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Leitsatz: Die Dauer der Mittagspause kann nicht von der Hauptverhandlungsdauer abgezogen werden.
Beschluss vom 08. November 2007 in der Strafsache gegen wegen Untreue u. a. hier: Beschwerde im Verfahren über die Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung
Auf die Beschwerde des Verteidigers wird der Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 28. Juni 2007 aufgehoben, soweit mit ihm die Erinnerung vom 29. März 2007 gegen den Beschluss vom 20. März 2007 zurückgewiesen worden ist.
Die aus der Staatskasse an Rechtsanwalt R U zu zahlende Vergütung wird auf seinen Antrag vom 27. Februar 2007 auf 7.055,75 EUR (siebentausendfünfundfünfzig 75/100 Euro) festgesetzt.
Auf seinen Antrag bereits ausbezahlte oder festgesetzte Gebühren sowie Vorschüsse im Sinne von § 58 RVG sind anzurechnen. @09Gründe:
I.
Mit Verfügung vom 21. Dezember 2006 wurde Rechtsanwalt U dem Angeklagten D als weiterer Pflichtverteidiger im Verfahren vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Chemnitz beigeordnet. Mit Schreiben vom 27. Februar 2007 beantragte er die Festsetzung eines Vorschusses auf die Pflichtverteidigervergütung für die Zeit bis zum 26. Februar 2007 in Höhe von 7.055,75 EUR. Dabei machte er für die Teilnahme an den am 21. Dezember 2006 und 09. Februar 2007 durchgeführten Hauptverhandlungsterminen jeweils die Zusatzgebühr nach Nr. 4122 VV RVG in Höhe von jeweils 178,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer geltend. Für die am 26. Februar 2007 durchgeführte Hauptverhandlung machte er die Zusatzgebühr nach Nr. 4123 VV RVG in Höhe von 356,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer geltend.
Die Sitzung am 21. Dezember 2006 begann an diesem Tag um 9.10 Uhr. Die Sitzung wurde von 9.15 Uhr bis 9.33 Uhr unterbrochen. Eine weitere Unterbrechung erfolgte um 10.18 Uhr. Die Sitzung wurde um 14.12 Uhr fortgesetzt und war um 14.18 Uhr beendet.
Die Sitzung am 26. Februar 2007 begann um 9.01 Uhr. Die Hauptverhandlung wurde von 9.51 Uhr bis 9.57 Uhr, von 11.10 Uhr bis 11.23 Uhr, von 12.03 Uhr bis 12.05 Uhr und sodann - im Protokoll als Mittagspause gekennzeichnet - von 12.31 Uhr bis 13.06 Uhr unterbrochen. Danach wurde die Hauptverhandlung von 13.56 Uhr bis 14.06 Uhr und von 15.32 Uhr bis 15.40 Uhr unterbrochen und um 17.08 Uhr beendet.
Mit Beschluss vom 20. März 2007 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die zu zahlende Vergütung auf 6.420,29 EUR fest, setzte allerdings die Gebühr für die Hauptverhandlung am 26. Februar 2007 gemäß Nr. 4123 VV RVG auf 178,00 EUR (Nr. 4122 VV RVG) herab. Für die Hauptverhandlungen am 21. Dezember 2006 und 09. Februar 2007 setzte er die Gebühren nach Nr. 4122 VV RVG jeweils vollständig ab.
Gegen den Festsetzungsbeschluss richtete sich die Erinnerung des Verteidigers vom 29. März 2007, der der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nicht abhalf.
Mit Beschluss vom 28. Juni 2007 hat das Landgericht auf die Erinnerung des Verteidigers die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf weitere 178,00 EUR festgesetzt und im Übrigen die Erinnerung zurückgewiesen. Die Hauptverhandlung am 09. Februar 2007 habe länger als fünf Stunden gedauert. Deshalb sei eine Gebühr von 178,00 EUR angefallen. Die Hauptverhandlung am 26. Februar 2007 habe nicht länger als acht Stunden gedauert, weil die Mittagspause abzuziehen sei. In der Hauptverhandlung vom 21. Dezember 2006 habe der Verteidiger die Unterbrechung auch für seine anderweitige Berufsausübung nutzen können. Er habe zwar seine Kanzlei in Leipzig wegen der Entfernung nicht aufsuchen können. Er verfüge jedoch über ein tragbares Telefon; das Landgericht Chemnitz verfügt über eine wohlsortierte Bibliothek, die auch Rechtsanwälten zur Verfügung stehe.
Gegen den am 06. Juli 2007 zugegangenen Beschluss richtet sich die am 12. Juli 2007 beim Landgericht Chemnitz eingegangene Beschwerde des Verteidigers. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat - obgleich sie im Beschwerdeverfahren nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG nicht beteiligt ist - beantragt, die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zu verwerfen.
II.
1. Nachdem das Verfahren vor dem Landgericht der Kammer übertragen war, entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Richtern (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).
2. Die Beschwerde erweist sich als zulässig. Der gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG notwendige Beschwerdewert von 200,00 EUR ist überschritten. Der Verteidiger hat die Festsetzung von Gebühren und Umsatzsteuer in Höhe von 7.055,76 EUR beantragt; ihm sind jedoch nur 6.420,29 EUR durch den Festsetzungsbeschluss und weitere 178,00 EUR durch den angegriffenen Beschluss des Landgerichts zuerkannt worden.
3. Die danach zulässige Beschwerde erweist sich auch als begründet.
Der Verteidiger hat am 26. Februar 2007 an einer Hauptverhandlung mit einer Dauer von mehr als acht Stunden und am 21. Dezember 2006 an einer Hauptverhandlung mit einer Dauer von mehr als fünf Stunden teilgenommen.
a) Die Dauer der Mittagspause kann nicht von der Hauptverhandlungsdauer abgezogen werden.
Es besteht in Rechtsprechung und Literatur weitgehend Einigkeit, dass kürzere Unterbrechungen der Hauptverhandlung von deren Dauer nicht abgezogen werden können. Die Frage, ob dies auch für die den Verteidigern schon aus Gründen der Fürsorgepflicht des Gerichts zuzubilligenden Mittagspausen gilt, ist in Rechtsprechung und Literatur hingegen umstritten. Die gegenteilige Auffassung stellt maßgeblich auf den Wortlaut des Gesetzes ab, wonach nur Zeiten der tatsächlichen Teilnahme an der Hauptverhandlung vergütet werden können (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 10. Juli 2007, Az.: 2 Ws 124/07 m.w.N. = StRR 2007, 203 [redaktioneller Leitsatz]).
Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Er ist vielmehr mit dem Oberlandesgericht Düsseldorf (NStZ-RR 2006, 391) der Auffassung, dass einer am Gesetzeszweck orientierten Auslegung der Vorzug zu geben ist. Danach soll durch den Längenzuschlag ein besonderer, nach früherer Rechtslage und Rechtsprechung regelmäßig zur Bewilligung einer Pauschbebühr gemäß § 99 BRAGO führender Zeitaufwand des gerichtlich bestellten Verteidigers für die anwaltliche Tätigkeit angemessen honoriert werden und dieser nicht mehr ausschließlich auf die Bewilligung einer Pauschgebühr angewiesen sein (BT-Drucks. 15/1971, S. 224). Danach kam es dem Gesetzgeber darauf an, durch das neue Gebührenrecht die Fälle zurückzudrängen, in denen die Bewilligung einer Pauschgebühr aufgrund der Länge der Hauptverhandlung geboten ist. Vor diesem Hintergrund hält der Senat an seiner ständigen Rechtsprechung fest, nach der er bei der Bewilligung einer Pauschvergütung gemäß § 99 BRAGO bei besonders lang dauernden Hauptverhandlungsterminen ebenfalls nicht die Dauer von Mittagspausen abgezogen hat.
Im Übrigen sprechen gegen einen Abzug der Mittagspause auch Praktikabilitätsgesichtspunkte. Es wird Hauptverhandlungsprotokollen im Gegensatz zum vorliegenden Fall nicht immer mit der notwendigen Klarheit zu entnehmen sein, ob Unterbrechungen (auch) einer Mittagspause zur Erholung gedient haben. Es würde damit ausschließlich von der Formulierung des Hauptverhandlungsprotokolls abhängen, ob einem Verteidiger ein Längenzuschlag zugebilligt werden müsste. Diese Feststellungen lassen sich im Kostenfestsetzungsverfahren bei unklaren Formulierungen des Hauptverhandlungsprotokolls nur noch schwer treffen (vgl. auch OLG Dresden, Beschluss vom 08. November 2007, Az.: 3 Ws 89/07).
b) In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch längere Sitzungspausen grundsätzlich nicht von der Verhandlungsdauer in Abzug zu bringen sind. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und inwieweit der Verteidiger die Sitzungspause anderweitig für seine berufliche Tätigkeit sinnvoll hätte nutzen können, wobei schon aus Gründen der Praktikabilität kein an individuellen Möglichkeiten ausgerichteter Maßstab anzulegen ist. Es kann nämlich nicht darauf ankommen, ob ein Verteidiger in einer Sitzungspause mittels technischer Hilfsmittel einen Schriftsatz verfassen oder sonst zügig eine bestimmte Sache im Gerichtsgebäude bearbeiten kann, während ein anderer Verteidiger nicht über solche Möglichkeiten verfügt. Ein Abzug ist jedenfalls vorzunehmen, wenn die Sitzungsunterbrechung gerade deshalb angeordnet wurde, um dem Verteidiger die Wahrnehmung eines anderen Termins zu ermöglichen. Auch kann etwa die Entfernung des Kanzleisitzes für die Beurteilung von Bedeutung sein, ob der Verteidiger eine längere Sitzungspause anderweitig für seine berufliche Tätigkeit sinnvoll hätte nutzen können (OLG Düsseldorf NStZ-RR 2006, 391).
Im vorliegenden Fall begann die Sitzung am 21. Dezember 2006 um 9.10 Uhr und endete um 14.18 Uhr. Die darin enthaltene Pause von drei Stunden und 45 Minuten von 10.19 Uhr bis 14.12 Uhr beruhte darauf, dass die Kammer über Befangenheitsanträge zu entscheiden hatte. Diese Pause konnte durch den Verteidiger nicht anderweitig beruflich genutzt werden. Der Verteidiger kann auch nicht darauf verwiesen werden, eine nahezu vierstündige Pause durch beruflich veranlasste Telefonate zu überbrücken oder für den Fall unvorhersehbarer Unterbrechungen der Hauptverhandlung Akten bei sich zu führen, die er mit Hilfe der wohlsortierten Bibliothek des Landgerichts bearbeiten könnte.
c) Soweit das Landgericht dem Verteidiger für die am 09. Februar 2007 durchgeführte Hauptverhandlung die Zusatzgebühr gemäß Nr. 4122 VV RVG in Höhe von 178,00 EUR zugebilligt hat, hat es rechtsfehlerhaft die Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG unberücksichtigt gelassen.
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