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Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg: Beschl. v. 17.01.2011 - 1 W 63/10
Fundstellen:
Leitsatz: Der Rechtsanwalt darf einen Vorschuss auf die ihm bereits entstandenen und die voraussichtlich noch entstehenden Gebühren und Auslagen einfordern. Die Höhe der Vorschussanforderung unterliegt dabei dem billigem Ermessen des Rechtsanwalts, wobei es keinen Grundsatz dahingehend gibt, dass die Vorschussforderung hinter der voraussichtlich endgültig entstehenden Gesamtvergütung zurückbleiben muss.
In pp. wegen Forderung hier: Kostenfestsetzungsbeschwerde Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Aschaffenburg vom 25.10.2010 - Az: 3 O 562/08 - wird zurückgewiesen. Der Beklagte zu 1) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.626,73 Euro festgesetzt. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Gründe: I. Im zugrunde liegenden Rechtsstreit hatte die Klägerin die beiden Beklagten (Sohn und Mutter) gesamtschuldnerisch aus einer behaupteten Bürgschaft in Anspruch genommen. Die Beklagten wurden zunächst gemeinsam von Rechtsanwalt Dr. K. vertreten. Dieser fertigte die Klageerwiderung und beantragte für beide Mandanten die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit Beschluss des Landgerichts vom 03.05.2010 wurde dem Antrag der Beklagten zu 2) unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. K. entsprochen (Bl. 80 R.d. A.). Zuvor hatte der gemeinsame Prozessbevollmächtigte, nachdem er den Beklagten zu 1) erfolglos zur Zahlung eines Vorschusses aufgefordert hatte, der neben den gesamten bis zu diesem Zeitpunkt bereits angefallenen Gebühren und Auslagen auch die noch nicht angefallene Terminsgebühr (Nr. 3104 VV-RVG) in voller Höhe umfasste, mit Schriftsatz vom 19.03.2010 das Mandat für den Beklagten zu 1) niedergelegt (Bl. 65 d. A.). Dieser beauftragte daraufhin Rechtsanwalt H. mit seiner Vertretung. Der neue Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1) zeigte sich mit Schriftsatz vom 07.04.2010 an (Bl. 67 d. A.) und vertrat seinen Mandanten in der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2010. Die Klägerin nahm in diesem Termin ihre Klage zurück, das Landgericht verpflichtete sie daraufhin mit Beschluss vom selben Tag zur Kostentragung. Im Rahmen des nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahrens beantragten beide Beklagtenvertreter Kostenerstattung, Rechtsanwalt Dr. K. (wg. zweier Auftraggeber) i. H. v. 1.776,43 Euro (Bl. 84-85 d. A.), Rechtsanwalt H. i. H. v. 1.626,73 Euro (Bl. 82-83 d. A.). Hiergegen wandte sich die Klägerin, die die Auffassung vertritt, dass die Beklagten allenfalls Anspruch auf Erstattung der für einen Rechtsanwalt entstandenen Kosten hätten. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25.10.2010 setzte die Rechtspflegerin bei dem Landgericht Aschaffenburg die von der Klägerin an die Beklagten als Gesamtgläubiger zu erstattenden Kosten auf 1.020,78 Euro fest. Hierbei erkannte sie die von Rechtsanwalt Dr. K. geltend gemachten Kosten i. H. v. 1.776,43 Euro als erstattungsfähig an, wovon jedoch 755,65 Euro infolge Auszahlung der Prozesskostenhilfevergütung auf die Staatskasse übergegangen seien. Nicht erstattungsfähig seien hingegen die Kosten für einen zweiten Rechtsanwalt. Die Beklagten hätten trotz gerichtlicher Aufforderung keine sachlichen Gründe benannt, die einen Anwaltswechsel erforderlich gemacht hätten. Gegen diesen, seinem Prozessbevollmächtigten am 28.10.2010 zugestellten Beschluss hat der Beklagte zu 1) mit Schriftsatz vom 11.11.2010, eingegangen am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt. Er ist auch weiterhin der Auffassung, dass die geltend gemachten Kosten in voller Höhe erstattungsfähig seien. Zum behaupteten Erfordernis des Anwaltswechsels führt er erstmals aus, dass er sich geweigert habe, eine übersetzte Gebührenvorschussnote von Rechtsanwalt Dr. K. zu begleichen, woraufhin dieser das Mandat gekündigt habe und der Beschwerdeführer gezwungen gewesen sei, mit Rechtsanwalt H. einen neuen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen. Die Rechtspflegerin bei dem Landgericht Aschaffenburg hat mit weiterem Beschluss vom 17.12.2010 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht Bamberg zur Entscheidung vorgelegt. Die Klägerin hat Zurückweisung der sofortigen Beschwerde beantragt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse der Rechtspflegerin vom 25.10.2010 (Bl. 123 - 124 d. A.) und 17.12.2010 (Bl. 133 d. A.), sowie auf die Kostenfestsetzungsanträge und die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten Bezug genommen. II. Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1) ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Rechtspflegerin des Landgerichts Aschaffenburg hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erstattung der Kosten zweier Rechtsanwälte auf Beklagtenseite zu Recht verneint. Die unterliegende Partei eines Rechtsstreits hat die dem Gegner erwachsenen Kosten insoweit zu erstatten, als sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Dabei hat sich die Beurteilung der Frage, ob aufgewandte Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die kostenauslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Eine Partei darf somit jederzeit ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte tun. Sie ist lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (BGH NJW 2003, 898; BGH VersR 2004, 352; BGH NJW-RR 2004, 1724; BGH MDR 2005, 417; BGH WM 2010, 1323). Werden - wie vorliegend - zwei einfache Streitgenossen (§§ 59, 60, 61 ZPO) verklagt, steht es grundsätzlich jedem von ihnen frei, sich von einem eigenen Anwalt vertreten zu lassen mit der Folge, dass im Falle des Obsiegens die jedem Streitgenossen entstandenen Anwaltskosten erstattungsfähig sind (vgl. BVerfG NJW 1990, 2124). Von diesem Grundsatz sind je nach den Umständen des Einzelfalles dann Ausnahmen zu machen, wenn feststeht, dass ein eigener Prozessbevollmächtigter für eine interessengerechte Prozessführung nicht erforderlich sein wird. In einem solchen Fall ist es rechtsmissbräuchlich, ohne besonderen sachlichen Grund einen eigenen Anwalt einzuschalten, so dass die doppelt geltend gemachten Kosten nicht als notwendig im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO anzusehen und damit auch nicht erstattungsfähig sind (BGH NJW-RR 2004, 536). Auch dies folgt aus dem zwischen den Parteien bestehenden Prozessrechtsverhältnis, aus dem - wie ausgeführt - jede Partei nach Treu und Glauben verpflichtet ist, die Kosten ihrer Prozessführung möglichst niedrig zu halten (BGH WuM 2009, 186; OLG Bamberg VersR 1986, 395; OLG Koblenz MDR 2010, 1158; OLG Düsseldorf JurBüro 2010, 431). Ein derartiger sachlicher Grund, der auf Beklagtenseite die Beauftragung zweier Rechtsanwälte als erforderlich erscheinen ließe, war im gegenständlichen Rechtsstreit auch nach Überzeugung des Beschwerdegerichts nicht gegeben. Die Interessen der als Gesamtschuldner einer behaupteten Bürgschaftsschuld beklagten Parteien waren gleichgerichtet, was schon durch die zunächst einheitliche Beauftragung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten sowie durch die von diesem - für beide Beklagte - gefertigte Erwiderungsschrift vom 05.05.2009 belegt wird. Ein sachlicher Grund ergibt sich schließlich auch nicht aufgrund der nachfolgenden Mandatsniederlegung von Rechtsanwalt Dr. K. und die daraufhin erfolgte Beauftragung eines zweiten Rechtsanwalts für den Beklagten zu 1). Aufgrund dieser Mandatsniederlegung war es zwar angesichts des bei den Landgerichten bestehenden Anwaltszwangs (§ 78 Abs. 1 ZPO) für den Beklagten zu 1) erforderlich geworden, einen neuen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen, um sich auch weiterhin wirksam verteidigen zu können. Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die einen Erstattungsanspruch auslösende Notwendigkeit im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die sich an einer verständigen und wirtschaftlich vernünftig denkenden Partei auszurichten hat. Das bedeutet: Wäre es bei einer diesen Maßstäben entsprechenden Partei erst gar nicht zu einer Mandatsniederlegung durch den früheren Prozessbevollmächtigten gekommen, so können auch die Kosten eines zweiten Prozessbevollmächtigten, unabhängig davon, ob sie im Einzelfall tatsächlich angefallen sind, nicht vom Prozessgegner erstattet verlangt werden. So verhält es sich vorliegend. Der Beklagte zu 1) hatte nicht nur gegenüber dem Landgericht, sondern auch gegenüber seinem früheren Prozessbevollmächtigten seine Bedürftigkeit i. S. v. § 114 ZPO behauptet. Eine solche lag, wie sich aus dem nunmehr vorgelegten Schreiben von Rechtsanwalt Dr. K. vom 02.03.2010 ergibt, tatsächlich nicht vor, jedenfalls hat der Beklagte zu 1) der inhaltlichen Richtigkeit jenes Schreibens nicht widersprochen. Der zunächst für den Beklagten zu 1) tätige Rechtsanwalt durfte deshalb einen Vorschuss auf die ihm bereits entstandenen und die voraussichtlich noch entstehenden Gebühren und Auslagen einfordern, § 9 RVG. Ein solcher Vorschussanspruch dient der Sicherung des späteren Vergütungsanspruchs des vorleistungspflichtigen Rechtsanwalts (BGH AnwBl. 1989, 227). Die Höhe der Vorschussanforderung unterliegt dabei dem billigem Ermessen des Rechtsanwalts (BGH NJW 2004, 1047), wobei es keinen Grundsatz dahingehend gibt, dass die Vorschussforderung hinter der voraussichtlich endgültig entstehenden Gesamtvergütung zurückbleiben muss (Hartmann, KostG, 40. Aufl. [2010], § 9 RVG, Rdnr. 13). Die von Rechtsanwalt Dr. K. mit Schreiben vom 02.03.2010 erstellte Vorschussrechnung ist unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe angemessen. Denn zum einen waren im Zeitpunkt der Vorschussanforderung sämtliche geltend gemachten Gebühren und Auslagen - mit Ausnahme der Terminsgebühr - bereits angefallen und vom Prozessbevollmächtigten richtig berechnet worden. Zum anderen war aber auch das Einfordern eines Vorschusses in Höhe der zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung noch nicht entstandenen Terminsgebühr in voller Höhe angemessen und widersprach nicht den Grundsätzen von Treu und Glauben. Durch die auch dem eigenen Anwalt gegenüber gemachten fehlerhaften Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und der schon deshalb begründeten Annahme der Gefährdung seines Vergütungsanspruchs durfte sich der Prozessbevollmächtigte nämlich auch insoweit in voller Höhe absichern. Der frühere Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1) durfte schließlich auch von dem künftigen Entstehen der Terminsgebühr ausgehen, da das Landgericht bereits mit Verfügung vom 28.01.2010 Termin zur Güteverhandlung und nachfolgenden Haupttermin bestimmt hatte. Der Beschwerdeführer behauptet zwar nunmehr, nicht in der Lage gewesen zu sein, den Vorschuss fristgerecht in eingeforderter Höhe zu leisten, die Richtigkeit dieses Vortrags kann jedoch dahinstehen. Denn selbst wenn man diesen neuen Vortrag als wahr unterstellen würde, so wäre der Beklagte zu 1) doch - unter Zugrundelegung der ihn nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO treffenden Pflichten zur Geringhaltung von Kosten - gehalten gewesen, seinen Prozessbevollmächtigten rechtzeitig auf diesen Umstand hinzuweisen, um diesem z. B. die Möglichkeit der Ratenzahlungsgewährung oder gar der erneuten Prozesskostenhilfeantragstellung zu eröffnen. Es ist vom Beklagten zu 1) weder behauptet noch für das Beschwerdegericht ersichtlich, dass er dieser Pflicht entsprochen oder dass der Prozessbevollmächtigte auch in diesem Falle das Mandat niedergelegt hätte. Im Ergebnis erweisen sich somit sämtliche vom Beklagten zu 1) gegen den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss erhobenen Einwendungen als unbegründet, so dass die sofortige Beschwerde zurückzuweisen war. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. IV. Die Festsetzung des Beschwerdewertes orientiert sich an der mit dem Rechtsmittel erstrebten Erhöhung des Kostenerstattungsbetrages. V. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) sind nicht gegeben. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Soweit Rechtsfragen zur Entscheidung anstanden, sind diese in der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. Das Beschwerdegericht weicht hiervon nicht ab.
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