig, weil die bei der Bemessung der Höhe der Geldbuße und zur Frage der Verhängung eines Fahrverbotes anzustellenden Erwägungen so eng miteinander verbunden sind, daß eine getrennte Würdigung ausgeschlossen ist.
2. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat in der Sache zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen sowie insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Siegen.
Das Amtsgericht hat nach den Ausführungen zum Rechtsfolgenausspruch die Verhängung des Fahrverbotes auf § 2 Abs. 1 BKatV gestützt. Dabei hat es verkannt, daß hinsichtlich der dem Betroffenen zur Last zu legenden Geschwindigkeitsüberschreitung nach § 2 Abs. 1 der BKatV ein Fahrverbot nicht zu verhängen ist.
Nr. 5.3.2 der Tabelle 1 a, c des Anhangs zu Nr. 5 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV sieht nämlich bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 26 bis 30 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften neben einem Bußgeld in Höhe von 100,- DM ein Fahrverbot nicht vor.
Allerdings kommt vorliegend ein Fahrverbot wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers gemäß § 2 Abs. 2 der BKatV in Betracht. Danach ist ein Fahrverbot in der Regel zu verhängen, wenn gegen den Führer eines Kraftfahrzeuges wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht. Nach den Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils ist der Betroffene durch Bußgeldbescheid vom 26.05.1997, rechtskräftig seit dem 17.07.1997, wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 200,- DM und zu einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt worden. Zwar enthält das Urteil keine Angabe zur Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung. Allerdings läßt die Höhe der verhängten Sanktion vermuten, daß es sich um eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 26 km/h gehandelt hat. Das Amtsgericht wird daher in der neuen Hauptverhandlung zu prüfen haben, ob gemäß § 2 Abs. 2 der BKatV ein Fahrverbot zu verhängen ist.
Eine eigene Sachentscheidung war dem Senat verwehrt, da das Urteil an einem weiteren Mangel leidet. Die Erwägungen, die das Amtsgericht für die Ablehnung eines Härtefalls nach § 2 Abs. 4 BKatV, unter denen bei Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden kann, angestellt hat, halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach obergerichtlicher Rechtsprechung genügen im Rahmen des § 2 Abs. 4 BKatV außer erheblichen Härten auch eine Vielzahl von für sich genommen gewöhnlichen und durchschnittlichen Umständen, um eine Ausnahme zu begründen (BGH NZV 1992, 117; BGH NZV 1992, 286). Weist der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen wesentliche Besonderheiten auf, die nicht schon die Beharrlichkeit des Verstoßes als solchen ausnahmsweise in Frage stellen, so kann der Tatrichter die Überzeugung gewinnen, daß trotz eines Regelfalls die Verhängung eines Fahrverbotes unangemessen ist und der notwendige Warneffekt unter angemessener Erhöhung der Regelgeldbuße erreicht werden kann (BGH NZV 1992, 286). Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalles der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und somit von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (BGH NZV 1996, 286, 288). Dem Tatrichter ist jedoch insoweit kein rechtlich ungebundenes freies Ermessen eingeräumt, das nur auf das Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar wäre, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte oder von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht (OLG Hamm, Beschluß vom 17.07.1997 - 3 Ss OWi 271/97).
Diese Überprüfung ergibt, daß die vom Amtsgericht herangezogenen Erwägungen die Ablehnung eines Härtefalles nach § 2 Abs. 4 BKatV nicht rechtfertigen. Soweit das Amtsgericht ausführt, für den Betroffenen habe die Möglichkeit bestanden, das Fahrverbot während der Zeit seiner Arbeitslosigkeit anzutreten, bedeutet dies gleichzeitig, der Betroffene hätte auf Rechtsmittel gegen den Bußgeldbescheid vom 14.08.1998 verzichten müssen. Diese Erwägung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Einem Betroffenen kann nicht angelastet werden, daß er gegen eine ihn belastende Entscheidung Rechtsmittel einlegt. Es ist das Recht jedes Betroffenen, eine seiner Meinung nach falsche Entscheidung der Bußgeldbehörde gerichtlich nachprüfen zu lassen. Es ist ihm nicht zuzumuten, darauf zu verzichten, um auf diese Weise Härten aufgrund des verhängten Fahrverbotes zu vermeiden. Zwar hat der Betroffene vorliegend die Geschwindigkeitsüberschreitung eingeräumt, so daß ein Interesse an richterlicher Nachprüfung des Sachverhaltes nicht erkennbar ist. Zu berücksichtigen ist indes, daß der Betroffene zu einem Zeitpunkt Einspruch eingelegt hat, als er noch als Angestellter im Außendienst beschäftigt und beruflich auf seinen Führerschein angewiesen war. Insoweit hatte der Betroffene ein berechtigtes Interesse daran überprüfen zu lassen, ob nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 BKatV vorlagen. Nicht zuzumuten ist ihm, in dem Moment, als er arbeitslos geworden ist, seinen Einspruch zurückzunehmen, zumal zunächst ein neuer Arbeitsantritt zum 01.10.1998 geplant war. Dem amtsgerichtlichen Urteil ist nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen es zu diesem Arbeitsantritt nicht gekommen ist. Demzufolge rechtfertigt der Umstand, daß der Betroffene unter Verzicht auf Rechtsmittel das Fahrverbot ohne für ihn eintretende Härten hätte bereits antreten können, nicht, die Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 BKatV abzulehnen.
Ob nunmehr, nachdem der Betroffene eine neue Stelle als Leiter des Außendienstes angetreten hat, Gründe vorliegen, die ausnahmsweise Anlaß geben könnten, von der Rechtsfolge des § 25 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 2 Abs. 2 S. 2 BKatV abzusehen, wird in der neuen Hauptverhandlung zu überprüfen sein. Zwar sind durch die Regelung des § 2 Abs. 2 BKatV die Gerichte von der Verpflichtung entbunden, die Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge besonders zu begründen, wenn keine Anhaltspunkte für ein Abweichen ersichtlich sind (BGH NZV 1992, 286). Weist der Sachverhalt zugunsten des Betroffenen indes wesentliche Besonderheiten auf, so ist das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 4 BKatV zu prüfen. Angesichts der Tatsache, daß das Amtsgericht ausgeführt hat, der Betroffene sei in seiner Funktion als Außendienstleiter wiederum beruflich auf seinen Führerschein angewiesen, besteht hier Veranlassung zu prüfen, ob von der Anordnung des Fahrverbotes unter angemessener Erhöhung des für den getroffenen Tatbestand bestimmten Regelsatzes der Geldbuße abgesehen werden kann. Diese Prüfung unterliegt in erster Linie tatrichterlicher Würdigung. Angesichts des Fehlens näherer Feststellungen hierzu, kann diese Überprüfung vom Rechtsbeschwerdegericht nicht vorgenommen werden. Der Senat weist jedoch darauf hin, daß berufliche Folgen des Fahrverbots nur dann unzumutbar sind, wenn sie zu einer Existenzgefährdung führen (OLG Hamm NZV 1996, 118). Bei abhängig Beschäftigten kann dies der Fall sein, wenn sicher feststeht, daß es als Folge des möglichen Fahrverbots zu einem Verlust des Arbeitsplatzes kommen wird. Kann der Betroffene allerdings zur Abwendung der Kündigung des Arbeitsplatzes während der Vollstreckung des Fahrverbotes Urlaub nehmen, ist ein Absehen vom Fahrverbot nicht möglich. Es bedarf auch der näheren Klärung, ob der Betroffene als Leiter des Außendienstes selbst im Außendienst tätig ist und deshalb auf seinen Führerschein angewiesen ist. Hierzu ist eine nähere Beschreibung des Arbeitsgebietes des Betroffenen erforderlich. Gegebenenfalls ist auch in die Erwägung mit einzubeziehen, ob es dem Betroffenen nicht zumutbar ist, für die Zeit des Fahrverbotes einen Fahrer anzustellen.
Nach alledem war das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen aufzuheben. Die Sache war insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Siegen zurückzuverweisen.


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