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RVG Entscheidungen

§ 48

Erstreckung; Verbindung von Verfahren

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Rostock, Beschl. v. 27. 04. 2009, I Ws 8/09 (RVG)

Fundstellen:

Leitsatz: Wird der Wahlverteidiger erst nach Verbindung der Verfahren zum Pflichtverteidiger bestellt, so bleiben die bereits zuvor und bis zur Verbindung in den Einzelsachen entstandenen Wahlverteidigergebühren bestehen. Er kann sie nicht nochmals als Pflichtverteidiger ersetzt verlangen. Vielmehr kann er die vor der Verbindung angefallenen Wahlverteidigergebühren allein gegenüber seinem Mandanten geltend machen.


I Ws 8/09 (RVG)
Oberlanddesgericht Rostock
BESCHLUSS
In der Strafsache

wegen Bedrohung u.a.

hier: Antrag des Pflichtverteidigers auf Bewilligung einer Pauschvergütung nach § 51 Abs. 1 RVG
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
nach Anhörung des Vertreters der Staatskasse und des Antragstellers
am 27. April 2009 beschlossen:
Der Antrag wird als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe:
Nach § 51 Abs. 1 RVG ist in Strafsachen dem gerichtlichen bestellten Rechtsanwalt (Pflichtverteidiger) auf dessen Antrag eine Pauschgebühr, die über die in dem Vergütungs-verzeichnis zum RVG bestimmten Gebühren für die Pflichtverteidigung in Strafsachen hinausgeht, nur dann zu bewilligen, wenn die dort vorgesehenen Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit für den Pflichtverteidiger unzumutbar sind.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Vertreters der Staatskasse in seiner Stellungnahme vom 07.04.2009, die dem Antragsteller bekanntgemacht worden ist. Dessen Gegenäußerung vom 13.04.2009 gibt keinen Anlass zu anderer Beurteilung.
Lediglich ergänzend bleibt anzumerken:
1.
Eine vom Senat angeforderte Stellungnahme des Tatrichters zu den Voraussetzungen des
§ 51 RVG liegt nicht vor. Sie ist nunmehr auch entbehrlich, weil sich der Senat anhand der ihm jetzt vorliegenden Akten selbst ein Bild von Umfang und Schwierigkeit des Verfahrens machen konnte.
2.
Ausgangspunkt für die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pausch-vergütung vorliegen, sind die gesetzlichen Gebühren des Pflichtverteidigers. Solche können erst ab der Bestellung anfallen. Zuvor als Wahlverteidiger entfaltete Tätigkeiten und bereits dadurch entstandene Gebühren haben deshalb außer Betracht zu bleiben, sofern kein Fall des § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG vorliegt oder eine Entscheidung nach § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG ergangen ist. Dazu ist vorliegend Folgendes festzustellen:
Ausweislich der Verfügung des Strafrichters vom 18.01.2008 – 911 Ds 49/07 – erfolgte zunächst die Verbindung der den damaligen Angeschuldigten betreffenden Verfahren 911 Ds 49/07, 911 Ds 54/07, 911 Ds 91/07, 911 Ds 107/07, 911 Ds 187/07 und 911 Ds 143/07 unter Führung des Verfahrens 911 Ds 49/07 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung, bevor mit Beschluss vom selben Tag der Antragsteller, der bislang in den Verfahren 911 Ds 49/07, 911 Ds 54/07 und 911 Ds 107/07 jeweils als Wahlverteidiger aufgetreten war, zum Pflichtverteidiger im nunmehr führenden Verfahren bestellt wurde.
Mit Beschluss vom 03.04.2008 – 911 Ds 49/07 – erstreckte der Amtsrichter gemäß § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG die Wirkungen des § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG auch auf die hinzuverbundenen Verfahren 911 Ds 54/07 und 911 Ds 107/07. Hiervon ausgehend wurden dem Antragsteller mit – soweit ersichtlich noch nicht rechtskräftigem – Kostenfestsetzungbeschluss vom 18.11.2008 jeweils auch die Grund- und Verfahrensgebühren gem. VV 4101 und 4107 RVG sowie die Pauschale nach VV 7002 in den beiden hinzuverbundenen Verfahren als Pflicht-verteidigervergütung gewährt. Das war rechtsfehlerhaft.
Wird der Wahlverteidiger erst nach Verbindung der Verfahren zum Pflichtverteidiger bestellt, so bleiben die bereits zuvor und bis zur Verbindung in den Einzelsachen entstandenen Wahlverteidigergebühren bestehen. Er kann sie nicht nochmals als Pflichtverteidiger ersetzt verlangen. Das folgt aus § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 12.06.2008 – 1 AR (S) 13/08 – m.w.N). Das Problem der Erstreckung nach § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG stellt sich in derartigen Fällen nicht. Diese Vorschrift gelangt nur zur Anwendung, wenn der Rechtsanwalt in einem von mehreren Verfahren bereits als Pflichtverteidiger beigeordnet ist und dann zu diesem Verfahren weitere Verfahren, in denen er nicht als Pflichtverteidiger beigeordnet ist, hinzuverbunden werden ( OLG Jena, Beschluss vom 17.03.2008 – 1 AR (S) 3/08; OLG Hamm NStZ-RR 2005, 285). Das war nach dem Vorgesagten hier nicht der Fall. Der auf § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG gestützte „Erstreckungs-beschluss“ des AG Güstrow vom 03.04.2008 ist deshalb fehlerhaft. Die in den Ursprungs-verfahren 911 Ds 54/07 und 911 Ds 107/07 vor der Verbindung angefallenen Wahlverteidigergebühren kann der Antragsteller allein gegenüber seinem Mandanten geltend machen ( OLG Celle, Beschluss vom 02.01.2007 – 1 Ws 575/06 – zitiert nach juris).
Der fehlerhafte „Erstreckungsbeschluss“ bindet den Senat im Rahmen des gesonderten Pauschvergütungsverfahrens jedoch ebenso wenig, wie der darauf fußende, ebenfalls rechts-fehlerhafte und nach Aktenlage wohl noch nicht rechtskräftige Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.11.2008 ( OLG Jena, Beschluss vom 12.06.2008 – 1 AR (S) 13/08 ).
Die erst nach Verfahrensverbindung entfaltete Tätigkeit des Antragstellers als Pflichtverteidiger, die allein Maßstab für die Zuerkennung einer Pauschvergütung sein kann, ist mit den gesetzlichen Gebühren angemessen abgegolten. Die verbundene Sache war aus den vom Vertreter der Staatskasse zutreffend dargelegten Gründen weder besonders umfangreich noch besonders schwierig.


Einsender:

Anmerkung: Man ist ja immer wieder erstaunt, welche Schwierigkeiten auch fast fünf Jahre nach Inkrafttreten des RVG die Anwendung der Vorschrift des § 48 RVG und die Fragen der Erstreckung - auch OLG - noch immer machen. Die Entscheidung des OLG Ros-tock ist dafür auf der Grundlage des mitgeteilten Sachverhalts ein deutliches Beispiel.

1. Richtig ist zwar der Ansatz des OLG, dass die Frage der eigentlichen Erstreckung nach § 48 Abs. 5 S. 3 RVG nur dann eine Rolle spielt, wenn der RA in einem Verfah-ren als Pflichtverteidiger bereits beigeordnet ist, zu dem ein weiteres Verfahren, in dem er bis dahin nur als Wahlanwalt tätig gewesen ist, hinzuverbunden wird. Nur dann muss die Erstreckung ausgesprochen werden (vgl. OLG Jena, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.; Burhoff RVGreport 2004, 411 und 2008, 129 jew. m.w.N.). Insoweit geht es aber - entgegen der Ansicht des OLG Rostock - gar nicht um die Frage, ob der RA, der als Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist, Wahlanwaltsgebühren „noch einmal“ geltend machen kann, sondern nur darum, ob er als Pflichtverteidiger auch solche Tätigkeiten mit den gesetzlichen Gebühren vergütet bekommt, die er als Wahlanwalt in den hinzuverbundenen Verfahren erbracht hat. Die Frage der Wahl-anwaltsvergütung stellt sich für den Pflichtverteidiger doch gar nicht. Die ist nur von Bedeutung, wenn der Mandant frei gesprochen worden ist und er, der Mandant, ge-genüber der Staatskasse seinen Auslagenanspruch geltend macht. Insoweit also eine m.E. falsche Sicht der Dinge durch das OLG.

Die lässt sich i.Ü. auch nicht durch den Hinweis auf die Entscheidungen des OLG Hamm und des OLG Jena rechtfertigen. Denn diese OLG hatten die ihnen vorliegen-den vergleichbaren Fälle zutreffend behandelt und ausgeführt, dass dann, wenn die Beiordnung als Pflichtverteidiger der Verbindung nachfolgt, sich überhaupt nicht die Frage nach § 48 Abs. 5 S. 3 RVG stellt. Vielmehr seien das Fälle, die schon § 48 Abs. 5 S. 1 RVG erfasst würden. Insofern war (vorliegend) der „Erstreckungsbe-schluss“ des AG zwar überflüssig, die für die Verfahren 2 und 4 festgesetzten gesetz-lichen Gebühren sind aber zu Recht festgesetzt worden.

Auch der Hinweis des OLG Rostock auf eine Entscheidung des OLG Celle (Beschl. v. 2. 1. 2007, 1 Ws 575/06) hilft schließlich nicht. Denn dieses hat nur ausgeführt, dass nur der beigeordnete Verteidiger die Erstattung seiner Gebühren aus der Staatskasse verlangen kann. Eine gebührenrechtliche Rückwirkung der Beiordnung auf verbundene Verfahren, in denen ein Pflichtverteidiger zuvor nicht bestellt war, bedürfe einer ausdrücklichen Entscheidung des erkennenden Gerichts. Das ist nicht mehr und nicht weniger als in § 48 Abs. 5 S. 3 RVG geregelt ist.

2. Widerspruch erfordert auch der Hinweis des OLG darauf, dass Ausgangspunkt für die Bewilligung einer Pauschvergütung erst die ab Bestellung anfallen Tätigkeiten seien und zuvor als Wahlverteidiger entfaltete Tätigkeiten und bereits dadurch ent-standene Gebühren deshalb außer Betracht zu bleiben hätten, sofern kein Fall des § 48 Abs. 5 S. 1 RVG vorliegt oder eine Entscheidung nach § 48 Abs. 5 S. 3 RVG ergangen sei. Das ist zumindest insofern nicht zutreffend, als das RVG ja gerade in § 51 Abs. 1 S. 4 RVG auf § 48 RVG verweist; also anders als früher in § 99 BRAGO, wo nicht auf die Vorgängerschrift des § 97 Abs. 3 BRAGO verwiesen wurde. Nach § 48 Abs. 5 S. 1 RVG werden beim Pflichtverteidiger aber zuvor als Wahlanwalt entfal-tete Tätigkeiten immer auch zu gesetzlichen Gebühren führen und sind daher bei der Gewährung einer Pauschgebühr immer auch zu berücksichtigen. Der Fall des § 48 Abs. 5 S. 3 RVG ist ein Sonderfall.

3. Schließlich: Das OLG weist zweimal darauf hin, dass der Kostenfestsetzungsbe-schluss des AG „nicht rechtskräftig“ sei. Das ist der wohl mehr als deutliche Hinweis an die Staatskasse, Rechtsmittel gegen die nach Auffassung des OLG unzutreffende Festsetzung der gesetzlichen Gebühren in den Verfahren 2 und 4 einzulegen. Es ist nur zu hoffen, dass die damit dann befassten Stellen erkennen, wie falsch das OLG liegt und die - entgegen der Ansicht des OLG - zutreffende Kostenfestsetzung des AG bestätigen.


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