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RVG Entscheidungen

Nr. 7003 VV

JVA-Besuche; Erstattungsfähigkeit; Beweislast; Fahrtkosten

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16. Mai 2008, III_VI 2/07

Fundstellen:

Leitsatz: 1. Die Staatskasse trifft die, dass Auslagen zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Partei, wie z.B. für Besuche des Pflichtverteidigers in der Justizvollzugsanstalt, nicht erforderlich waren.
2. Sofern der Verteidiger zu seinen Besuchen in der Justizvollzugsanstalt mit öffentlichen Verkehrsmitteln angereist ist und hierbei sog. eine Netzfahrkarte „Ticket 2000“ benutzt hat, kann er dafür nicht anteilige Anschaffungskosten nach § 46 Abs. 1 RVG als Auslagen erstattet verlangen.


OLG Düsseldorf
III-VI 2/07
In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.
wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß § 129b Abs. 1 i.V.m. § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB u.a,

wird auf die Erinnerung des Verteidigers Rechtsanwalt B. aus D. vom 22. April 2008 gegen des Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 14. April 2008 der dem Verteidiger aus der Landeskasse zu zahlende Vorschuss auf bereits entstandene Auslagen auf 2.079,11 Euro festgesetzt.

Gründe:

I. Rechtsanwalt B. aus D., der von Anbeginn des Ermittlungsverfahrens als Verteidiger für den Beschuldigten tätig ist, ist durch Beschluss des Senatsvorsitzenden vom 7. Mai 2008 (?: muss wohl heißen 2007) zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Nunmehr hat er als Vorschuss die Erstattung der ihm durch die Mandatswahrnehmung bereits entstandenen Auslagen in Höhe von 2.225,11 Euro beansprucht. Hierbei handelt es sich um die Kosten seiner Fahrten mit dem eigenen Pkw oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu Besuchen des Beschuldigten in der Justizvollzugsanstalt, zu einem gerichtlichen Haftprüfungstermin beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe sowie anlässlich eigener Ermittlungen in Bremen. In der Zeit vom 11. April 2008 bis 20. Dezember 2008 (muss wohl jeweils heißen 2007) hat der Verteidiger den Beschuldigten an 28 Terminen in der Justizvollzugsanstalt aufgesucht. Neben den Fahrkosten hat er jeweils ein Abwesenheitsgeld in unterschiedlicher Höhe geltend gemacht.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat bei der Festsetzung nur jeweils zwei Besuche pro Monat in der JVA Wuppertal - für den gesamten Abrechnungszeitraum also 18 Besuchsreisen - als notwendig anerkannt. Für jede einzelne dieser Reisen hat er die Nutzung eines PKW's mit 35,40 Euro (2 x 59 km x 0,30 Euro) sowie ein Abwesenheitsgeld von 20 Euro angesetzt. Die angemeldeten Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder der beiden Reisen nach Karlsruhe und Bremen hat der Urkundsbeamte in voller Höhe festgesetzt. Insgesamt ergab sich ein Anweisungsbetrag von 1.642,72 Euro.

Mit seiner Erinnerung wendet sich Rechtsanwalt B. dagegen, dass nicht sämtliche seiner Reisen zu Mandantengesprächen in der Justizvollzugsanstalt als notwendig anerkannt wurden. Er ist der Auffassung, deren Erforderlichkeit bestimme er als Verteidiger alleine in beruflicher Unabhängigkeit. Angesichts des sehr umfangreichen Aktenmaterials sei mit Mandantenbesuchen alle zwei Wochen nicht auszukommen. Soweit die Vertreterin der Landeskasse in ihrer Stellungnahme einer Erstattung der anteiligen Kosten eine „Ticket 2000“ entgegengetreten sei, weise er darauf hin, dass das „Ticket 2000“ nicht mit einer Bahncard gleich gleichgesetzt werden könne. Letztere eröffne dem Bahnkunden einen bestimmten Preisnachlass, wohingegen das „Ticket 2000“ die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel im Tarifbereich (ohne weitere Kosten) ermögliche. Dadurch entstünden monatliche Fixkosten für sämtliche Reisen. Die anteiligen Kosten des „Ticket 2000“ habe er mit 2 Euro pro Fahrt in Ansatz gebracht.

II: Die zulässige Erinnerung, über die gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG ein Senatsmitglied als Einzelrichter zu entscheiden hat, ist im wesentlichen begründet.

1. Rechtsanwalt B. beanstandet zu Recht die von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle der vorgenommene Begrenzung der- Anzahl notwendiger Verteidigergespräche in der Justizvollzugsanstalt. Gemäß § 46 Abs. 1 RVG werden Reisekosten nicht vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren“. Nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucksache 15/1971 Seite 200 zu § 46 RVG) begründet diese negative Formulierung „eine Beweislast für die Staatskasse, dass Auslagen zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Partei nicht erforderlich waren. Hieran soll festgehalten werden. Im Zweifel ist die Notwendigkeit der Auslagen anzuerkennen Es ist nicht Aufgabe des Urkundsbeamten oder des auf die Erinnerung entscheidenden Gerichts, seine eigene Auffassung an die Stelle der Meinung des Rechtsanwalts zu setzen. Der Rechtsanwalt hat den Rechtsstreit geführt; nur er ist für die sachgemäße Wahrnehmung der Interessen der Partei verantwortlich." Diese Interpretation entspricht der herrschenden Meinung der Kommentarliteratur (Gerold/Schmidt-von Eicken/Madert, RVG, 17. Aufl., § 46 Rdnr. 3; Riedel/Sußbauer/Schneider, RVG, 9. Aufl., § 46 Rdnr. 2; Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., Rdnr. 2; jeweils unter Hinweis auf die BT-Drucksache a.a.O.).

Gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass einzelne Besuchsreisen - aus damaliger Sicht - unnötig verursacht wurden und zur sachgemäßen Verteidigung nicht erforderlich waren, sind nicht erkennbar. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass wegen der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Tatvorwurfs der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung und des weit überdurchschnittlichen Umfangs der Ermittlungsakten ein außerordentlich hoher Besprechungsbedarf besteht. Diese Erschwernisse haben ihren Niederschlag u.a. auch in dem Umstand gefunden, dass eine Anklage bsiher nicht erhoben werden konnte. Zusätzlicher Beratungsbedarf des Beschuldigten dürfte sich auch wegen seiner im Verlauf der Untersuchungshaft durchgeführten psychiatrischen Begutachtung ergeben haben. Im Ergebnis sind die von dem Verteidiger in einem Zeitraum von neun Monaten durchgeführten 28 besuche bei dem Beschuldigten in der Justizvollzugsanstalt als notwendig im Sinne von § 46 Abs. 1 RVG anzuerkennen.

2. Sofern der Verteidiger zu seinen Besuchen in der Justizvollzugsanstalt mit öffentlichen Verkehrsmitteln angereist ist und hierbei seine Netzfahrkarte „Ticket 2000“ benutzt hat, handelt es sich bei den von ihm geltend gemachten anteiligen Anschaffungskosten nicht um nach § 46 Abs. 1 RVG zu erstattende Auslagen. Diese Vorschrift dient ausschließlich der Deckung im jeweiligen Verfahren konkret angefallener Auslagen und umfasst daher weder Anteile allgemeiner Geschäftskosten noch die Erstattung fiktiver Reisekosten (OVG Münster NJW 2006, 1897, für den vergleichbaren Fall einer Jahresnetzkarte „Bahncard 100"). Wie Rechtsanwalt B. in seiner Schrift zur Begründung der Erinnerung ausgeführt hat, verursacht sein „Ticket 2000" ebenfalls „für sämtliche Reisen in einem Monat Fixkosten". Solche Kosten sind nach allgemeiner Meinung nicht als Auslagen erstattungsfähig, weil sie keinem bestimmten Verfahren zugeordnet werden können. Es handelt sich vielmehr um allgemeine Geschäftskosten, die aus dem Gebührenaufkommen des Rechtsanwalts bestritten werden müssen (vgl. z.B. OLG Celle MDR 2004, 1445; VG Ansbach AnwBl. 2001, 185; OLG KarIsruhe Rpfleger 2000, 129; Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 17, Aufl., VV 7003-7004 Rdnr. 21; Hartmann Kostengesetze, 36. Auf., VV 7006 Rdnr. 23). Die Netzfahrkarte „Ticket 2000" wird genauso wie eine "Bahncard" typischerweise für eine unbestimmte Vielzahl von - aus unterschiedlichem Anlass unternommenen - Geschäftsreisen und gegebenenfalls auch privat veranlasster Fahrten angeschafft und genutzt.

3. Für die Abrechnung der dem Verteidiger gemäß § 46 Abs. 1 RVG zu erstattenden Auslagen ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, dass sämtliche zur Festsetzung angemeldete Geschäftsreisen zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich waren und die jeweiligen Fahrtksoten (abzüglich anteiliger Kosten für das „Ticket 2000“) zuzüglich der jeweiligen Abwesenheitsgelder zu vergüten sind. Rechtsanwalt B. benutzte sein „Ticket 2000“ bei insgesamt neun Geschäftsreisen. Für die Hin- und Rückfahrten setzte er dabei ejweils zwei Euro, zusammen vier Euro, an. Nach Abzug von insgesamt 36 Euro verbleibt ein Erstattungsbetrag von 2.079,11 Euro.

III. Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).

Einsender: Rechtsanwalt Budde, Dortmund

Anmerkung:


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