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RVG Entscheidungen

§ 60

Anrechnungsregelung; Neuregelung, Altfälle;

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Berlin, Beschl. v. 5. 8. 2009, 82 T 453/09

Fundstellen:

Leitsatz: 1. Die (auch) die Berücksichtigung der Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren regelnde Bestimmung des § 15a Abs. 2 RVG ist ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens am 5.8.2009 anzuwenden.
2. Die Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 S. 1 RVG, nach der es auf den Zeitpunkt der Erteilung des unbedingten Auftrages oder auf die Bestellung oder Beiordnung des Rechtsanwalts ankommt, ist für die Anwendung des § 15a Abs. 2 RVG nicht einschlägig.


82 T 453/09
Landgericht Berlin
Beschluss
In dem Rechtsstreit

Die Zivilkammer 82 des Landgerichts Berlin, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, hat nach Übertragung der Sache durch Beschluss des Einzelrichters vom 13. Juli 2009 auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 15. April 2009 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Wedding vom 02. April 2009 in der Sitzung vom 5. August 2009
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert des Beschwerdegegenstandes von 319,52 € zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Kläger sind Eigentümer eines Mietswohnhauses, die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung in diesem Haus. Mit Schreiben vom 07. September 2006 forderten die Kläger – vertreten durch ihren späteren Prozessbevollmächtigten – die Beklagte auf, näher beschriebene Renovierungsarbeiten in der Wohnung durchzuführen. In der Folgezeit entwickelte sich eine Korrespondenz, bei der sich die Beklagte durch ihre späteren Prozessbevollmächtigten vertreten ließ. Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2008 forderten die anwaltlich vertretenen Kläger die Beklagte unter Beifügung eines Kostenvoranschlages zur Vermeidung einer Klage auf, Schadensersatz wegen nicht durchgeführter Renovierungsarbeiten in Höhe von 8 952,99 € zu zahlen. Die Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach. Vor dem Amtsgericht Berlin-Wedding erhoben die Kläger somit durch ihren Prozessbevollmächtigten am 02. Dezember 2008 Zahlungsklage über 8 952,99 €. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. März 2009 erkannte die Beklagte den überwiegenden Teil der Klageforderung an, woraufhin die Kläger den Restbetrag zurücknahmen. In dem am selben Tage verkündeten Anerkenntnisurteil erlegte das Amtsgericht den Klägern 8 % und der Beklagten 92 % der Kosten des Rechtsstreits auf.
In dem nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren machten die Kläger – soweit hier von Interesse – eine nach Nr. 1008 VV RVG um den Satz von 0,3 erhöhte 1,6 Verfahrensgebühr in Höhe von 718,40 € geltend. Die Beklagte meldete dem gegenüber wegen der vorangegangenen außergerichtlichen Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten eine um den Satz von 0,65 verminderte Verfahrensgebühr an. In dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Rechtspflegerin die Kosten der Parteien ohne Absetzungen ausgeglichen. Mit ihrer hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde macht die Beklagte unter Vorlage der vorgerichtlichen Korrespondenz geltend, dem Prozessbevollmächtigten der Kläger sei für seine vorgerichtliche Tätigkeit eine 1,3 Geschäftsgebühr angefallen, so dass auf die Verfahrensgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG die Hälfte hiervon anzurechnen sei. Die Kläger haben sich zum Anfall einer Geschäftsgebühr nicht geäußert und verweisen auf die ständige Rechtsprechung des 1. ZS des Kammergerichts, nach der die Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren hier nicht zu berücksichtigen sei. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landgericht Berlin zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Zwar kann sich die Beklagte auf die ständige Rechtsprechung des BGH, ausgehend von der Entscheidung des VIII. ZS des BGH in seinem Beschluss vom 22.01.2008, NJW 2008, 1323 = zfs 2008, 288 mit Anmerkung Hansens = AGS 2008, 158 = RVGreport 2008, 148 berufen. Danach ist die Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren unabhängig davon zu berücksichtigen, ob die Geschäftsgebühr nach materiellem Recht vom Prozessgegner zu erstatten ist und ob sie unstreitig geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist. Diese Auffassung ist jedoch weder mit dem Wortlaut des RVG vereinbar, noch beachtet sie die Grundsätze des Erstattungsrechts. Ferner ist die Rechtsprechung des BGH im Hinblick auf die Neuregelung in § 15a Abs. 2 RVG nicht mehr anzuwenden.
1. Der VIII. ZS des BGH hat in seinem Beschluss vom 22.01.2008 ausgeführt, dass „die Verfahrensgebühr wegen der in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgesehene Anrechnung eines Teils der bereits vorher entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG (a.F.) von vorn herein nur in gekürzter Höhe“ entstehe, so dass „im Rahmen der Kostenfestsetzung auch keine darüber hinausgehende Erstattung in Betracht“ komme. Einige Zeilen später ist von einer „von selbst einsetzenden Kürzung“ die Rede. Für diese Auffassung findet sich im RVG für die hier nach dem Gegenstandswert abzurechnenden Gebühren keine Stütze. Lediglich in Nr. 3103 VV RVG für die Tätigkeit in sozialgerichtlichen Angelegenheiten ist geregelt, dass sich die als Betragsrahmengebühr ausgestaltete Verfahrensgebühr bei einer vorangegangenen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten im Verwaltungsverfahren oder im Nachprüfungsverfahren nach einem niedrigeren Gebührenrahmen bestimmt. Hingegen findet sich bei den Gebührenregelungen für die nach dem Gegenstandswert zu berechnenden Gebühren keine dem vergleichbare Bestimmung. Vielmehr ist in Nr. 3100 VV RVG geregelt, dass die Verfahrensgebühr mit einem Satz von 1,3 entsteht, während in Nr. 3101 VV RVG diejenigen Fälle aufgeführt sind, in denen die Verfahrensgebühr nur mit einem Satz von 0,8 anfällt. Der Fall der Anrechnung der Geschäftsgebühr ist hier nicht geregelt.
Im Übrigen wäre die Anrechnungsbestimmung der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG überflüssig, wenn bei vorangegangener vorgerichtlicher Vertretungstätigkeit des Prozessbevollmächtigten die Verfahrensgebühr „von vorn herein nur in gekürzter Höhe“ entstehen würde. Außerdem führt die Rechtsprechung des BGH zu nicht überwindbaren Schwierigkeiten in dem in der Praxis nicht seltenen Fall, dass der Prozessbevollmächtigte seinem Auftraggeber für die vorgerichtliche Vertretungstätigkeit keine Geschäftsgebühr berechnet und somit auch von dem ihm gem. § 14 Abs. 1 RVG eingeräumten Recht zur Bestimmung der als Rahmengebühr ausgestalteten Geschäftsgebühr keinen Gebrauch macht. In diesem Fall entsteht nach Auffassung des BGH die Verfahrensgebühr von vorn herein in gekürzter Höhe, ohne dass mangels Berechnung der Geschäftsgebühr durch den Anwalt ersichtlich wäre, in welcher Höhe dann die Verfahrensgebühr anfällt. In anderen Fällen, siehe die Entscheidung des OLG Koblenz, RVGreport 2009, 229, führt die Rechtsprechung des BGH dazu, dass der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren überprüfen soll, ob der Prozessbevollmächtigte für seine vorgerichtliche Vertretungstätigkeit nicht eine zu niedrige Geschäftsgebühr bestimmt hat. Ist dies nach Meinung des Rechtspflegers der Fall, so soll er nach Auffassung des OLG Koblenz die Geschäftsgebühr mit einem höheren Satz als vom Rechtsanwalt vorgenommen mit der Folge bestimmen, dass der sich daraus ergebende höhere Anrechnungssatz die Verfahrensgebühr weiter vermindert. Abgesehen davon, dass § 14 Abs. 1 S. 4 RVG die Herabsetzung einer vom Rechtsanwalt unbillig zu hoch bestimmten Gebühr im Auge hat und nicht etwa die Heraufsetzung einer angeblich zu niedrig bestimmten Gebühr, zeigt die Entscheidung des OLG Koblenz a.a.O., dass die Verfahrensgebühr wegen der in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgesehenen Anrechnung eben nicht „von vorn herein nur in gekürzter Höhe“ entsteht.
Im Übrigen ist der VIII. ZS des BGH, ohne dies in seinem Beschluss vom 22. Januar 2008 zu erörtern – von der gefestigten Rechtsprechung des BGH zur vergleichbaren Anrechnung der Geschäftsgebühr in § 118 Abs. 2 S. 1 BRAGO abgewichen.
In seinem Urteil vom 14.09.2004, NJW-RR 2005, 499 = RVGreport 2004, 472 hat der VI. ZS ausgeführt, für die Vertretung der dortigen Klägerin im Schlichtungsverfahren bei einer ärztlichen Schlichtungsstelle sei zwar eine Geschäftsgebühr nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO angefallen, diese sei jedoch nach § 118 Abs. 2 BRAGO auf die entsprechenden Gebühren im anschließenden gerichtlichen Verfahren anzurechnen. Da diese Vorschrift – insoweit abweichend von Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG – die vollständige Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Prozessgebühr regelt, hätte dies in Anwendung der Auffassung des VIII. ZS zur Folge, dass dem Prozessbevollmächtigten überhaupt keine Prozessgebühr angefallen sein müsste. Der VI. Zivilsenat des BGH ist jedoch vom Anfall der Prozessgebühr und der nachfolgenden Anrechnung ausgegangen.
In seinem Urteil vom 05.12.1996, NJW 1997, 743 = Rpfleger 1997, 231 hat der IX. Zivilsenat des BGH ausgeführt, dass dann, wenn der Rechtspfleger im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 19 BRAGO die vom Rechtsanwalt geforderte Vergütung – hier einschließlich einer Prozessgebühr – in voller Höhe festgesetzt und eine nach § 118 Abs. 2 BRAGO in Betracht kommende Anrechnung einer bereits gezahlten Geschäftsgebühr unterlassen habe, die nachträgliche Anrechnung nicht im Wege der Vollstreckungsklage gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss geltend gemacht werden könne. Auch hier geht also der IX. Zivilsenat des BGH von einer vorzunehmenden Anrechnung der Geschäftsgebühr aus und nicht etwa davon, dass die der vollen Anrechnung unterliegende Prozessgebühr erst gar nicht entstanden sei.
Schließlich hat der I. ZS des BGH in seinem Urteil vom 26.04.1990, NJW-RR 1990, 1184 unter Rn. 40 seiner Entscheidung ausdrücklich eine Anrechnung einer Geschäftsgebühr für ein vorgerichtliches Abmahnschreiben auf die Prozessgebühr des gerichtlichen Verfahrens vorgenommen und – wegen unterschiedlicher Gegenstandswerte – einen Differenzbetrag ermittelt. Dieser Rechenvorgang wäre dann nicht erforderlich gewesen, wenn die Prozessgebühr – wie vom VIII. ZS des BGH angenommen – „von vorn herein nur in gekürzter Höhe“ entstanden wäre.
2. Außerdem führt die Rechtsprechung des BGH zu Ergebnissen, die mit den Grundsätzen der Kostenerstattung nicht in Übereinstimmung zu bringen sind. So erhält die erstattungsberechtigte Partei, die ihren Prozessbevollmächtigten mit der vorgerichtlichen Vertretung beauftragt hat, trotz der in § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO angeordneten Erstattung der gesetzlichen Gebühren und Auslagen von der Verfahrensgebühr nur deshalb lediglich einen Teilbetrag erstattet, weil sie eben ihrem Prozessbevollmächtigten ein Vertretungsmandat erteilt hat. Dies gilt selbst in den Fällen, in denen der erstattungsberechtigten Partei für die außergerichtlich angefallenen Kosten ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch nicht zur Verfügung steht, wie es beim Beklagten regelmäßig und bei der klagenden Partei sehr häufig der Fall ist.
Umgekehrt führt die Rechtsprechung des BGH in vielen Fällen zur Festsetzung eines zu hohen Betrages. Nach den Ausführungen des VIII. ZS des BGH in seinem Beschluss vom 22.01.2008 ist nämlich eine Anrechnung nicht von Amts wegen, sondern erst auf substantiierten, über eine Äußerung bloßer Vermutungen hinausgehenden Einwand des Festsetzungsgegners zu beachten. Bei Unaufklärbarkeit der Anrechnungsvoraussetzungen gehe die Beweislastentscheidung zu Lasten der erstattungspflichtigen Partei. Kann somit der Erstattungspflichtige nicht hinreichend substantiiert vortragen, dass dem Prozessbevollmächtigten des Erstattungsberechtigten für vorgerichtliche Vertretungstätigkeit eine Geschäftsgebühr angefallen ist, wird somit die Verfahrensgebühr in unverminderter Höhe festgesetzt, obwohl sie nach Auffassung des BGH „von vorn herein nur in gekürzter Höhe“ entstanden ist. Die Rechtsprechung des BGH führt also in den Fällen, in denen zwar eine Geschäftsgebühr entstanden, ihr Anfall nicht substantiiert dargetan wird, in der Auslegung des BGH zur Festsetzung von Kosten, die der erstattungsberechtigten Partei in dieser Höhe in Form der unverminderten Verfahrensgebühr gar nicht angefallen sind. Die Festsetzung nicht entstandener Kosten ist jedoch dem Recht der Kostenerstattung fremd.
3. Der mehrfach erwähnten Grundsatzentscheidung des VIII. ZS des BGH haben sich bisher sämtliche mit der Sache befassten Senate des BGH angeschlossen. Auch die meisten Senate der OLG vertreten hinsichtlich der Berücksichtigung der Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren die selbe Auffassung wie der BGH. Nur der 1. ZS des KG RVGreport 2009, 29 = NJW-RR 2009, 427 = AnwBl. 2009, 236 hat sich der Auffassung von Hansens, RVGreport 2007, 241 ff., 282 ff. angeschlossen, die Anrechnung der Geschäftsgebühr sei im Kostenfestsetzungsverfahren nur ausnahmsweise dann zu berücksichtigen, wenn der Erstattungspflichtige die Geschäftsgebühr gezahlt oder wenn die Geschäftsgebühr im Rechtsstreit tituliert worden ist.
III.
Beim Bundesministerium der Justiz ist frühzeitig bemerkt worden, dass sich die vorstehend erläuterte Rechtsprechung des BGH zur Anrechnung der Geschäftsgebühr in eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Richtung entwickelt hatte. Mit seinem „Problempapier“ vom 05. Juni 2008 hat das BMJ eine erste Lösungsskizze zu einer gesetzlichen Neuregelung entworfen (siehe hierzu Hansens, RVGreport 2008, 293). Nunmehr ist in Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2249, 2270), die die Anrechnung von Gebühren regelnden neue Vorschrift des § 15a RVG eingefügt worden. Diese Vorschrift regelt in ihrem Abs. 1 die Anrechnung im Innenverhältnis (siehe hierzu ausführlich Hansens, RVGreport 2009, 161, 162; 201 ff. sowie AnwBl. 2009, 535 ff.), während in ihrem Abs. 2 die Wirkung der Anrechnung im Verhältnis zu Dritten geregelt ist (siehe Hansens, RVGreport 2009, 161, 162 und 201, 202). Danach kann sich ein Dritter auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in dem selben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Keiner dieser abschließend geregelten Fälle ist hier gegeben, so dass sich die Beklagte in Anwendung des § 15a Abs. 2 RVG hier nicht auf die Anrechnung der gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehenden 1,3 Geschäftsgebühr berufen kann.
4. Die Bestimmung des § 15a Abs. 2 RVG ist hier anwendbar. Gem. Art. 10 S. 2 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht tritt diese Vorschrift – neben vielen anderen – am Tage nach der Verkündung in Kraft. Das genannte Gesetz ist im BGBl. am 4. August 2009 veröffentlicht worden, so dass es am 5. August 2009 in Kraft getreten ist.
Dem gegenüber regelt sich das Inkrafttreten jedenfalls der hier anwendbaren Bestimmung des § 15a Abs. 2 RVG nicht nach der allgemeinen Übergangsvorschrift des § 60 RVG, die auf den Zeitpunkt des unbedingten Auftrages abstellt. Diese Vorschrift bestimmt nämlich, dass die Vergütung unter den näher aufgeführten Voraussetzungen „nach bisherigem Recht zu berechnen ist“. Hier geht es jedoch nicht um die Berechnung der Vergütung, sondern um die Wirkung der Gebührenanrechnung im Verhältnis zu dem Dritten, hier also um die Höhe des Erstattungsanspruchs der Kläger. Diese Frage hat mit der Berechnung der Anwaltsvergütung nichts zu tun. Ebenso wie die Neuregelung bei Vergütungs- und Erfolgshonoraren zum 01.07.2008 ohne Anwendung der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 S. 1 RVG sofort zum 01.07.2008 in Kraft getreten ist (siehe hierzu Hansens, RVGreport 2008, 226 ff.), ist auch die Neufassung des § 15a Abs. 2 RVG direkt ab Inkrafttreten der Vorschrift anwendbar (so auch Hansens RVGreport 2009, 241, 246 und AnwBl. 2009, 535, 540).
Für eine sofortige Anwendung der Neuregelung spricht auch der Umstand, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung des § 15a RVG lediglich das geregelt hat, was sich seiner Auffassung nach bereits aus der früheren Fassung des RVG ergeben hat. Aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/12717 S. 67 f.) folgt nämlich, dass der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BGH ausdrücklich rückgängig machen wollte:
„Dieses Verständnis der Anrechnung (in der Rechtsprechung des BGH) führt zu unbefriedigenden Ergebnissen, weil es den Auftraggeber benachteiligt …. Eine kostenbewusste Partei müsste deshalb die außergerichtliche Einschaltung eines Rechtsanwalts ablehnen und ihm statt dessen sofort Prozessauftrag erteilen. Soweit Rahmengebühren anzusetzen sind, wird das Kostenfestsetzungsverfahren überdies mit einer materiell-rechtlichen Prüfung belastet, für die es sich nicht eignet. Beides läuft unmittelbar den Absichten zuwider, die der Gesetzgeber mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verfolgt hat.“
Dem gegenüber führte die Anwendung der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 S. 1 RVG dazu, dass die Neuregelung des § 15a Abs. 2 RVG unter Umständen für einen langen Zeitraum nicht anwendbar wäre. Denn die Frage der Berücksichtigung der Anrechnung einer Gebühr stellt sich erst, wenn überhaupt eine zweite der Anrechnung unterliegende Gebühr entstanden ist. Folglich wäre in dem hier zu entscheidenden Fall bei Anwendung des § 60 Abs. 1 S. 1 RVG darauf abzustellen, wann die Kläger ihrem Prozessbevollmächtigten den Prozessauftrag für den vorangegangenen Rechtsstreit erteilt haben. Dies ist hier jedenfalls vor dem 02. Dezember 2008, dem Datum der Klageschrift, erfolgt, was zur Folge hätte, dass die Neuregelung des § 15a Abs. 2 RVG in diesem Fall keine Anwendung findet. Es ist jedoch nicht sachgerecht und dem Bürger auch nicht zuzumuten, eine vom Gesetzgeber als unrichtig angesehene und mit der Neuregelung wieder rückgängig gemachte Rechtsprechung auch nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Änderungsgesetzes noch weiter anzuwenden.
Im Übrigen hat auch der BGH eine Gesetzesänderung sogar rückwirkend in Altfällen angewandt. So hat er in seinem Urteil vom 24.04.2008, NJW-RR 2008, 1647 = AnwBl. 2008, 630 = RVGreport 2008, 256 = zfs 2008, 465 mit Anmerkung Hansens, die zum 18. Dezember 2007 in Kraft tretende Änderung des § 49b Abs. 4 S. 2 BRAO wegen Verfassungswidrigkeit der Vorgängerregelung auch auf Altfälle vor dem Inkrafttreten der Neuregelung angewandt. Ob vergleichbar eine rückwirkende Anwendung des § 15a Abs. 2 RVG in Betracht kommt, bedarf keiner Entscheidung. Denn hier geht es um die Anwendung der Vorschrift ab dem Inkrafttreten der Neuregelung.
Dem gegenüber folgt die Kammer der – nicht näher begründeten Auffassung, es sei die Übergangsregelung des § 60 RVG anzuwenden, so Hess. LAG RVGreport 2009, 302; Volpert VRR 2009, 254, 257, nicht.
IV.
Zusammenfassend kann somit festgestellt werden: Die bisherige Rechtsprechung des BGH zur Berücksichtigung der Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren und dem folgend die Entscheidungen der meisten OLG zu dieser Frage beruhen auf einer unrichtigen Auslegung des Gebührenrechts und ist auch mit den hergebrachten Grundsätzen des Rechts der Kostenerstattung nicht vereinbar. Diese Rechtsprechung ist deshalb nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers, der in der Neufassung des § 15a Abs. 2 RVG zum Ausdruck kommt, ab dem Inkrafttreten dieser Neuregelung nicht mehr anwendbar. Dies führt im hier zu entscheidenden Fall dazu, dass die Verfahrensgebühr des Prozessbevollmächtigten der Kläger – wie von der Rechtspflegerin im angegriffenen Beschluss auch vorgenommen – in unverminderter Höhe auszugleichen ist.
V.
Die sofortige Beschwerde ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde an den BGH (§ 574 ZPO) liegen vor, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Zwar hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 15a RVG unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die bisherige Rechtsprechung des BGH zur Frage der Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hat. Jedoch stellt sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Neuregelung anzuwenden ist, auch in der Übergangszeit in einer Vielzahl von Fällen. Sie bedarf deshalb grundsätzlicher Klärung.
Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt einzulegen (§ 575 ZPO).


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