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RVG Entscheidungen

§ 51

Pauschgebühr, Aktenumfang, erheblicher, Wahlanwaltshöchstgebühr

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Nürnberg, Beschl. v. 10.05.2011 -1 AR 15/11

Fundstellen:

Leitsatz: Zur Zuerkennung der Wahlanwaltshöchstgebühr in einem Verfahren mit einem Aktenumfang von über 3.900 Seiten zuzüglich drei Bände Beweismittelakten.


1 ARs 15/11
In der Strafsache
gegen pp.
wegen banden- und gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern hier: Pauschvergütungsantrag des Rechtsanwalts
erlässt der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg nach Anhörung der Be-zirksrevisorin bei dem Oberlandesgericht Nürnberg folgenden
Beschluss
I.Rechtsanwalt X. wird für seine Tätigkeit als Pflicht-
verteidiger des Angeklagten im Strafverfahren vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth eine Pauschvergütung von 1.462,50 €
bewilligt. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen
Gründe:
I.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 8.6.2004 wurde der Antragsteller als Pflichtverteidiger des Angeklagten bestellt. Nach Abschluss des Verfahrens, wonach dasselbe bezüglich des Angeklagten mit Beschluss des Landgerichts Nürnberg- Fürth vom 17.12.2010 gemäß § 153 StPO eingestellt wurde, beantragte der An-tragsteller mit Schriftsatz vom 22.12.2010, ihm eine Pauschvergütung in Höhe von 4.000,00 € (und weitere Auslagen) nebst Zinsen ab Eingang des Antrags bei Gericht in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz pro Jahr zu bewilligen. Dies sei angesichts der umfangreichen Tätigkeit im Ermittlungs- und Strafverfahren über sechseinhalb Jahre hinweg gerechtfertigt. Es seien geschätzte 250 Arbeitsstunden angefallen, wobei über 4.000 Seiten Ermittlungsakten durchzuarbeiten gewesen sei-en, mehrere Besuche des Angeklagten und Begleitung bei Vernehmungen erforder-lich gewesen seien. Auch habe es sich um schwierige Rechtsfragen gehandelt.

Die Bezirksrevisorin beim Oberlandesgericht Nürnberg hat zu diesem Antrag unter dem 28.4.2011 Stellung genommen. Sie sieht ein Verfahren, bei dem aufgrund des Aktenumfangs (über 3.900 Seiten Aktenumfang zuzüglich drei Bände Beweismittel-akten bis zur Verfahrenseinstellung) und der geleisteten Tätigkeit des Anwalts eine Anhebung der Gebühren für Vorverfahren und Hauptverfahren auf die für den Wahl-verteidiger geltenden Höchstgebühren für angemessen, aber auch ausreichend an.

Der Antragsteller trat im Schriftsatz vom 4.5.2011 dieser Stellungnahme entgegen und wendet ein, eine finanzielle Absicherung seiner Tätigkeit als unabhängiges Or-gan der Rechtspflege sei hierdurch nicht möglich. Ein von Wahlverteidigern in ver-gleichbaren Fällen vereinbartes Honorar entspräche sicherlich mindestens dem be-gehrten Pauschgergütungsbetrag. Es liege hier ein extremer Sonderfall vor, der eine höhere Gebühr als die Wahlverteidigergebühren angemessen erscheinen lasse. We-gen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Schriftsätze des An-tragstellers vom 22.12.2010 und vom 4.5.2011 Bezug genommen.

II.
Die Pauschvergütung für die Tätigkeit des Antragstellers war auf 1.462,50 € festzusetzen. Eine darüber hinausgehende Vergütung ist nicht gerechtfertigt.
1. Gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 RVG ist einem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt auf Antrag dann eine über die Gebühr nach dem Vergütungsverzeichnis hinausgehende Pauschgebühr zu bewilligen, wenn die dort in den Teilen 4-6 bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfanges oder wegen der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar seien. Die Zumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren ist, entsprechend der bisherigen Praxis zu § 99 BRAGO, am Durchschnittsmaß gleichartiger Verfahren hinsichtlich Umfang und Schwierigkeit zu messen, wobei hier Verfahren als Vergleichsmaßstab heranzuziehen sind, die vor dem Landgericht stattfinden.
2.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zum besonderen Umfang und zur besonderen Schwierigkeit einer Sache, an der abzuweichen kein Anlass besteht, muss die Tätigkeit des Verteidigers das Durchschnittsmaß der in Frage kommenden Verfahrenstatbestände des Gebührenverzeichnisses erheblich überschreiten. Es ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, wobei beispielsweise die Blattzahl der Akten (Umfang des Verfahrens) bis zum Beginn der Hauptverhandlung, die Gesamtdauer und die Intensität des Verfahrens, besondere Schwierigkeiten in der Person des Vertretenen sowie die Bedeutung der Sache für ihn, die Würdigung umfangreicher und komplexer Sachverständigengutachten, aber auch der Gesichtspunkt der Kompensation zu berücksichtigen sein werden; eine Schematisierung der nach Billigkeitserwägungen festzusetzenden Pauschvergütung ist nicht zulässig (vgl. Hartmann, Kostengesetze 36. Aufl. RVG § 51 Rdn. 7 m.w.N.9:

3. Die Gesamtabwägung führt vorliegend dazu, dass die Angelegenheit als besonders umfangreich und schwierig einzustufen ist. Der Ansatz der Festgebühren ist deswegen unzumutbar.

Angesichts des erheblichen Aktenumfangs von über 3.900 Seiten zuzüglich drei Bänden Beweismittelakten, und der erheblichen Gesamtdauer des Verfahrens von über sechs Jahren, liegt hier ein besonderer Umfang des Verfah-4-
rens und auch eine besonders umfangreiche Tätigkeit des Pflichtverteidigers fraglos vor. Deswegen waren die Gebühren angemessen zu erhöhen.
Jedoch stellen die Wahlverteidigerhöchstgebühren nach der ständigen Recht-sprechung des Oberlandesgerichts Nürnberg die Obergrenze eine möglichen Pauschgebühr dar (vgl. 1. Strafsenat des OLG Nürnberg, Beschluss vom 3.7.2009 – 1 ARs 22/09; Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl. RVG § 51 Rdn. 11, Stichwort „Höchstgebühr“). Diese kann nur in Ausnahmefällen überschritten werden, was insbesondere dann anzunehmen sein wird, wenn der Verteidiger seine Arbeitskraft über einen gewissen Zeitraum diesem Mandat ganz oder fast vollständig widmen muss (vgl. OLG Hamm JurBüro 99, 134). Derartiges aber ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers nicht ersichtlich.
Der von der Bezirksrevisorin bei dem Oberlandesgericht Nürnberg in ihrer Stellungnahme vorgeschlagene Ansatz, der die Gewährung von Wahlverteidi-gerhöchstgebühren vorsieht, ist somit angemessen und nicht „ein Schlag ins Gesicht der Rechtsanwaltschaft“. Eine Vergütung unter Berücksichtigung eines bestimmten Durchschnittslohnes sieht das Gebührenrecht ebenso wenig vor, wie eine Verzinsung, die im Antrag enthalten ist. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Pauschvergütung nicht kostendeckend sein muss, sondern nur das dem Pflichtverteidiger auferlegte Opfer mildern soll. Das ist hier der Fall.

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