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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 1 Ws 465, 466/98 OLG Hamm

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: psychiatrische Erkrankung, Wirksamkeit der Zustellung wegen psychischer Erkrankung, Widerruf, neue Freiheitsstrafe zur Bewährung, Bindung an Bewährung im neuen Verfahren

Normen: StGB 56 f

Beschluss: Strafsache gegen P.W.,
wegen Diebstahls,
(hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Widerruf einer Reststrafenaussetzung zur Bewährung).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 14.07.1998 gegen den Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 11.02.1998 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09.02.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Verurteilten bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe: Der Verurteilte ist durch Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 08.08.1996 in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Detmold vom 21.11.1996 unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bielefeld vom 26. 4 1996 und unter Einbeziehung und Auflösung der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 08.07.1996 und wegen Diebstahls in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Desweiteren ist gegen ihn wegen Diebstahls in fünf Fällen, wegen Diebstahls geringwertiger Sachen in fünf Fällen und wegen Hausfriedensbruchs in vier Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verhängt worden. Mit Beschluß vom 29.10.1997 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum die Vollstreckung des mit Ablauf des 29.12.1997 nicht verbüßten Restes der beiden Freiheitsstrafen nach Verbüßung der Hälfte bzw. 2/3 der Strafen zur Bewährung ausgesetzt. Der Verurteilte ist daraufhin am 26.11.1997 aus der Justizvollzugsanstalt Recklinghausen entlassen worden. Laut Bewährungsbeschluß betrug die Bewährungszeit drei Jahre.
Bereits am 27.11.1997, also am Tage nach seiner Entlassung aus der Strafhaft, ist der Verurteilte erneut strafrechtlich in Erscheinung getreten. Er entwendete bei der Firma Karstadt in Detmold zwei Packungen Parfum im Werte von 97,90 DM. Desweiteren entwendete er am 02.12.1997 bei der Firma Eduscho in Detmold einen Kinderskianzug. Aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Detmold vom 03.12.1997 wurde der Verurteilte wegen dieser Taten in Untersuchungshaft genommen. Der Verurteilte hat die Taten von Anfang an eingeräumt. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum hat daraufhin mit Beschluß vom 11.02.1998 auf Antrag der Staatsanwaltschaft und nach Anhörung des Verurteilten die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen.
Dieser Beschluß wurde dem Verurteilten in der Westfälischen Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik und Neurologie Gütersloh am 11.03.1998 zugestellt. Der Verurteilte war am 24.02.1998 in die Westfälische Klinik verlegt worden, nachdem die Anstaltsärztin in der Justizvollzugsanstalt eine schizophrene Psychose diagnostiziert und Haftunfähigkeit festgestellt hatte.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 14.07.1998, bei dem Landgericht Bochum eingegangen am 20.07.1998, erhob der Verurteilte sofortige Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluß und trug u.a. vor, daß er erst am 14.07.1998 im Rahmen eines anderen Verfahrens von dem Widerruf erfahren habe. Desweiteren hat er ausgeführt, daß im 2. und 3. 1998 eine wirksame Zustellung habe nicht erfolgen können, da er zu diesem Zeitpunkt aufgrund seiner Erkrankung nicht geschäftsfähig gewesen sei. Die Westfälische Klinik für Psychiatrie in Gütersloh hat dies auf eine Anfrage der Generalstaatsanwaltschaft bestätigt.
Durch Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 14.07.1998 ist der Verurteilte wegen der am 27.11.1997 und 02.12.1997 begangenen Diebstahlstaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Die Vollstreckung der Strafe ist zur Bewährung ausgesetzt worden. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, das Gericht habe unter Zurückstellung von Bedenken die Erwartung, daß der Angeklagte nach Abschluß seiner stationären Therapie und unter Fortführung einer weiteren ambulanten Therapie in Zukunft auch ohne Strafvollstreckung keine weiteren Straftaten mehr begehen werde. Demgemäß hat das Amtsgericht den Verurteilten im Bewährungsbeschluß angewiesen, weiter in der Westfälischen Klinik Gütersloh zu bleiben, solange es erforderlich ist und anschließend sich einer ambulanten Therapie zu unterziehen.
Am 14.09.1998 ist der Verurteilte aus der Westfälischen Klinik für Psychiatrie entlassen worden. Seit dieser Zeit wird er weiterhin ambulant in einer Tagesklinik in Detmold, einer Außenstelle des Westfälischen Landeskrankenhauses Gütersloh, behandelt. Mit Bericht vom 23.12.1998 teilte der Bewährungshelfer mit, der Verurteilte habe von sich aus mitgeteilt, er habe Ende 11. 1998 bei der Firma C & A versucht, eine Lederjacke im Wert von 350,- DM zu entwenden. Er sei dabei von Kaufhausdetektiven beobachtet worden, Strafantrag sei gestellt worden.
Zur Begründung der sofortigen Beschwerde hat der Verteidiger ausgeführt, die Sachverständige habe in der Hauptverhandlung am 14.07.1998 bekräftigt, daß der Verurteilte im Falle neuerlicher Inhaftierung nicht nur nicht gesunden, sondern voraussichtlich neuerliche schwere Rückfälle seiner Psychose erleiden würde und ihm deshalb im Interesse seiner Gesundheit jede weitere Verbüßung normaler Strafhaft tunlichst zu ersparen sei.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, kann in der Sache jedoch keinen Erfolg haben.
Es ist davon auszugehen, daß die sofortige Beschwerde rechtzeitig erhoben worden ist, da die Zustellung des angefochtenen Beschlusses am 11.03.1998 unwirksam gewesen ist. Nach der eingeholten ärztlichen Auskunft der Westfälischen Klinik für Psychiatrie in Gütersloh vom 14.12.1998 war der Verurteilte mit großer Wahrscheinlichkeit am 11.03.1998 nicht in der Lage, die Tragweite des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 11.02.1998 nebst Rechtsmittelbelehrung zu erkennen und entsprechend zu handeln. Letztendlich kommt es darauf aber nicht entscheidend an, da dem Verurteilten jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre.
Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet, da die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum die Strafaussetzung zu Recht widerrufen hat.
Nach § 56 f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB widerruft das Gericht die Strafaussetzung, wenn der Verurteilte in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrundelag, sich nicht erfüllt hat. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Verurteilte ist innerhalb der Bewährungszeit erneut einschlägig straffällig geworden, und zwar nur einen Tag nach seiner bedingten Entlassung. Er ist deshalb durch Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 14.07.1998 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden.
Zwar ist die Vollstreckung dieser Strafe erneut zur Bewährung ausgesetzt worden. Dennoch müssen diese neuen Straftaten zum Anlaß genommen werden, die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen. Zwar hat das Gericht, das über die neuerliche Straftat befindet und die Voraussetzungen einer Strafaussetzung für gegeben hält, infolge der Erscheinung und des Verhaltens des Straftäters in der mündlichen Verhandlung in der Regel die besseren Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich des voraussichtlichen weiteren Lebenswegs des Straftäters als das Gericht, welches die früher gewährte Strafaussetzung zur Bewährung im Verfahren gemäß § 56 f StGB widerruft. Dieser Umstand läßt es in der Regel geboten erscheinen, sich der sach- und zeitnäheren Prognose des Gerichts anzuschließen, das die letzte Straftat beurteilt hat (BVerfG, NStZ 1985, 357; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 56 f Anm. 3 c). Das gilt jedoch dann nicht, wenn die Sozialprognose ungünstig (OLG Frankfurt, NStZ-RR 1996, 59) oder nicht überzeugend ist (OLG Düsseldorf, VRS 89, 33; 91, 173). So liegt der Fall aber hier. Der Senat hat bei seiner Entscheidung auch das Verhalten des Verurteilten nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Detmold am 14.07.1998 zu berücksichtigen. Das Amtsgericht Detmold ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß der Verurteilte nach Abschluß einer stationären Therapie und unter Fortführung einer weiteren ambulanten Therapie in Zukunft keine weiteren Straftaten mehr begehen wird. Obgleich die stationäre Therapie am 14.09.1998 abgeschlossen war, hat diese noch keine Erfolge hinsichtlich der strafrechtlichen Auffälligkeiten des Verurteilten erbracht. Wie der Bewährungshelfer mitgeteilt hat, ist der Verurteilte bereits Ende 11. 1998 wegen eines versuchten Diebstahls erneut strafrechtlich in Erscheinung getreten. Daraus wird deutlich, daß die dem Verurteilten vom Amtsgericht Detmold für den Fall des Abschlusses der stationären Therapie gestellte günstige Prognose sich jedenfalls nicht bestätigt hat. Allein die Hoffnung, daß die Durchführung einer ambulanten Therapie zu einer Persönlichkeitsänderung führt, berechtigt nicht dazu, dem Verurteilten bereits jetzt eine günstige Zukunftsprognose zu stellen, zumal nach Auskunft der behandelnden Ärzte die Therapie noch über einen sehr langen Zeitraum fortgeführt werden muß. Durch das neuerliche strafrechtlich relevante Verhalten hat der Verurteilte die Erwartung künftig straffreien Lebens widerlegt. In Anbetracht dessen kommt ein Absehen vom Widerruf gemäß § 56 f StGB nicht in Betracht.
Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die Tatsache, daß der Gesundheitszustand des Verurteilten sich in einer Justizvollzugsanstalt verschlechtern könnte. Die Vollstreckungsbehörden werden gewissenhaft prüfen müssen, ob die Erkrankung des Verurteilten einen Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt zuläßt oder ob der Verurteilte den Rest der Strafen in einem Justizvollzugskrankenhaus verbüßen muß. Sollte dem Verurteilten auch Letzteres aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar sein, so wäre zu prüfen, ob Maßnahmen nach § 455 StPO in Betracht kommen oder gar eine Gnadenentscheidung veranlaßt ist.
In Anbetracht der Tatsache, daß weniger einschneidende Maßnahmen als der Widerruf der Strafaussetzung nicht mehr ausreichen, um den Strafzweck zu erfüllen, hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum die Strafaussetzung zur Bewährung zu Recht widerrufen. Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.


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