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RVG Entscheidungen

§ 15a

Anrechnungsregelung; Neuregelung, Altfälle; Anwendbarkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Celle, Beschl. v. 26. 8. 2009, 2 W 240/09

Fundstellen:

Leitsatz: Bei der Neuregelung des § 15 a RVG handelt es sich um eine Gesetzesänderung, auf die die Übergangsregelung des § 60 Abs. 1 RVG Anwendung findet (entgegen OLG Stuttgart, Beschluss vom 11. August 2008, Az.: 8 W 339/09) .


OLG Celle, Beschl. v. 26. 8. 2009, 2 W 240/09
2 W 240/09
Beschluss.
In der Beschwerdesache pp.
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht R., den Richter am Oberlandesgericht Dr. L. und den Richter am Oberlandesgericht Dr. L. am 26. August 2009 beschlossen:

Die am 3. August 2009 beim Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Kläger vom 28. Juli 2009 gegen den am 28. Juli 2009 zu
gestellten Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 9. Juli 2009 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 18. August 2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kläger.


Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 705,31 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

G r ü n d e

I.
Die Kläger haben die Beklagten auf Rückzahlung eines Darlehensbetrages in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 7. Mai 2009, wegen dessen Einzelheiten auf
Bl. 59 ff. d. A. Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage in der Hauptsache in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 25.564,59 EUR nebst hierauf entfallender Zinsen verurteilt. in Höhe der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.467,03 EUR hat es die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es der Beklagten auferlegt.

Unter dem 20. Mai 2009 haben die Kläger Kostenfestssetzung beantragt und hierbei insbesondere die Festsetzung einer 1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV RVG in Höhe von 985,40 EUR begehrt (Bl. 66 d. A.). Den insgesamt geltend gemachten Betrag von 3.651,09 EUR hat die Rechtspflegerin des Landgerichts ohne Anhörung der Beklagten durch Beschluss vom 26. Mai 2009 festgesetzt nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 22. Mai 2009 (Bl. 68 d. A.).

Gegen diesen ihr am 3. Juni 2009 zugestellten Beschluss hat die Beklagte mit am 8. Juni 2009 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz vom 4. Juni 2009 sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 71 f.). Sie haben die Beschwerde damit begründet, dass die Verfahrensgebühr aufgrund der außergerichtlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Kläger hätte reduziert werden müssen. Die Kläger haben die angefochtene Entscheidung verteidigt und auf den nur noch im Bundesgesetzblatt zu verkündenden § 15 a RVG verwiesen, der „die allseits verblüffende Auffassung des BGH zur Anrechnung der Geschäftsgebühr“ unbeachtlich mache, weil er auch für Altfälle gelte.

Unter dem 9. Juli 2009 hat das Landgericht einen neuen Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen, der sich zum Schicksal des Beschlusses vom 26. Mai 2009 nicht verhält (Bl. 85 d. A.). Das Landgericht hat abweichend die von der Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten nunmehr festgesetzt auf 2.945,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 22. Mai 2009. Das Landgericht hat gemeint, die außergerichtliche Geschäftsgebühr sei nach VV Vorb. 3 Abs. 4 RVG auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Der neue § 15 a RVG sei noch nicht in Kraft getreten.

Gegen diesen ihnen am 28. Juli 2009 zugestellten Beschluss haben die Kläger mit beim Landgericht am 3. August 2009 eingegangenen Schriftsatz vom 28. Juli 2009 sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 89 f. d. A.). Sie haben unter Hinweis auf ihren bisherigen Vortrag gemeint, die Geschäftsgebühr sei nicht mehr anzurechnen. Es hätte kein neuer Kostenfestsetzungsbeschluss ergehen dürfen, sondern nur eine Entscheidung über die sofortige Beschwerde. Nunmehr lägen zwei Ausfertigungen von Kostenfestsetzungsbeschlüssen vor. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, es liege ein Altfall vor, auf den § 15 a RVG nicht anwendbar sei (Bl. 93 d. A.).

Mit Beschluss vom 18. August 2009 hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akte dem Senat zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 95 d. A.). In den Gründen hat es gemeint, die Beschwerde sei am 28. Juli 2009 und somit vor dem Stichtag des Inkrafttretens des Gesetzes eingelegt worden, so dass nach altem Recht eine Anrechnung der Geschäftsgebühr vorzunehmen sei. im Übrigen werde der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. Mai 2009 aufgehoben.

II.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Auch wenn es in der Beschwerdeschrift heißt, dass „wir“ sofortige Beschwerde einlegen, „wir auf den Inhalt unseres Schriftsatzes“ verweisen und „unseres Erachtens“ die Ausgangsentscheidung nicht zu beanstanden ist, ist trotz der fehlenden Bezeichnung der Kläger als Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift im Wege der Auslegung davon auszugehen ist, dass die Prozessbevollmächtigten der Kläger das Rechtsmittel nicht in eigenem Namen, sondern namens der Kläger eingelegt haben. Die sofortige Beschwerde richtet sich nämlich dagegen, dass das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss den von der Beklagten an die Kläger zu zahlenden und bereits festgesetzten Kostenerstattungsbetrag zum Nachteil der Kläger abgeändert hat. Durch diese Entscheidung sind allein die Kläger nachteilig beschwert.

2. Der Sache nach handelt es sich bei dem Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin vom 9. Juli 2009 um eine Entscheidung, durch die der sofortigen Beschwerde der Beklagten vom 4. Juni 2009 im vollen Umfang abgeholfen und die Kläger erstmals beschwert worden sind. Soweit das Landgericht vergessen hatte, im Beschluss vom 9. Juli 2009 den Beschluss vom 26. Mai 2009 aufzuheben, hat das Landgericht dem durch den Nichtabhilfebeschluss vom 18. August 2009 Rechnung getragen. Dort ist nämlich bestimmt, dass der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. Mai 2009 aufgehoben wird. Insoweit ist die Rechtspflegerin der berechtigten Kritik der Kläger in ihrer Beschwerde nachgekommen. Eine Kostenentscheidung wird die Rechtspflegerin indes noch nachzuholen haben. Auch wenn der Beschwerde in vollem Umfang abgeholfen worden ist, muss eine Kostenentscheidung ergehen.

3. In der Sache hat die sofortige Beschwerde der Kläger keinen Erfolg.
Zu Unrecht machen sie mit der Beschwerde geltend, die Rechtslage zur Anrechnung einer vorgerichtlich verdienten Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr habe sich durch die Einführung des § 15 a RVG geändert, diese Vorschrift sei auch auf Altfälle anzuwenden. Die Kläger übersehen, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Neuregelung keine eigenständige Übergangsvorschrift geschaffen hat, so dass auch insoweit § 60 Abs. 1 RVG Anwendung findet. Danach ist das anzuwendende Recht davon abhängig, wann der Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG erteilt worden ist. Ist der Auftrag vor der Gesetzesänderung erteilt worden findet bisheriges Recht Anwendung. Danach ist für den Streitfall bisheriges Recht anzuwenden, nachdem der Rechtsstreit bereits vor der Gesetzesänderung beendet war. Soweit z. T. in der Literatur (u. a. Hansens, zuletzt RVGreport 2009, 306) und neuerdings auch in der Rechtsprechung (OLG Stuttgart, Beschluss vom 11. August 2008, Az.: 8 W 339/09) die Auffassung vertreten wird, bei der Regelung des § 15 a RVG handele es sich um keine Neuregelung i. S. d. § 60 Abs. 1 RVG, sondern vielmehr um eine gesetzgeberische Klarstellung, kann dem nicht gefolgt werden.

a) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass durch die Vorschrift des § 15 a RVG die Anrechnungsvorschrift in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Teil 3 VVRVG keineswegs außer Kraft gesetzt worden ist. Der mit der Anrechnungsvorschrift gesetzgeberisch verfolgte Zweck, dass ein Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit bereits einmal tätig geworden ist, nicht doppelt verdienen soll (vgl. BTDrucksache15/1971 S. 209), hat weiterhin seine Gültigkeit und wird durch die Neuregelung in § 15 a RVG auch gar nicht in Frage gestellt.

b) Die Kläger übersehen, dass die Vorschriften des RVG - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - allein das Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant betreffen. Für dieses konkrete Innenverhältnis sieht die Vorbemerkung 3 Teil 3 VVRVG vor, dass eine vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, wenn der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit bereits vorgerichtlich tätig geworden ist. Dies allein ist - wie schon der Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts zeigt (vgl. BTDrucksache a. a. O.) - der Regelungsgehalt der Vorbemerkung 3 Teil 3 VVRVG. Durch die neue Regelung in § 15 a RVG hat sich für das Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant nichts geändert.

c) Weder der damaligen Gesetzesbegründung noch dem Wortlaut der Vorbemerkung lässt sich auch nur andeutungsweise entnehmen, dass der Gesetzgeber damals beabsichtigt hatte, auch eine abschließende Regelung darüber zu treffen, ob und inwieweit ein Prozessgegner sich im Rahmen der Kostenfestsetzung, also im Außenverhältnis zwischen dem Mandanten und dem Prozessgegner, darauf berufen kann, dass der Mandant keinem Anspruch seines Rechtsanwalts auf Zahlung einer vollen Geschäftsgebühr ausgesetzt ist. Die vom Oberlandesgericht Stuttgart (a. a. O.) und von Hansens (a. a. O.) vertretene Auffassung, die Gesetzesnovelle stelle lediglich eine Klarstellung des Gesetzgebers zu den bisherigen Anrechnungsregeln dar, ist bereits deshalb abzulehnen.

Da Gegenstand der Kostenfestsetzung gerade nicht ein Gebührenanspruch des Anwalts gegen den Prozessgegner, sondern ausschließlich der seiner Partei zustehende prozessuale Kostenerstattungsanspruch ist, kam es bisher für die Frage der Kostenfestsetzung allein darauf an, ob und in welchem Umfang der Mandant einem Zahlungsanspruch seines Prozessbevollmächtigten ausgesetzt war. Dies richtete sich u. a. nach den - auch jetzt noch - anwendbaren Vorschriften der Vorbemerkung 3 Teil 3 Abs. 4 VVRVG. Wenn daher der Mandant nicht verpflichtet war, seinem Rechtsanwalt eine volle Verfahrensgebühr zu entrichten, konnte er vom Gegner auch keine entsprechenden Kosten erstattet verlangen.

Der Gesetzgeber hat, weil diese - weiterhin gültige - Anrechnungsvorschrift der Vorbemerkung 3 Teil 3 Abs. 4 VVRVG nach seiner Auffassung zu unbefriedigenden Ergebnissen führte, indem sie den Auftraggeber benachteiligte (vgl. BTDrucksache 16/12717 S. 67), den neuen § 15 a Abs. 2 RVG eingefügt. Dadurch hat er eine Vorschrift geschaffen, die nunmehr erstmals auch regelt, wann sich ein Dritter, wie z. B. der Gegner im Kostenfestsetzungsverfahren, auf eine Anrechnungsvorschrift wie diejenige der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Teil 3 Abs. 4 VVRVG berufen kann. Er hat damit eine neue und nicht nur klarstellende gesetzliche Vorschrift geschaffen, welche allein für das Außenverhältnis zwischen den Parteien eines Rechtsstreits Gültigkeit beansprucht. So heißt es in der Gesetzesbegründung auch ausdrücklich, dass die vorgeschlagene Regelung in § 15 a RVG dem Ziel dient, den mit den Anrechnungsvorschriften verfolgten Gesetzeszweck zu wahren, zugleich aber unerwünschte Auswirkungen zu „vermeiden“. Von einer „Klarstellung“ ist in der Gesetzesbegründung weder in Bezug auf Abs. 1 noch auf Abs. 2 des § 15 a RVG die Rede. Der Begriff der Klarstellung wird nur in Bezug auf die in Abschnitt 8 des RVG aufzunehmende Regelung, welche Angaben der beigeordnete Anwalt bei der Berechnung seiner Vergütung zu machen hat, gesprochen (siehe BTDrucksache a. a. O. S. 68). Wie bereits ausgeführt findet sich in der Gesetzesbegründung zur Vorbemerkung 3 Teil 3 VVRVG kein Wort, dass der Gesetzgeber damals auch die Frage der Anrechnung im Kostenfestsetzungsrecht zu klären beabsichtigte. Vielmehr wird deutlich, dass der damalige Gesetzgeber diese Frage ersichtlich nicht bedacht hatte und sich erst jetzt - auf Initiative der Rechtsanwaltschaft - veranlasst gesehen hat, tätig zu werden.

d) In den Gesetzgebungsmaterialien zu § 15 a RVG findet sich auch kein Beleg dafür, dass der Gesetzgeber die vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung unter den Hinweis auf den eindeutigen Wortlaut vertretene Auslegung (vgl. BGH vom 22. Januar 2008, Az.: VIII ZB 57/07, Rdz. 7 = NJW 2008, 1323, 1324) der Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 VVRVG für unzutreffend hält. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung allein den Zweck verfolgt, die von ihm nicht bedachten Auswirkungen der Anrechnungsvorschriften zu korrigieren. Darin liegt eine in die Zukunft wirkende Gesetzesänderung i. S. von § 60 Abs. 1 RVG. Da nach der alten bis zum 4. August 2009 geltenden Fassung des RVG eine Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren zu erfolgen hatte, die nach neuem Recht nur in enumerativ genannten Fällen in Betracht kommt, liegt eine Änderung der Rechtslage und somit eine Gesetzesänderung i.S. von § 60 Abs. 1 RVG vor. Der Gesetzgeber hat zwar ausgeführt (BTDrucksache a. a. O. S. 67 f.), das Verständnis des Bundesgerichtshofs führe zu unbefriedigenden Ergebnissen, die Konsequenzen dieser Rechtsprechung liefen unmittelbar den Absichten zuwider, die der Gesetzgeber mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verfolgt habe und mit der Regelung in § 15 a RVG solle der verfolgte Gesetzeszweck gewahrt werden. Darin liegt jedoch keine bloße „Klarstellung“, sondern lediglich die Begründung dafür, weshalb die erst beim Vollzug der bisherigen gesetzlichen Regelung zu Tage getretenen Unzulänglichkeiten eine Änderung des Gesetzes erfordern.

Für den Willen des Gesetzgebers kommt es überdies allein auf den Inhalt der parlamentarischen Gesetzgebungsmaterialien und nicht auf die Verlautbarung der Bundesministerin der Justiz in deren Pressemitteilung vom 5. August 2009 an, auf die das Oberlandesgericht Stuttgart zur Begründung seiner abweichenden Ansicht allein Bezug genommen hat. Unabhängig davon ergibt sich auch aus dieser Presseerklärung gerade nicht, dass es sich bei der gesetzlichen Neuregelung lediglich um eine Klarstellung handeln könnte. Vielmehr wird in dieser Presseerklärung ausdrücklich betont, dass mit dem § 15 a RVG eine „bedeutsame Änderung des anwaltlichen Vergütungsrechts in Kraft getreten“ (Unterstreichung durch den Senat) sei .

e) Die gegenteilige Auffassung einer gesetzgeberischen „Klarstellung“ vermag zudem auch deshalb nicht zu überzeugen, weil eine ungeprüfte Anwendung des
§ 15 a Abs. 2 RVG auf in der Vergangenheit liegende Tatbestände eine (unechte) Rückwirkung bedeuten würde, der aber gerade die Regelung des § 60 Abs. 1 RVG entgegensteht. Eine mit Einführung des § 15 a RGV geschaffene Regelung, die deutlich macht, dass § 60 Abs. 1 RVG keine Gültigkeit haben soll, existiert nicht. Eine Rückwirkung entgegen § 60 Abs. 1 RVG würde daher einen klaren Gesetzesverstoß darstellen.

Ungeachtet dessen würde sich im Falle einer unechten Rückwirkung auch die Frage stellen, wie weit diese Rückwirkung auf Tatbestände vor ihrem Inkrafttreten reicht. Zu klären wäre etwa, ob in allen Fällen, in denen ein Anwalt unter Beachtung der zur Anrechnungsregelung ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung die Festsetzung einer verminderten Verfahrensgebühr beantragt hat, die Nachfestsetzung möglich sein soll, und ob im Falle der erfolgten Kürzung der Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsbeschluss nur diejenigen Parteien von der Neuregelung profitieren sollen, deren Rechtsmittel gegen eine derartige Kürzung noch nicht rechtskräftig beschieden worden ist. Es erscheint abwegig, dass der Gesetzgeber mit seiner Gesetzesänderung derart folgenreiche Auswirkungen beabsichtigt haben könnte, obgleich er trotz der ihm bekannten abweichenden Regelung in § 60 Abs. 1 RVG in der Gesetzesbegründung hierzu nichts erwähnt.

f) Im Übrigen teilt der Senat schon nicht die Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart (a. a. O.), dass § 60 Abs. 1 RVG keine Anwendung finde, wenn neue Vorschriften lediglich zur Klarstellung des Gesetzes neu in den Gesetzestext eingefügt werden. Für den Begriff der Gesetzesänderung ist aus Gründen der Rechtssicherheit an formale Kriterien anzuknüpfen. Eine Gesetzesänderung liegt bereits dann vor, wenn der Text eines Gesetzes geändert oder neue Vorschriften eingefügt werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
5. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 2. Alt, Abs. 3 Satz 1 ZPO geboten, weil der Senat von der Ansicht des Oberlandesgericht Stuttgart, § 15 a RVG stelle keine Gesetzesänderung i. S. d. § 60 Abs. 1 RVG dar, abweicht und deshalb zu einem anderen Ergebnis gelangt.


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