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Verfahrensgebühr, Ordnung des Gerichts, zusätzliche Gebühr
Gericht / Entscheidungsdatum: LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 02.09.2010 - 2 Qs 72/10
Leitsatz: 1. Die zusätzliche Gebühr Nr. 4141 VV RVG entsteht nicht, wenn das zunächst mit der Sache befasste Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens infolge der anwaltlichen Mitwirkung teilweise ablehnt und den verbleibenden Anklagevorwurf gem. § 209 Abs. 1 StPO vor dem dann zuständigen Amtsgericht eröffnet. 2. Lehnt das zunächst mit der Sache befasste Landgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens teilweise ab und eröffnet den verbleibenden Anklagevorwurf vor dem dann zuständigen Amtsgericht, entsteht die Verfahrensgebühr des Verteidigers der Höhe nach aus dem Gebührenrahmen des Landgerichts (Nr. 4112 VV RVG) als dem höchsten mit der Sache befassten Gericht.
In dem Strafverfahren gegen pp. wegen Verbreitung von Kinderpornographie hier: Sofortige Beschwerde gegen Zurückweisung der beantragten Kostenfestsetzung gegen die Staatskasse hat die 2. Strafkammer des Landgerichts Bad Kreuznach durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht , die Richterin am Landgericht und die Richterin am 02.09.2010 beschlossen: Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten werden die nach dem Beschluss des Landgerichts Bad Kreuznach vom 21.04.2009 von der Staatskasse an den Verurteilten zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 95,20 festgesetzt. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte, jedoch werden die Gebühren für das Beschwerdeverfahren um 25% ermäßigt. Die notwendigen Auslagen des Verurteilten im Beschwerdeverfahren werden zu 25% der Staatskasse auferlegt. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 368,90 festgesetzt. Gründe: Am 11.07.2008 erhob die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht - 2. große Strafkammer - Bad Kreuznach Anklage gegen X wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tatmehrheit mit sexuellem Missbrauch einer Jugendlichen, mit Sich-Verschaffen kinderpornographischer Schriften, mit Besitz kinderpornographischer Schriften und mit sexuellem Missbrauch einer widerstandsunfähigen Person. Nachdem im Zwischenverfahren aussagepsychologische Gutachten zur Frage der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeuginnen S. A., D. A. und C. H. eingeholt worden waren, hat die Kammer mit Beschluss vom 21.04.2009 die Anklage der Staatsanwaltschaft vom 11.07.2008 zur Hauptverhandlung nur zugelassen, soweit dem damaligen Angeklagten ein Fall des Sich-Verschaffens kinderpornographischer Schriften, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben, zur Last gelegt worden ist und insoweit das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht - Strafrichter - Bad Kreuznach eröffnet. Im Übrigen, soweit dem damaligen Angeschuldigten in drei Fällen sexueller Missbrauch vorgeworfen worden war, hat die Kammer die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt und im Umfang der Ablehnung der Eröffnung die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des damaligen Angeschuldigten der Staatskasse auferlegt. Zur Begründung führte die Kammer im Wesentlichen aus, dass nachdem X zwar den Erwerb und den Besitz von kinderpornographischen Schriften einräume, die gegen ihn erhobenen Missbrauchsvorwürfe jedoch abstreite, es nicht möglich sein werde, den damaligen Angeschuldigten was die Missbrauchsvorwürfe angehe im Sinne der Anklage zu überführen. Es fehle nämlich an zureichenden Beweismitteln, die die Anklagevorwürfe mit der erforderlichen Sicherheit zu belegen geeignet wären. Aus den eingeholten aussagepsychologischen Gutachten ergebe sich gerade, dass die Glaubhaftigkeit der Aussagen der beiden mutmaßlichen Tatopfer sowie der weiteren Zeugin gravierenden Bedenken ausgesetzt und mithin ein hinreichender Tatverdacht nicht zu bejahen sei. Mit Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Bad Kreuznach vom 30.11.2009 ist X schließlich wegen sich Verschaffens in Tateinheit mit Besitz von kinderpornographischen Schriften zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen à 10,00 kostenpflichtig verurteilt worden. Nachdem der Verteidiger des Verurteilten bereits zwei anderslautende Anträge auf Festsetzung der dem Verurteilten entstandenen Auslagen gegen die Staatskasse zurückgenommen hatte, beantragte er mit Schreiben vom 18.03.2010 schließlich, betreffend die Kosten der Ablehnung der Eröffnung des Verfahrens, die dem Verurteilten entstandenen Auslagen wie folgt gegen die Staatskasse festzusetzen: Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG 165,-- Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG 140,-- Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG 140,-- Zusätzl. Gebühr Nr. 4141 VV RVG 140,-- Auslagenpauschale 20,-- 19% MWSt. 114,95 Gesamtbetrag: 719,95 Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Bad Kreuznach hat hierzu ausgeführt: Der Verteidiger, Rechtsanwalt L., hat bereits in seinem Kostenantrag vom 02.07.2009 für die Verteidigung gegen alle Anklagepunkte die jeweiligen Mittelgebühren angesetzt. Unter Berücksichtigung aller Bemessenskriterien des § 14 Abs. 1 RVG, habe ich, gegen den durchgängigen Ansatz von Mittelgebühren für die Gesamtverteidigung, keine Bedenken. Hätte sich die Verteidigung nur auf den Strafvorwurf beschränkt, bezüglich dessen das Hauptverfahren gegen den Angeklagten eröffnet wurde, wären auch die jeweiligen Mittelgebühren angefallen, sodass die Vergütung des Verteidigers gleich hoch ist. Da die Auslagen des Verteidigers ebenfalls nicht geringer gewesen wären, ist eine erstattungsfähige Differenz derzeit nicht vorhanden. (..) Eine Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV RVG ist nicht entstanden. Die Gebühr wäre bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen möglicherweise angefallen, wenn das gesamte Verfahren unter Mitwirkung des Verteidigers ohne Hauptverhandlung geendet hätte. Vorliegend ist jedoch die Eröffnung des Hauptverfahrens nur wegen eines Teils der Anklage angelehnt worden, im Übrigen hat eine Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht stattgefunden. Der Gebührentatbestand VV RVG 4141 ist daher nicht verwirklicht worden. (...). Mit Beschluss vom 29.06.2010 hat die zuständige Rechtspflegerin beim Amtsgericht Bad Kreuznach den Antrag auf Kostenfestsetzung vom 18.03.2010 zurückgewiesen, da ein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse nicht gegeben sei. Nach der sog. Differenztheorie ausscheidbare Mehrkosten seien durch die Anklageerhebung im Verhältnis zur späteren Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht nicht entstanden. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde vom 06.07.2010. Nach der Differenztheorie seien folgende ausscheidbaren Auslagen zu erstatten, die allein auf den eingestellten Teil der landgerichtlichen Entscheidung zurückzuführen seien: Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV RVG 155,-- Erledigungsgebühr Nr. 4141 VV RVG 155,-- 19% MWSt. 58,90 Gesamtbetrag: 368,90 Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist gegen die Festsetzungsentscheidung des Rechtspflegers des Gerichts des ersten Rechtszuges über § 464b S. 3 StPO i. V. m. §§ 103 Abs. 2, 104 Abs. 1 ZPO i. V. m. §§ 21 Nr. 1, 11 Abs. 1 RPflG die sofortige Beschwerde statthaft, die nach herrschender Auffassung geltende einwöchige Beschwerdefrist (vgl. OLG Koblenz in NJW 2005, 917 f, a. A. -Zwei-Wochen-Frist der ZPO- OLG Düsseldorf in StraFo 2005, 349) ist eingehalten. Die Kammer hat als Beschwerdegericht über die sofortige Beschwerde in der grundsätzlich in Strafverfahren vorgeschriebenen Dreierbesetzung zu entscheiden. Zwar wird teilweise vertreten, dass über den Verweis auf die Vorschriften der ZPO in § 464b S. 3 StPO in Beschwerdeverfahren im Rahmen der Kostenfestsetzung gemäß § 568 Abs. 1 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden habe (so OLG Rostock in JurBüro 2009, 541, 542; OLG Hamm, Beschluss vom 17.04.2007, Az.: 4 Ws 97/07). Mit der herrschenden Auffassung (vgl. nur Meyer-Goßner, Kommentar zur StPO, 53. Auflage, § 464b Rn. 7, m. w. N.) ist jedoch von einer Entscheidung durch das auch ansonsten übliche Dreiergremium bei dem Beschwerdegericht auszugehen. Zum einen sind die Vorschriften der ZPO auch nach dem Verweis in § 464b S. 3 StPO nur entsprechend anzuwenden, weswegen sie nur dort zur Anwendung gelangen können, wo sie strafprozessualen Prinzipien nicht widersprechen (vgl. BGH in NJW 2003, 763). Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist der StPO indes fremd. Dass auch der Gesetzgeber daran nichts grundlegend ändern wollte, kommt bereits darin zum Ausdruck, dass er bei Schaffung des RVG eine Zuständigkeit des Einzelrichters beispielsweise in § 33 Abs. 8 RVG ausdrücklich gesetzlich geregelt hat, ohne aber eine umfassendere Regelung aufzunehmen, die zur Zuständigkeit des Einzelrichters führt. Insbesondere ist für das strafprozessuale Kostenfestsetzungsverfahren keine entsprechende Regelung aufgenommen worden. Daraus aber muss geschlossen werden, dass der Gesetzgeber an der grundsätzlichen Zuständigkeit des Beschwerdegerichts in Dreierbesetzung gerade nichts ändern wollte. In der Sache hat die sofortige Beschwerde teilweise Erfolg. In Höhe von 95,20 sind dem Verurteilten notwendige Auslagen entstanden, die auf der Grundlage der Kostengrundentscheidung der Kammer mit Beschluss vom 21.04.2009 als im Umfang der Ablehnung der Eröffnung angefallene Auslagen gegen die Staatskasse festzusetzen sind. Zur Berechnung dieser festzusetzenden Auslagen ist die sog. Differenztheorie heranzuziehen, nach der sich im Falle einer Teileröffnung (vergleichbar mit einem Teilfreispruch des Angeklagten) der erstattungsfähige Teil der für die Gesamtverteidigung entstandenen Vergütung aus der Differenz zwischen dem für die Verteidigung gegen alle Anklagepunkte erwachsenen Gesamthonorar und dem -fiktiv anzunehmenden- Honorar ergibt, das entstanden wäre, wenn sich die Verteidigung nur auf diejenigen Vorwürfe beschränkt hätte, bezüglich derer das Hauptverfahren eröffnet worden ist und die letztlich zur Verurteilung führten. Die Differenzbetrachtung muss anhand der einzelnen geltend gemachten Gebühren gesondert bewertet werden. Im Rahmen der Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG, die der Verteidiger hinsichtlich des gesamten Verfahrens mit 165,-- angesetzt hat, führt die Anwendung der Differenztheorie zu ausscheidbaren und damit erstattbaren Mehrkosten in Höhe von 65,-- . Wie auch der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Bad Kreuznach zutreffend ausgeführt hat, ist der Ansatz der Mittelgebühr für die Gesamtverteidigung nach den Grundsätzen des § 14 RVG angemessen. In der Sache ging es insgesamt neben dem Vorwurf des Besitzes kinderpornographischer Schriften auch um drei Missbrauchsvorwürfe an Kindern und Jugendlichen, die eine aus Anwaltssicht jedenfalls durchschnittliche Einarbeitung erforderlich machte. Vergleicht man diese Gesamtverteidigung jedoch mit dem hypothetischen Fall, dass sich der Verurteilte mithilfe seines Verteidigers lediglich gegen den letztlich vor dem Amtsgericht verhandelten Tatvorwurf des Sich-Verschaffens und tateinheitlichen Besitzes kinderpornographischer Schriften hätte verteidigen müssen, erscheint hierfür der Ansatz der Mittelgebühr nicht gerechtfertigt. Bei dem letztlich verhandelten Tatvorwurf handelte es sich um einen einfach gelagerten Sachverhalt, den der Verurteilte eingeräumt hat und der eine umfangreiche Beweisaufnahme nicht erforderlich machte. Auch die Einarbeitung in einen solchen, vor dem Strafrichter bei dem Amtsgericht verhandelten, Fall, stellt eine aus Anwaltssicht in Umfang und Schwierigkeitsgrad unterdurchschnittliche Tätigkeit dar, die mit einer unterhalb der Mittelgebühr bei 100,-- anzusetzende Grundgebühr angemessen abgegolten wird. Betreffend die Verfahrensgebühr führt die Differenzbetrachtung zu ausscheidbaren, erstattbaren Mehrkosten in Höhe von 15,-- . Auch hier ist den Ausführungen des Bezirksrevisors zu folgen, nach denen auch im Rahmen der Verfahrensgebühr nach Nrn. 4106ff VV RVG der Ansatz der jeweiligen Mittelgebühr angemessen ist. Eine erstattbare Gebührendifferenz ergibt sich bei einem Vergleich zwischen der angefallenen Gebühr der Gesamtverteidigung und der hypothetisch angefallenen Verfahrensgebühr, die angefallen wäre, hätte sich das Verfahren auf diejenigen Anklagepunkte beschränkt, die letztlich zur Verurteilung geführt haben, jedoch aus dem Umstand, dass die Anklage zunächst zum Landgericht erhoben worden war. Den für die Berechnung der Höhe der Verfahrensgebühr maßgeblichen Gebührenrahmen gibt vorliegend Nr. 4112 VV RVG vor, der die Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug vor der Strafkammer erfasst. Der Verteidiger hat die Verfahrensgebühr bereits vor dem Landgericht und nicht etwa erst im Rahmen des Verfahrens vor dem Amtsgericht verdient. Die Frage, welcher Gebührenrahmen bei Rangänderungen im Sinne des § 20 RVG während des laufenden Verfahrens Anwendung finden, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Zum einen wird vertreten, es komme grundsätzlich auf dasjenige Gericht an, bei dem letztlich die Hauptverhandlung stattfinde, solange vor und nach der Rangänderung über ein- und denselben Prozessstoff zu verhandeln sei und sich mithin die Anrufung des ursprünglichen Gerichts nachträglich als fehlerhafte Einschätzung durch die Staatsanwaltschaft herausstelle (vgl. Kotz in BeckOK, Vorb. 4, Rn. 56). Demgegenüber vertritt die Gegenmeinung den Standpunkt, die Verfahrensgebühr entstehe in einem solchen Fall der Höhe nach aus dem Gebührenrahmen des höchsten jeweils mit der Sache befassten Gerichts (vgl. Gerold/Schmidt-Burhoff, Kommentar zum RVG, 19. Auflage 2010, Vorb. 4 VV, Rn. 21; OLG Düsseldorf in JurBüro 1982, 1528). Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Rechtszuges falle für die Tätigkeit des Verteidigers damit nur eine einheitliche Verfahrensgebühr an, die im Falle einer Änderung der gerichtlichen Rangordnung im Sinne des § 20 RVG außerhalb der Hauptverhandlung aus dem jeweils höheren Gebührenrahmen zu entnehmen sei. Vorliegend bedarf es einer Entscheidung des Meinungsstreits nicht. Der von Kotz dargestellte Fall, dass vor und nach der Änderung der Rangordnung über ein- und denselben Prozessstoff verhandelt werde, ist hier nämlich nicht gegeben. Vielmehr ist die Eröffnung vor dem Amtsgericht nicht aufgrund einer ursprünglichen Fehleinschätzung der Staatsanwaltschaft erfolgt, sondern aufgrund der Tatsache, dass sich im Zwischenverfahren ein hinreichender Tatverdacht lediglich hinsichtlich einer Tat bestätigt hat, die in den Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts fällt. Der Prozessstoff, über den die Kammer im Zwischenverfahren zu entscheiden hatte, deckt sich mit dem schließlich vor dem Amtsgericht zur Verurteilung führenden nicht. Dann aber führen beide Meinungen zu demselben Ergebnis. Es ist die Verfahrensgebühr ohne Weiteres bereits vor dem Landgericht angefallen. Die spätere Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Amtsgericht konnte an dem Umstand, dass die Verfahrensgebühr nach Nr. 4112 VV RVG einmal angefallen war, nichts mehr ändern. Aus dem Rechtsgedanken des § 15 Abs. 4 RVG ergibt sich der allgemeine Grundsatz, dass Gebühren, die ein Rechtsanwalt einmal verdient hat, durch Verbindung/Trennung/Verweisung/sonstige Erledigung nicht wieder verloren gehen (vgl. Gerold/Schmidt-Burhoff, a. a. O., Vorb. 4 VV, Rn. 18). Die Verfahrensgebühr fällt aber auch im Falle einer Rangänderung während des Verfahrens stets nur einmal an, denn § 20 S. 1 RVG stellt diesbezüglich klar, dass Verfahren vor einem verweisenden oder abgebenden und dem übernehmenden Gericht als ein Rechtszug zu behandeln sind. Nichts anders aber gilt im Falle der Eröffnung des Hauptverfahrens vor einem niedrigeren Gericht durch ein Gericht höherer Ordnung. Eine weitere Verfahrensgebühr vor dem Amtsgericht nach Nr. 4106 VV RVG ist damit nicht angefallen. Damit verbleibt es hinsichtlich der Gebühren für die Gesamtverteidigung bei einer Verfahrensgebühr nach Nr. 4112 VV RVG, die in Übereinstimmung mit dem Bezirksrevisor bei der gegebenen Sachlage mit der Mittelgebühr in Höhe von 155,-- zu bemessen ist. Demgegenüber ergibt eine fiktive Berechnung für den Fall, dass der letztlich zur Verurteilung führende Anklagevorwurf unmittelbar allein zur Anklage gelangt wäre, eine angemessene Verfahrensgebühr von 140,-- . Denn hätte sich der Anklagevorwurf von Anfang an darin erschöpft, dass sich der Verurteilte wegen Sich-Verschaffens in Tateinheit mit Besitz an kinderpornographischen Schriften zu verantworten gehabt hätte, so wäre die Anklage aufgrund der geringen Straferwartung von Anfang an bei dem Amtsgericht - Strafrichter - erhoben worden und wäre lediglich eine Gebühr nach Nr. 4106 VV RVG angefallen, die ebenfalls als Mittelgebühr berechnet bei 140,-- anzusetzen gewesen wäre. Der Ansatz der Mittelgebühr rechtfertigt sich dabei aus dem Umstand, dass die Verteidigung eines Angeklagten, der sich dem Vorwurf des Sich-Verschaffens kinderpornographischer Schriften ausgesetzt sieht, eine im Spektrum der Verteidigertätigkeit bei den denkbaren vor dem Amtsgericht zu verhandelnden Fällen nach Umfang und Schwierigkeit im mittleren Bereich anzusetzen ist. Anders als die sämtliche denkbaren strafrechtlichen Fallgestaltungen abdeckende Grundgebühr ist die Verfahrensgebühr bereits ihrem Gebührenrahmen nach auf die bei dem jeweiligen Gericht zu verhandelnden Fälle zugeschnitten. Eine Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV RVG ist nicht angefallen. Durch diese Gebührenziffer erhält der Rechtsanwalt eine zusätzliche Gebühr in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr, wenn durch seine Mitwirkung eine Hauptverhandlung entbehrlich wird. Damit sollen intensive und zeitaufwändige Tätigkeiten des Verteidigers, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führen, gebührenrechtlich honoriert werden (vgl. Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 4. Auflage 2009, Nrn. 4141-4147 VV, Rn. 2). Nach Abs. 1 Nr. 2 der Nr. 4141 VV RVG entsteht diese sog. Befriedungsgebühr unter anderem auch, wenn das Gericht beschließt, das Hauptverfahren nach § 204 StPO nicht zu eröffnen. Die Gebühr ist jedoch bereits nach ihrem Sinn und Zweck, nämlich durch den durch sie erhöhten Anreiz, Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen, zu einer Reduzierung der Hauptverhandlungen zu führen (vgl. BT-Drucks. 15 /1971, S. 228), nur dann verwirkt, wenn unter Mitwirkung des Verteidigers eine Hauptverhandlung insgesamt entbehrlich wird. Bei einer Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens fällt deshalb eine Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV RVG nur dann an, wenn durch die Mitwirkung des Rechtsanwaltes die Eröffnung des Hauptverfahrens insgesamt abgelehnt wird, denn nur dann wird eine Hauptverhandlung dem Gesetzeszweck entsprechend entbehrlich. Anders liegt der Fall damit, wenn nur eine Teilablehnung der Eröffnung erfolgt, im Übrigen aber eröffnet wird. Hier kommt es zu einer Hauptverhandlung, so dass die Bemühungen des Verteidigers nach der Gesetzesbegründung nicht über eine gesonderte Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG zusätzlich zu honorieren sind. Hier hat die Kammer die Eröffnung hinsichtlich der Missbrauchsvorwürfe abgelehnt, hinsichtlich des verbliebenen Vorwurfs des Sich-Verschaffens und des Besitzes von kinderpornographischen Schriften hat sie dagegen das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht eröffnet. Auch im Falle einer solchen Teileröffnung vor einem Gericht niederer Ordnung im Sinne des § 209 Abs. 1 StPO wird letztlich durch die Mühen des Verteidigers zwar eine Hauptverhandlung vor dem Landgericht, nicht aber insgesamt entbehrlich, weswegen der Gebührentatbestand der Nr. 4141 VV RVG nicht verwirklicht ist. Dieser Fall ist mit demjenigen vergleichbar, in dem die Staatsanwaltschaft das Verfahren zwar nach § 170 Abs. 2 StPO einstellt, es aber zur Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit an die Verwaltungsbehörde abgibt. Auch dann fällt eine Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV RVG nicht an (vgl. BGH NJW 2010, 1209), denn Sinn und Zweck der Vorschrift verlangen eine endgültige Einstellung "des Verfahrens", also eine Erledigung der Sache ohne ein noch folgendes Bußgeldverfahren, da Ziel der Regelung eine Verringerung der Arbeitsbelastung der Gerichte ist. Insgesamt führt die Differenzbetrachtung zu folgenden ausscheidbaren Mehrauslagen des Verurteilten: Differenz hinsichtl. der Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG 65,-- Differenz hinsichtl. der Verfahrensgebühr, Nrn. 4112, 4106 VV RVG 15,-- 19% MWSt. 15,20 Gesamtbetrag: 95,20 Entsprechend waren die Auslagen gegen die Staatskasse festzusetzen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Der Beschwerdewert bemisst sich, nachdem der Verurteilte seine sofortige Beschwerde mit Schriftsatz vom 06.07.2010 auf festzusetzende Auslagen in Höhe von 368,90 beschränkt hat, nach eben diesem Wert. Dieser stellt nach der Beschränkung die Differenz zwischen begehrter und erfolgter Festsetzung und damit die Beschwer des Verurteilten dar.
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