Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

RVG Entscheidungen

Nr. 4110 VV

Längenzuschlag, Pflichtverteidiger, massgebliche Hauptverhandlungsdauer

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Dresden, Beschl. v. 20.03.2008, 4 KLs 300 Js 15853/07

Fundstellen:

Leitsatz: Bei der Berechnung der für die Gewährung eines Längenzuschlags für den Pflichtverteidiger maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer werden Wartezeiten des Rechtsanwalts berücksichtigt.


Landgericht Dresden

Aktenzeichen:
4 KLs 300 Js 15853/07 LG Dresden
Beschluss der 4. Großen Strafkammer vom 20.3.2008
In der Strafsache pp.
wegen Diebstahls u.a.
hier: Erinnerung gegen Kostenfestsetzung
1. Auf die Erinnerung des Verteidigers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Dresden vom 2.1.2008 wird dieser dahingehend abgeändert, dass dem Erinnerungsführer ein weiterer Betrag in Höhe von 216,- € zuzüglich 19% USt, insgesamt 2.684,04 € zu erstatten ist.
2. Der Beschwerdewert wird auf 257.03- € festgesetzt.
3. Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Der Erinnerungsführer beantragte mit Schriftsatz vom 18.10.2007 die Festsetzung von Rechtsanwaltsgebühren. Hierbei beantragte er u.a. für die Sitzungstage am 28.9., 17.10. und 18. 10.2007 eine Zusatzgebühr gem. Nr. 4116 VV RVG in Höhe von jeweils 108,-
€, da die Verhandlung an diesen Tagen jeweils mehr als 5 Stunden und bis zu 8 Stunden gedauert habe. Für den Sitzungstag am 16.10.2007 begehrte er die Festsetzung einer Gebühr gem. Nr. 4117 VV RVG in Höhe von 216,- €, da die Hauptverhandlung länger als 8 Stunden gedauert habe.
Insgesamt begehrte der Erinnerungsführer die Festsetzung seiner Gebühren auf insgesamt 2.684,04 €.
Die zuständige Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle lehnte die beantragte Gebühr Nr. 4116 VV RVG für die Hauptverhandlung am 28.9.2007 (Sitzungsdauer 9.15 Uhr bis 14.15 Uhr) ab. Die für den 16.10.2007 beantragte Gebühr gem. Nr. 4117 VV RVG (Sitzungsdauer von 10.10 Uhr bis 18.08 Uhr) lehnte sie ebenfalls ab, bewilligte stattdessen für diesen Verhandlungstag jedoch eine Gebühr gem. Nr. 4116 VV RVG in Höhe von 108,- €.
Zur Begründung führte sie aus, dass die Verhandlung an diesen Sitzungstagen weniger als 5 bzw. weniger als 8 Stunden gedauert habe. Für die Berechnung der Sitzungsdauer sei ausschließlich auf den im Protokoll vermerkten Beginn der Sitzung und nicht auf die Ladung des Verteidigers abzustellen.
Im Übrigen bewilligte die Urkundsbeamtin die begehrten Gebühren und setzte die zu erstattenden Gebühren auf insgesamt 2.427,01 € fest.
Hiergegen richtet sich die Erinnerung, die u.a. mit dem durch das Gericht in der Ladung festgesetzten Beginn der Sitzungstage begründet wurde. Hiernach sei der Sitzungsbeginn für den 28.9.2007 auf 9.00 Uhr und für den 16.10.2007 auf 10.00 Uhr bestimmt worden. Wartezeiten seien auf die tatsächliche Verhandlungsdauer nicht anzurechnen.
Die zulässige Erinnerung ist begründet.
Dem Erinnerungsführer stehen die von ihm geltend gemachten Gebühren für die Verhandlungstage am 28.9.2007 und 16.10.2007 (VV 4116; 4117) zu.
Die Urkundsbeamtin geht zwar zutreffend davon aus, dass sich aus den jeweiligen Teilen des Sitzungsprotokolls die Dauer der Termine von 9.15 Uhr bis 14.15 Uhr (28.9.2007) und von 10.10 bis 18.08 Uhr (16.10.2007) ergibt.
Es ist bei der Vergütung des Pflichtverteidigers jedoch entgegen der von der Urkundsbeamtin vertretenen und auf die Entscheidung des OLG Saarbrücken vom 20.2.2006 (NStZ - RR 2006, 191f.) gestützten Ansicht auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Verteidiger geladen worden ist.
Dem OLG Saarbrücken ist zwar zuzugeben, dass die Verhandlung gem. § 243 Abs. 1 StPO mit Aufruf der Sache beginnt, jedoch muss dies nicht notwendigerweise zur Folge haben, dass dies auch für die Berechnung der Dauer der Hauptverhandlung gilt.
Es ist insoweit anerkannt, dass dem Begriff der Hauptverhandlung im Gebührentatbestand der Nr. 4116 u. 4117 VV RVG keineswegs zwingend die gleiche Bedeutung zukommt, wie dem in § 243 Abs. 1 StPO, da im Rahmen der Auslegung der unterschiedliche Gesetzeszweck zu berücksichtigen ist (vgl. OLG Karlsruhe StV 2006. 202).
Dem steht auch die im Vergütungsverzeichnis verwendete Formulierung („Der gerichtlich bestellte oder beigeordnete RA nimmt mehr als fünf bis acht Stunden bzw. mehr als acht Stunden an der Hauptverhandlung teil ...") nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat feste Terminsgebühren geschaffen, auf deren Höhe die Umstände des Einzelfalles keinen Einfluss haben sollen und so der besondere Zeitaufwand für die anwaltliche Tätigkeit angemessen honoriert wird. Dies auch mit dem Ziel, ansonsten notwendige Anträge auf Pauschvergütung zu vermeiden (so auch OLG Stuttgart StV 2006, 200).
Zudem verweist die Gesetzesbegründung auf die bisherige Rechtsprechung der Obergerichte zu § 99 BRAGO. Hierzu war es anerkannt, dass der verspätete Beginn der Hauptverhandlung, soweit er nicht auf ein Verhalten des Verteidigers zurückzuführen war, oder Sitzungspausen für die Dauer der Hauptverhandlung und zur Bestimmung der Gebühr heranzuziehen sind (vgl. u.a. OLG Hamm MDR 94, 736; OLG Karlsruhe AGS 1993,77f).
Auch der sich aus VV Teil 4 Vorb. 4 Abs. 3 S. 2 RVG ergebende und vom OLG Saarbrücken (OLG Saarbrücken a.a.O.) herangezogene Fall des Anfallens einer Vergütung, ohne dass es zu einer Entfaltung der eigentlichen Tätigkeit gekommen ist, nämlich die Situation, dass der Anwalt zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet, führt entgegen der Ansicht des OLG Saarbrücken nicht dazu, dass der verspätete Beginn und andere Pausen nicht für die Dauer der Hauptverhandlung maßgebend sind.
Vielmehr spricht dies gerade dafür, Zeiten, die für den Verteidiger nicht anderweitig sinnvoll nutzbar sind, anzurechnen (vgl. i.E. auch KG Berlin StV 2006, 199 f.).
Der Erinnerungsführer wurde für den 28.9.2007 auf 9.00 Uhr geladen und war zum angegebenen Zeitpunkt vor Ort. Die Verhandlung begann aus Gründen, die der Erinnerungsführer nicht zu vertreten hatte, um 9.15 Uhr und dauerte bis 14.15 Uhr. Unter Berücksichtigung der Anwesenheit des Erinnerungsführers um 9.00 Uhr ergibt sich somit eine Verhandlungsdauer von über 5 Stunden, so dass ihm die Gebühr gem. Nr. 4116 VV RVG zusteht.
Gleiches gilt für die gem. Nr. 4117 VV RVG beantragte Vergütung für den 16.10.2007. Hier war der Erinnerungsführer für 10.00 Uhr geladen, die Verhandlung begann um 10.10 Uhr, ohne dass der Erinnerungsführer dies zu vertreten hatte. Insgesamt wurde somit über 8 Stunden verhandelt (Verhandlungsende 18.08 Uhr).
Der Erinnerungsführer konnte an beiden Sitzungstagen den verzögerten Beginn der Verhandlung nicht sinnvoll für andere Tätigkeiten nutzen, so dass dieser Zeitaufwand entsprechend zu berücksichtigen war (im Ergebnis ebenso: OLG Hamm StV 2006, 201, OLG Karlsruhe a.a.O., OLG Stuttgart a.a.O., KG Berlin a.a.O.)
Dem Erinnerungsführer waren daher über die bereits festgesetzten Gebühren weitere 257,01 € zuzusprechen
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 RVG.


Einsender: RA A. Huebner, Dresden

Anmerkung:


den gebührenrechtlichen Newsletter abonnieren


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".