Gericht / Entscheidungsdatum: LG Osnabrück, Beschl. v. 25.02.2011 - 6 Ks 5/09
Eigener Leitsatz: Die Beiordnung als Pflichtverteidiger erstreckt sich gebührenrechtlich nicht automatisch auf die vom Verteidiger für den Angeklagten im Adhäsionsverfahren erbrachten Tätigkeiten.
Eine für den Verteidiger nicht absehbar längere Unterbrechung der Hauptverhandlung ist bei der für die Gewährung des Längenzuschlags maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer nicht abzusetzen.
In pp.
werden die Erinnerungen der Landeskasse gegen die Festsetzungen der Pflichtverteidigervergütungen der Rechtsanwälte XX. vom 07.01.2011 verworfen.
Die Erinnerung des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt Y. gegen die Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung vom 07.01.2011 wird verworfen.
Gründe:
I.
Durch die angefochtenen Festsetzungen gemäß § 55 RVG (Bl. 149 und 153 Band V d. A.), auf die Bezug genommen wird, hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die an Rechtsanwalt X. für das Verfahren zu zahlende Vergütung auf insgesamt 2.494,72 und die an Rechtsanwalt Y. zu zahlende Vergütung auf insgesamt 2.518,64 festgesetzt. Rechtsanwalt X. war seinem Mandanten am 18.05.2010 (Bl. 224 Band IV d. A.), Rechtsanwalt Y. seinem Mandanten am 13.12.2010 (Bl. 66 Band V d. A.) beigeordnet worden. Gegen die Festsetzung hat Rechtsanwalt Y. mit Schriftsatz vom 18.01.2011 einen als Beschwerde bezeichneten Rechtbehelf eingelegt, der als Erinnerung gemäß § 56 Abs. 1 RVG anzusehen ist und auf dessen Begründung (Bl. 173 Band V d. A.) verwiesen wird. Er wendet sich gegen die Absetzung der Gebühr für Verfahren über vermögensrechtliche Ansprüche des Verletzten (Nr. 4143 VV RVG). Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Bl. 173 Band V d. A.).
Die Erinnerung ist dem Bezirksrevisor beim Landgericht Osnabrück zur Stellungnahme vorgelegt worden, woraufhin unter dem 24.01.2011 seitens der Landeskasse Erinnerungen gegen die Festsetzungen der Gebühren beider Pflichtverteidiger eingelegt wurden (Bl. 182 und Bl. 184 f. Band V d. A.). Die Erinnerungen richten sich jeweils gegen die Festsetzung einer Zusatzgebühr gemäß Nr. 4122 VV RVG ("der gerichtlich bestellte oder beigeordnete Rechtsanwalt nimmt mehr als 5 und bis 8 Stunden an der Hauptverhandlung teil") in Höhe von 178,00 für die Teilnahme am Hauptverhandlungstermin am 13.12.2010. Auch diesbezüglich hat die Urkundsbeamtin den Erinnerungen nicht abgeholfen (Bl. 183 und 185 Band V d. A.).
II.
Die Erinnerungen sind zulässig, haben aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Soweit sich die Erinnerung des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt Y. gegen die Absetzung der Gebühr für Verfahren über vermögensrechtliche Ansprüche des Verletzten wendet, hat die Urkundsbeamtin die zu zahlenden Gebühren zutreffend festgesetzt. Die Voraussetzungen für die Festsetzung der beantragten Gebühr nach Nr. 4143 VV RVG liegen nicht vor. Der Pflichtverteidiger Rechtsanwalt Y. hat in der Hauptverhandlung am 22.12.2010 zwar beantragt, seine Beiordnung auch auf das Adhäsionsverfahren zu erstrecken (Bl. 82 V d. A.), der Antrag ist jedoch mit Beschluss der Kammer vom selben Tage abgelehnt worden, weil die Voraussetzungen des § 404 Abs. 5 StPO nicht gegeben waren (Bl. 83 V d. A.).
Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob es wegen der engen tatsächlichen und rechtlichen Verbindung zwischen der Verteidigung des Angeklagten gegen die ihm vorgeworfene Straftat und der Abwehr der auf diese Straftat gestützten zivilrechtlichen Ersatz- oder Schmerzensgeldansprüche des Verletzten einer gesonderten Bestellung des Pflichtverteidigers für das Adhäsionsverfahren bedarf, in seiner Entscheidung vom 30.03.2001 - 3 StR 25/01 - ausdrücklich offen gelassen (NJW 2001, 2486). Die Kammer vertritt die Ansicht, dass die Beiordnung als Pflichtverteidigers gemäß §§ 140, 141 StPO die Befugnis des Verteidigers zur Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren nicht automatisch umfasst. Die Gebühr nach Nr. 4143 VV RVG fällt an, wenn der Rechtsanwalt zur Geltendmachung oder Abwehr vermögensrechtlicher Ansprüche des Verletzten im Strafverfahren tätig wird, und entsteht unabhängig davon, ob der Rechtsanwalt als Wahl- oder Pflichtverteidiger tätig wird. Mithin wird ausschließlich geregelt, durch welche Tätigkeit die Gebühr ausgelöst wird, nicht aber, wer sie dem Rechtsanwalt schuldet, so dass zunächst einmal der Auftraggeber Schuldner der Rechtsanwaltsvergütung ist (§ 10 RVG). Die systematische Stellung der Vergütungsvorschrift im Unterabschnitt 5 "Zusätzliche Gebühren" und die Formulierung in der Entwurfsbegründung zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz lassen die Auslegung zu, der Gesetzgeber habe damit lediglich zum Ausdruck bringen wollen, eine Tätigkeit des Pflichtverteidigers im Adhäsionsverfahren solle jedenfalls nicht durch die (allgemeine) Pflichtverteidigervergütung für seine Tätigkeit im Strafverfahren abgegolten sein (vgl. Beschluss des OLG Celle vom 06.11.2007 - 2 Ws 143/07 - m. w. N.).
2. Auch soweit sich die Landeskasse gegen die Festsetzung jeweils einer Zusatzgebühr gemäß Nr. 4122 VV RVG richtet, haben die Erinnerungen keinen Erfolg. Die Hauptverhandlung am 13.12.2010 begann um 09.08 Uhr und endete um 15.24 Uhr (Bl. 65 Band V d. A.), so dass sich abzüglich der Mittagspause zwischen 12.54 Uhr und 14.02 Uhr eine Verhandlungsdauer von fünf Stunden und acht Minuten ergibt. Die weitere längere Unterbrechung zwischen 10.56 Uhr und 12.09 Uhr ergab sich durch das umfassende und zügige Einlassungsverhalten der Angeklagten, war mithin nicht vorhersehbar und kann nicht in Abzug gebracht werden.
III.
Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
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