Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

RVG Entscheidungen

Vorbem. 4.1 VV

Zeugenbeistand, Abrechnung, Tätigkeiten, Einzeltätigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 18.01.2007 – 1 Ws 2/07

Fundstellen:

Leitsatz: Die Tätigkeit des einem Zeugen nach § 68b StPO beigeordneten Vernehmungsbeistands ist entsprechend Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG zu vergüten.

Davon abweichende Auffassungen der anderen Strafsenate des Kammergerichts hat der seit 2007 für Anträge und Rechtsmittel nach dem RVG ausschließlich zuständige 1. Strafsenat nicht übernommen.


KAMMERGERICHT
Beschluß
Geschäftsnummer:
1 Ws 2/07____________________
(514) 83 Js 153/04 KLs (1/06)


In der Strafsache gegen


1. M,
geboren am,

2. S,
geboren am,

3. Ma,
geboren am,

4. St,
geboren am,


wegen Steuerhinterziehung u.a.

hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
am 18. Januar 2007 beschlossen:

Die Beschwerde des Zeugenbeistands, Rechtsanwalt H S gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin vom 23. Oktober 2006 wird verworfen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.


G r ü n d e :

Rechtsanwalt H S wurde gemäß § 68b StPO als Beistand des
Zeugen K für dessen Vernehmung vor dem Landgericht in der Hauptverhandlung am 25. August 2006 beigeordnet. Dem Antrag des Rechtsanwalts, seine Vergütung für diese Tätigkeit nach den Nrn. 4100, 4114, 7002 und 7008 VV RVG in Höhe von insge-samt 426,88 EUR festzusetzen, hat die Urkundsbeamtin der Ge-schäftsstelle des Landgerichts nur in Höhe von 218,08 EUR ent-sprochen, da sie dem Rechtsanwalt anstelle der beantragten Grund- und Terminsgebühren lediglich die Gebühr für eine Ein-zeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG zugebilligt hat. Die Erinnerung des Rechtsanwalts hat das Landgericht durch Be-schluß vom 23. Oktober 2006 verworfen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Rechtsanwalts bleibt ohne Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Dem Beschwerdeführer steht für seine Tätigkeit als Zeugenbeistand neben der Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG und der Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) lediglich die Gebühr nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG in Höhe von 168,00 EUR zu.

Nach der Vorbemerkung 4 Abs. 1 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG sind für die Vergütung des Zeugenbeistands die Vorschriften in Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses entsprechend anzuwenden. Das bedeutet aber nicht, daß dem nach § 68b StPO beigeordneten Rechtsanwalt uneingeschränkt die gleichen Gebühren wie einem Verteidiger zustehen (so OLG Koblenz NStZ-RR 2006, 254; KG
(3. Strafsenat) NStZ-RR 2005, 358) oder er für seine Tätigkeit jedenfalls die Grundgebühr und die Terminsgebühr verlangen kann (so OLG Stuttgart, Beschluß vom 14. November 2006 – 1 Ws 331/06 – bei juris; KG (4. Strafsenat) AGS 2006, 176 und
(5. Strafsenat) AGS 2006, 329; OLG Köln NStZ 2006, 410 - ein-schränkend lediglich für das Wiederaufnahmeverfahren -). Denn aus der genannten Vorbemerkung ergibt sich nicht, daß für die Honorierung des beigeordneten Zeugenbeistandes stets die für den Verteidiger bestimmten Gebührentatbestände herangezogen werden müssen. Vielmehr bezieht sich die Vorbemerkung 4 nicht nur auf den Abschnitt 1 („Gebühren des Verteidigers“), sondern nach ihrem Wortlaut auf sämtliche Vorschriften in Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses (vgl. OLG Oldenburg NdsRpfl 2006, 353; OLG Schleswig NStZ-RR 2006, 255; Schneider in AnwK-RVG
3. Aufl., VV 4301 Rdn. 16; aA Burhoff RVGreport 2006, 81; Ma-dert in Gerold/Schmidt, RVG 17. Aufl., VV Vorb. 4 Rdn. 7). Das schließt auch einen Rückgriff auf die in Abschnitt 3 („Einzel-tätigkeiten“) enthaltenen Gebührentatbestände nicht aus.

Welche Gebühren einem Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu zah-len sind, richtet sich danach, für welche Tätigkeit er beige-ordnet worden ist (§ 48 Abs. 1 RVG). Im Falle des § 68b StPO umfaßt die Beiordnung nach Absatz 1 Satz 1 dieser Vorschrift nur „die Dauer der Vernehmung“ des Zeugen. Die dabei erbrachte Beistandsleistung des Rechtsanwalts ist eine Einzeltätigkeit, die nach Art und Umfang der gemäß Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG ho-norierten Beistandsleistung für einen Beschuldigten bei dessen Vernehmung entspricht und deshalb in entsprechender Anwendung (Vorbemerkung 4 Abs. 1 VV RVG) dieses Gebührentatbestandes zu vergüten ist (vgl. OLG Oldenburg, OLG Schleswig und Schneider, jeweils aaO). Die Vorbemerkung 4.3 Absatz 1 VV RVG steht dem nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung sind die im 3. Ab-schnitt aufgeführten Gebühren nur dann subsidiär, wenn dem Rechtsanwalt die Verteidigung oder Vertretung übertragen ist, was hier aber nicht der Fall ist. Der nach § 68b StPO beige-ordnete Rechtsanwalt ist nämlich – anders als bei dem gemäß den §§ 406g, 397a StPO beigeordneten Beistand des Verletzten - eben nicht „voller Vertreter“ des Zeugen (aA Burhoff aaO). Er kann ihn bei seiner Aussage nicht vertreten und nicht gestal-tend in das Verfahren eingreifen. Seine Rechtsstellung ist mit der des Verteidigers oder Verletztenbeistandes nicht ver-gleichbar, so daß für eine (entsprechende) Anwendung der auf diesen Personenkreis zugeschnittenen Gebührentatbestände nach Auffassung des Senats kein Raum ist.

Diese Auslegung widerspricht auch nicht der Intention des Ge-setzgebers, wie Burhoff (aaO) meint. Den Gesetzesmaterialien ist zunächst nur zu entnehmen, daß der Zeugenbeistand für die-se Tätigkeit die gleichen Gebühren „wie ein Verfahrensbevoll-mächtigter in dem entsprechenden Verfahren“ erhalten soll und – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Absatz 1 der Vorbemer-kung 4 - für ihn „die Vorschriften dieses Teils“ (Unterstrei-chung durch den Senat) entsprechend anwendbar sein sollen (vgl. BT-Drucksache 15/1971, S. 146, 220).

Soweit in den Materialien ferner von der (gebührenrechtlichen) „Gleichstellung mit dem Verteidiger“ die Rede ist, bezieht sich das erkennbar nur auf den Wahlbeistand, da zu ihrer Rechtfertigung der „Gebührenrahmen“ angeführt wird, der „aus-reichend Spielraum“ biete, dem konkreten Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts Rechnung zu tragen (vgl. BT-Drucksache aaO S. 220), was bei den Festbeträgen, die dem bestellten oder beige-ordneten Rechtsanwalt aus der Staatskasse zu zahlen sind,
nicht möglich ist. Dem Willen des Gesetzgebers, die Vergütung von den erbrachten Leistungen abhängig zu machen, wird deshalb eine Gleichbehandlung des Verteidigers und des nach § 68b StPO beigeordneten Zeugenbeistands gerade nicht gerecht. Denn der Zeugenbeistand hat aufgrund seines begrenzten Aufgabenkreises im Vergleich zum Verteidiger oder Vertreter regelmäßig einen geringeren zeitlichen und inhaltlichen Aufwand zu erbringen, da er nur für die Dauer der Vernehmung bestellt und aus der Staatskasse nur für diese Tätigkeit zu bezahlen ist. Das dazu notwendige Vorgespräch des Rechtsanwalts mit dem Zeugen ist durch die Gebühr nach Nr. 4301 VV RVG abgegolten (vgl. Hart-mann, KostG 36. Aufl., Rdn. 8 zu VV 4301). Soweit dem Rechts-anwalt im Einzelfall wegen des besonderen Umfangs oder der be-sonderen Schwierigkeit seiner Tätigkeit eine Beschränkung auf die Gebühr nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG nicht zumutbar ist, kann er eine Pauschgebühr beanspruchen (§ 51 Abs. 1 Satz 1 RVG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

Einsender: RiKG KLaus Peter Hanschke, Berlin

Anmerkung:


den gebührenrechtlichen Newsletter abonnieren


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".