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RVG Entscheidungen

Nr. 4110 VV

Längenzuschlag; Berechnung der maßgeblichen Hauptverhandlungszeit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG München, Beschl. v. 23. 10. 2008, 4 Ws 150/08 (K)

Fundstellen:

Leitsatz: Bei der Festsetzung des Längenzuschlags aus Nr. 4128 VV RVG wird die Zeit der Mittagspause in die Dauer der Teilnahme des Verteidigers an der Hauptverhandlung nicht eingerechnet.


RVG VV Nr. 4128
OLG München, 4. Strafsenat, Beschluss vom 23.10.2008, 4 Ws 150/08 (K)
Sachverhalt:
Rechtsanwalt xxx beantragte, die ihm als Pflichtverteidiger des Angeklagten G im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Passau erwachsenen Gebühren und Auslagen auf insgesamt 1.546,76 € festzusetzen.

Die Kostenbeamtin des Amtsgerichts Passau setzte die dem Pflichtverteidiger aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf nur 1.418,24 € fest; sie hielt die beantragte Zusatzgebühr gemäß RVG Nr. 4128 VV (zuzüglich anteiliger Mehrwertsteuer) für nicht entstanden, weil am 10.3.2008 nicht mehr als fünf Stunden verhandelt worden sei. Denn die von 9.00 bis 14.20 Uhr andauernde Hauptverhandlung sei in der Zeit von 12.07 bis 14.00 Uhr unterbrochen worden.

Auf die Erinnerung des Pflichtverteidigers, der die Kostenbeamtin nicht abhalf, hob das Amtsgericht Passau den Kostenfestsetzungsbeschluss auf und setzte die dem Pflichtverteidiger aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf die beantragten 1.546,76 € fest. Das Amtsgericht berief sich insoweit auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 8.8.2005 - 4 Ws 118/05 -, wonach Verhandlungspausen die Dauer der Hauptverhandlung grundsätzlich nicht verkürzen.

Das Landgericht Passau verwarf die hiergegen eingelegte - und vom Amtsgericht zugelassene - Beschwerde des Bezirksrevisors und ließ seinerseits die weitere Beschwerde gegen seine Entscheidung zu.

Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Passau legte gegen den landgerichtlichen Beschluss für die Staatskasse weitere Beschwerde ein und beantragte, den angefochtenen Beschluss und den amtsgerichtlichen Beschluss aufzuheben und den ursprünglichen Rechtszustand (Festsetzung der Vergütung auf 1.418,24 €) wiederherzustellen. Er beruft sich insoweit vornehmlich auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 10.7.2007 - 2 Ws 124/07 (zitiert nach juris), wonach bei der Festsetzung des Längenzuschlags die Zeit der Mittagspause in die Dauer der Teilnahme des Verteidigers an der Hauptverhandlung nicht einzurechnen ist.

Das Landgericht Passau hat der weiteren Beschwerde des Bezirksrevisors nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vorgelegt. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

Aus den Gründen:
Die Beschwerde der Staatskasse ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG zulässig; der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt zwar nicht 200 €, jedoch hat das Landgericht die weitere Beschwerde gemäß § 33 Abs. 6 Satz 1 RVG zugelassen.

Die Beschwerde der Staatskasse hat auch Erfolg. Der Senat folgt insoweit dem
2. Strafsenat des Oberlandesgerichts München (Beschluss vom 12.11.2007 - 2 Ws 807-809/07 K), der seinerseits auf den Beschluss des 1. Strafsenats vom 1.2.2007 -
1 Ws 111/07 - Bezug genommen hat, wonach bei der Festsetzung des Längenzuschlags die Zeit der Mittagspause in die Dauer der Teilnahme des Verteidigers an der Hauptverhandlung nicht einzurechnen ist (ebenso OLG Koblenz [2. Strafsenat] NJW 2006, 1149; OLG Nürnberg Beschluss vom 22.10.2007 - 1 Ws 541/07 -; OLG Celle NStZ-RR 2007, 391; OLG Bamberg AGS 2006, 124; a.A. OLG Düsseldorf NStZ-RR 2006, 391; OLG Koblenz [1. Strafsenat] NJW 2006, 1150; OLG Stuttgart StV 2007, 479; OLG Hamm StrafO 2006, 173).

Nach dem eindeutigen Wortlaut der hier in Betracht kommenden RVG VV Nr. 4128 setzt deren Anwendung voraus, dass der Rechtsanwalt mehr als fünf bis acht Stunden an einer Hauptverhandlung teilgenommen hat. Eine Teilnahme an der Hauptverhandlung bedingt aber, dass sie stattfindet. Ist die Hauptverhandlung unterbrochen, kann der Rechtsanwalt an ihr nicht teilnehmen.

Allerdings ist auch der Senat der Auffassung, dass kurze Sitzungspausen „die Uhr weiterlaufen“ lassen, weil eine kleinliche Auslegung dieser Vorschrift zu unfruchtbaren Streitereien führen würde, zumal in diesen Pausen oft sitzungsrelevante Probleme zwischen den Prozessbeteiligten besprochen werden. Dies kann jedoch für längere Sitzungspausen, insbesondere die Mittagspause, nicht gelten. In dieser Zeit findet die Hauptverhandlung nicht statt und der Rechtsanwalt nimmt an ihr nicht teil (vgl. hierzu auch Hartmann Kostengesetze 37. Aufl. Rn. 2 zu RVG VV Nrn. 4110, 4111).

Auch Sinn und Zweck der Regelung und ihre thematische Stellung sprechen für diese Auslegung. Durch das Rechtsanwaltsvergütungsrecht sind die Gebühren für die gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwälte völlig neu geregelt worden. Zusätzlich können sie Zuschläge verdienen, wenn sie z.B. an einer Hauptverhandlung mehr als fünf bis acht Stunden oder mehr als acht Stunden teilgenommen haben.

Wartezeiten und Pausen werden im Rahmen dieser Gesetzessystematik bereits durch die großzügig erhöhte (allgemeine) Terminsgebühr (hier: 263 € gemäß RVG VV Nr. 4126, 4127) erfasst. So erhält ein im Strafrecht tätiger Rechtsanwalt nach VV RVG Teil 4 Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 auch dann die Terminsgebühr, wenn er zu einem Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die der Rechtsanwalt nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet. Wenn aber der bloße Zeitaufwand bereits durch die allgemeine Terminsgebühr abgegolten wird, muss mit dem Längenzuschlag etwas qualitativ anderes abgegolten werden als der bloße Zeitaufwand. Das kann nur die Tätigkeit als Verteidiger in der laufenden Hauptverhandlung sein.

Bei dieser Sachlage vermag die von den Oberlandesgerichten Düsseldorf, Koblenz, Stuttgart und Hamm (siehe oben aaO) vertretene Gegenmeinung nicht zu überzeugen, da sich diese aus der Sicht des Senats nicht mit dem Wortlaut von RVG VV Nr. 4128 und 4129 bzw. 4122 und 4123 vereinbaren lässt und zudem zu wenig berücksichtigt, dass es sich hierbei um eine Zusatzgebühr handelt, die bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zusätzlich zu der immer fällig werdenden Terminsgebühr anfällt (vgl. OLG München Beschluss vom 12.11.2007 - 2 Ws 807-809/07 (K)).

Zu Recht weist im Übrigen der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts München in seinem Beschluss vom 1.2.2007 - 1 Ws 111/07 - darauf hin, dass Mittagspausen allgemein der Regeneration dienen und üblicherweise von Rechtsanwälten auch an Arbeitstagen eingelegt werden, an denen sie ihrer beruflichen Tätigkeit außerhalb einer Hauptverhandlung nachgehen. Im Übrigen handelt es sich bei den Mittagspausen um eine „prozessneutrale“ Unterbrechung, während der der an dem Verfahren beteiligte Rechtsanwalt auch aus eigenem Interesse nicht an einer Verhandlung teilnimmt und deshalb eine zeitliche Beanspruchung seiner Arbeitskraft nicht geltend machen kann (OLG Zweibrücken NStZ-RR 2006, 392).

Nach alldem waren sowohl der Beschluss des Landgerichts als auch jener des Amtsgerichts aufzuheben und die dem Pflichtverteidiger aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf nur 1.418,24 € - wie bereits im Kostenfestsetzungsbeschluss festzusetzen.

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