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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ws 727/98 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Berechtigte, Geschädigte, Verletzte, Zugriffsmöglichkeit, Zurückgewinnungshilfe

Normen: StPO 111 Abs. 2

Beschluss: Strafsache gegen H. H.,
wegen Betruges,
hier: Antrag der Verletzten A. K., vertreten durch Rechtsanwälte M., auf Zulassung der Zwangsvollstreckung gemäß § 111 g Abs. 2 StPO.

Auf die sofortige Beschwerde der Verletzten vom 11.11.1998 gegen den Beschluß der 12. Strafkammer des Landgerichts Münster vom 02.11.1998 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25.02.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeschuldigten bzw. dessen Verteidigers beschlossen:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Zwangsvollstreckung der Verletzten A. K. aus dem Arrestbefehl des Amtsgerichts Münster vom 26.08.1998 (6 C 1587/98) in das Guthaben des Kontos Nr. 384887-461 bei der Postbank Dortmund (Kontoinhaberin I.D. 9, 46282 Dorsten, Verfügungsberechtigter E. B.) wird zugelassen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Verletzten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe: I. In der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Münster vom 10.10.1996 wird u.a. den Angeschuldigten E.B. und H.H. zur Last gelegt, Mitte 5. 1993 vereinbart zu haben, durch Vorspiegeln der Existenz sogenannter "Depositdarlehen" zahlreiche Personen betrügerisch zu schädigen. Dieses Vorhaben sollen sie in der Folgezeit entsprechend dem gemeinsamen Plan jeweils unter der Vortäuschung umgesetzt haben, bei Zahlung einer Geldsumme zwischen 5.000,00 DM und 10.000,00 DM könne ein zins- und tilgungsfreies Darlehen mit einem Auszahlungsbetrag zwischen 132.000,00 DM und 110.000,00 DM erlangt werden, selbst im Falle der Nichtauszahlung des Darlehens werde jedenfalls die Vorauszahlung zurückgezahlt werden. Auf diese Weise sollen zahlreiche Personen, u.a. auch die Beschwerdeführerin dieses Verfahrens, dazu gebracht worden sein, die "Depositeneinzahlung" zu leisten. Die Beschwerdeführerin hat einen Betrag in Höhe von 7.500,00 DM auf das Konto des Angeschuldigten H. H. Konto-Nr. 514067-104 beim Postgiroamt Berlin eingezahlt.
U.a. auf einem bei der Postbank Dortmund eingerichteten Konto, dessen Inhaberin Ida Dümpelmann und für das der Angeschuldigte B. mitverfügungsberechtigt ist, wurde ein Guthaben ermittelt, das die Staatsanwaltschaft Münster - bestätigt durch Beschuß des Amtsgerichts Münster vom 22.12.1993 (23 Gs 3691/93) - gemäß §§ 111 b Abs. 4, 111 c StPO zum Zwecke der "Zurückgewinnungshilfe" beschlagnahmt hat. Mit Pfändungsbeschluß vom 21.09.1994 hat die Staatsanwaltschaft Münster die Forderungen der I. D. und des Angeschuldigten B. aus Guthaben und Kontokorrent des genannten Kontos gepfändet.
Die Beschwerdeführerin hat gegen den Angeschuldigten B. wegen der von ihr geleisteten Einzahlung einen Arrestbefehl des Amtsgerichts Münster vom 26.08.1998 - 6 C 1587/98 - über eine Hauptforderung in Höhe von 7.500,00 DM nebst 4% Zinsen seit dem 01.09.1993 sowie über veranschlagte Kosten in Höhe von 1.900,00 DM erwirkt. Sie hat sodann beantragt, in diesem Umfang die Zwangsvollstreckung in das beschlagnahmte Konto Nr. 384887-461 bei der Postbank Dortmund zuzulassen. Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Landgericht Münster diesen Antrag zurückgewiesen. Es hat die Entscheidung damit begründet, die Beschwerdeführerin dürfe deshalb nicht auf dieses Konto zugreifen, weil ihre Einzahlung nicht auf dieses Konto, sondern auf das genannte Konto des Angeschuldigten H. geflossen sei. Zwar habe die Beschwerdeführerin glaubhaft gemacht, daß der Angeschuldigte B. auch von dieser Einzahlung profitiert habe, weil er seinen Anteil daran in Höhe von 2.500,00 DM - wie auch in anderen Fällen - mit dem Angeschuldigten H. verrechnet habe. Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis könne aber nicht davon ausgegangen werden, daß der Angeschuldigte B. die auf diesem Konto gutgebrachten Beträge mit anderen Einkünften vermischt habe, so daß das vorhandene Geld insgesamt entweder aus direkten Einzahlungen von Kunden oder aus Überweisungen der als Untervermittler tätigen Mitangeschuldigten Werth und Uhlig stamme. In einem solchen Fall sei das sichergestellte Geld an diejenigen Geschädigten zurückzuzahlen, die tatsächlich auf dieses Konto eingezahlt hätten, was sich daraus ergebe, daß die Beschlagnahme zum Zwecke der "Zurückgewinnungshilfe" erfolgt sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft teilt die Ansicht der Strafkammer, daß eine derartige Rückabwicklung erfolgen müsse. Demgemäß hat sie beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
Der Angeschuldigte B. hat sich nicht geäußert.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Verletzten A.K. hat Erfolg. Ihrem Antrag auf Zulassung der Zwangsvollstreckung war antragsgemäß stattzugeben.
Die Entscheidung, ob die Zwangsvollstreckung eines Verletzten zuzulassen ist, richtet sich nach § 111 g Abs. 2 Satz 3 StPO. Danach ist die Zulassung zu versagen, wenn der Verletzte nicht glaubhaft macht, daß der Anspruch aus der Straftat erwachsen ist.
Eine Zulassung der Zwangsvollstreckung setzt somit entgegen der Ansicht des Landgerichts nur voraus, daß der Antragsteller "Verletzter" ist und der Anspruch unmittelbar aus der Tat in Gestalt z.B. eines Herausgabe-, Bereicherungs- oder Schadensersatzanspruchs entstanden ist (Löwe-Rosenberg-Schäfer, StPO, 24. Auflage, § 111 b Rdnr. 48; SK-Rudolphi, StPO, § 111 g Rdnr. 4). Dementsprechend ist im Zulassungsverfahren nur zu prüfen, ob der titulierte Anspruch aus derjenigen Tat erwachsen ist, die Anlaß zur Beschlagnahme gewesen ist (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Auflage, § 111 g Rdnr. 3; BT-Drucksache 7/550, Seite 294). Dabei ist der Begriff der "Straftat" des § 111 g Abs. 2 Satz 2 StPO im Sinne der strafprozessualen Tat (§ 264 StPO) zu verstehen. Diese Sichtweise entspricht der Auslegung des Begriffs der "Tat" in der korrespondierenden Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB, nach der eine Abschöpfung illegitim erlangter Vermögensvorteile zugunsten der Staatskasse unzulässig ist, soweit dies die Realisierung von Ansprüchen der Verletzten mindern oder beseitigen würde, die diesen unmittelbar aus der Tat erwachsen sind (LK-Schäfer, StGB, 10. Auflage, § 73 Rdnr. 22; LG Berlin, NStZ 1991, 437, 438). Diese Auslegung wird zudem auch dem Sinn und Zweck der §§ 111 b ff. StPO gerecht, wonach dem Grundgedanken des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB folgend die vorrangige Befriedigung aus der Tat erwachsener Ansprüche von Verletzten durch einen frühen Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf Vermögensgegenstände der Beschuldigten gesichert werden soll (vgl. BT-Drucksache, 7/550, Seite 291 f.). Da im Zeitpunkt der Anordnung der Beschlagnahme nach § 111 b StPO die Geschädigten keineswegs feststehen müssen und oft auch nicht feststehen werden, erscheint allein sachgerecht, daß die Beschlagnahme zugunsten aller durch die prozessuale Tat Geschädigter wirkt.
Dies zugrundelegend hat die Beschwerdeführerin die Zulassung der Zwangsvollstreckung in das Konto Nr. 384887-461 bei der Postbank Dortmund (Kontoinhaberin Ida Dümpelmann, Verfügungsberechtigter E. B.) zu Recht verlangt, denn sie ist durch dieselbe Tat im prozessualen Sinne verletzt worden, die zur Beschlagnahme u.a. auch dieses Kontos geführt hat. Zur Tat in Sinne des § 264 StPO gehört das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach natürlicher Auffassung einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Auflage, § 264 Rdnr. 2 m.w.N.). Die den Angeschuldigten H. und B. zur Last gelegten Betrugstaten, die auf dem gemeinsamen Tatplan beruhen, stellen sich als solcher einheitlicher Lebensvorgang dar.
Soweit das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung darauf abgestellt hat, aus dem Umstand, daß die Beschlagnahme zum Zwecke der "Zurückgewinnungshilfe" erfolgt sei, ergebe sich, daß nur oder möglicherweise zumindest vorrangig die konkreten Personen Zugriff auf den sichergestellten Betrag haben müßten, die Einzahlungen auf das sichergestellte Konto vorgenommen haben, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Eine derartige Beschränkung ist weder dem Gesetz zu entnehmen, noch wird sie dem Sinn und Zweck der Regelung der §§ 111 b ff. StPO gerecht.
Die nach Ansicht des Landgerichts vorzunehmende nahezu "dingliche" Rückabwicklung begegnet vorliegend schon deshalb durchgreifenden Bedenken, weil die einzelnen Einzahlungen auf ein bestimmtes Konto ihre rechtliche Selbständigkeit und vor allem aber ihre Unterscheidbarkeit im Augenblick der Buchung verlieren. So wird unter Zugrundelegung der Rechtsansicht des Landgerichts die Situation nahezu unlösbar, in der von einem derartigen Konto Abbuchungen oder Abhebungen erfolgt sind. Gerade in Verfahren wie dem vorliegenden mit einer Vielzahl von aufgrund einer Tat (im prozessualen Sinne) geschädigten Personen zeigt sich vielmehr, daß dieser Sichtweise nicht zu folgen ist. Bei Verwendung mehrerer Konten, auf die die Geschädigten Einzahlungen vorgenommen haben, dürfte es im Regelfall dem Zufall überlassen sein, auf welchem Konto Zugriffsmasse sichergestellt werden kann. Insoweit erscheint es schon nicht sachgerecht, bestimmte Geschädigte von der Möglichkeit auszunehmen, ihre Rechte durch Stellung von Anträgen auf Zulassung der Zwangsvollstreckung zu wahren. Die gesetzliche Ausgestaltung des insoweit vorgeschriebenen Verfahrens, insbesondere die Mitteilungspflichten nach § 111 e Abs. 3, 4 StPO und das Erfordernis des Antrags auf Zulassung der Zwangsvollstreckung gemäß § 111 g Abs. 2 StPO, zeigt, daß sich die Zugriffsmöglichkeit auf den beschlagnahmten Vermögenswert nach dem gesetzgeberischen Willen allein danach richtet, wer aufgrund der Zulassungsentscheidung zeitlich vorrangig seine Rechte durchgesetzt hat.
Die vom Landgericht angenommene Sichtweise berücksichtigt zudem nicht, daß von der Beschlagnahme gemäß § 111 b StPO auch Schadensersatzansprüche erfaßt werden können, die sich nicht aus Straftaten gegen das Vermögen ergeben, also z.B. aufgrund von Körperverletzungshandlungen geltend gemacht werden (vgl. LK-Schäfer, StGB, 10. Auflage, § 73 Rdnr. 22). Konkurrieren jedoch derartige Schadensersatzansprüche wegen Beeinträchtigung der körperlichen Integrität bei einer Tat (im prozessualen Sinne) mit solchen der vorliegenden Art, zeigt sich in besonderem Maße, daß der vom Landgericht vorgenommenen Begrenzung der Anspruchsberechtigten auf die tatsächlichen Einzahler nicht zu folgen ist.
Zudem lassen sich Fälle, in denen der Verbleib von betrügerisch erlangtem Geld nicht mehr konkret nachvollzogen werden kann, mit der vom Landgericht vertretenen Ansicht ebenfalls nicht überzeugend und in sich stimmig lösen. In einem derartigen Fall müßte entweder die Zwangsvollstreckung einzelner Geschädigter überhaupt nicht, oder aber generell zugelassen werden. Die erste Möglichkeit läuft der gesetzgeberischen Intention zuwider, die zweite steht im Widerspruch zur eigenen Sichtweise des Landgerichts.
Schließlich ist nach Ansicht des Senats der nahezu dinglichen Sichtweise des angefochtenen Beschlusses auch deshalb nicht zu folgen, weil anerkannt ist, daß auch wegen der Verfahrenskosten, die durch die Beibringung eines Titels im Verfahren nach § 111 g Abs. 2 StPO entstanden sind, die Zwangsvollstreckung zugelassen werden kann (OLG Düsseldorf, NStE Nr. 1 zu § 111 g StPO; SK-Rudolphi, StPO, § 111 g Rdnr. 3; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Auflage, § 111 g Rdnr. 2). Dieses zeigt, daß nicht darauf abgestellt werden darf, daß der jeweilige Einzahler "sein" Geld wiedererlangen soll, da durch die Erstreckung auch auf Kosten der Rechtsverfolgung notwendigerweise auch Zugriff auf von anderen Geschädigten eingezahlte Beträge genommen werden muß.
III. Da die Beschwerdeführerin mit ihrem Rechtsmittel in diesem Nebenverfahren Erfolg hatte, hat die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin zu tragen (§§ 465, 467 StPO).


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