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Leitsatz: Dem Beistand im Auslieferungsverfahren steht für die Teilnahme an der Ver-nehmung des Verfolgten nach § 28 IRG eine Terminsgebühr nach Nr. 6101 VVRVG zu (entgegen OLG Hamm StraFO 2006, 259; OLG Köln NJW-RR 2007, 71; OLG Dresden Beschluss vom 06.02.2007, OLG 33 Ausl 84/06 bei juris). Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung und die Bedeutung der Tätigkeit des Beistandes im Auslieferungsverfahren sprechen dafür, dass über Verhand-lungen nach § 31 IRG hinaus auch gerichtliche Termine nach § 28 IRG die Termingebühr nach Nr. 6101 VVRVG entstehen lassen.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss In dem Auslieferungsverfahren g e g e n D. G ., geb. am: wohnhaft: moldauischer Staatsangehöriger Beistand: Rechtsanwältin P. w e g e n Mordes u.a. hier: Kostenfestsetzung hat auf die sofortige Beschwerde des Verfolgten gegen den Kostenfestset-zungbeschluss der Rechtspflegerin des Thüringer Oberlandesgerichts vom 27.02.2007 am 14.05.2007 b e s c h l o s s e n: 1. Auf die sofortige Beschwerde wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 27.03.2007 dahin abgeän-dert, dass die dem Verfolgten aus der Landeskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 4.584,22 festgesetzt werden.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Verfolgten fallen der Staatskasse zur Last.
3. Der Beschwerdewert beträgt 1.821,30 .
G r ü n d e:
I.
Gegen den ehemaligen Verfolgen war beim erkennenden Senat ein Ausliefe-rungsverfahren wegen der Auslieferung zur Strafvollstreckung an die Repu-blik Moldawien anhängig. Der Senat hatte mit Beschluss vom 09.10.2006 die vorläufige Auslieferungshaft angeordnet, mit Beschluss vom 01.11.2006 Ein-wendungen des Verfolgten gegen den Auslieferungshaftbefehl zurückgewie-sen und sodann mit Beschluss vom 13.11.2006 die förmliche Auslieferungs-haft angeordnet. Mit Beschluss vom 25.01.2007 erklärte der Senat die Auslie-ferung des Verfolgten an die Republik Moldawien für unzulässig. Die dem Verfolgten entstandenen notwendigen Auslagen wurden der Staatskasse auf-erlegt.
Rechtsanwältin P. wurde vom Verfolgten am 17.10.2006 mit der Vertretung im Auslieferungsverfahren beauftragt. Sie nahm mit dem Verfolgten an 4 gericht-lichen Terminen bei dem Amtsgericht Suhl am 29.11., 13. und 20.12.2006 sowie am 09.01.2007, in welchem der Verfolgte nach § 28 IRG vernommen wurde, teil.
Mit Schriftsatz vom 06.02.2007 beantragte Rechtsanwältin P. die Festsetzung der entstandenen Gebühren und Auslagen:
Verfahrensgebühr nach Nr. 6100 VVRVG 330,00 4 Terminsgebühren nach Nr. 6101 VVRVG 1.780,00 Fotokopien (1940 Blatt) nach Nr. 7000 VVRVG 308,50 Tagegeld nach Nr. 7055 VVRVG 540,00 Zwischensumme 2.958,50 19 % Mehrwertsteuer 562,12 Zwischensumme 3.520,62 Akteneinsichtspauschale 36,00 Postversand nach Nr. 7002 VVRVG 26,70 Fahrtkosten nach Nr. 7004 VVRVG 1.007,60 Summe 4.590,92
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27.02.2007 setzte die Rechtspflegerin beim Thüringer Oberlandesgericht die dem Verfolgten an die Rechtsanwältin P. zu erstattenden (Gebühren) und notwendigen Auslagen auf 2.762,92 fest. In diesem Betrag enthalten ist eine Verfahrensgebühr nach Nr. 6100 VVRVG in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühr (580,00 ). Abweichend vom Antrag wurden die Auslagen für den Postversand nach Nr. 7002 VVRVG auf 20,00 festgesetzt, während die Kosten für Fotokopien ersichtlich ver-sehentlich um 0,50 gekürzt wurden. Die Festsetzung der Terminsgebüh-ren von je 445,00 , gesamt 1.780,00 , wurde abgelehnt.
Gegen diesen Beschluss, welcher der Rechtsanwältin am 05.03.2007 zuge-stellt worden ist, richtet sich die sofortige Beschwerde vom 06.03.2007. Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sa-che dem Senat vorgelegt.
Über die sofortige Beschwerde entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern. Eine Entscheidungsbefugnis des Einzelrichters ist nicht gegeben. Diese ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 464b Satz 3 StPO, 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Gemäß § 464b Satz 3 StPO sind auf das Verfahren und auf die Vollstreckung der Entscheidung in Kostenfestsetzungssachen die Vorschriften der ZPO entsprechend anzuwenden. Dies gilt aber nur insoweit, als die Vorschriften der ZPO strafprozessualen Prinzipien nicht widerspre-chen (BGHSt 48, 106, 107). Anschließend an diese Überlegung und die rich-tungsweisende Funktion der Entscheidungen des BGH wendet der Senat im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtssprechung § 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO im strafprozessualen Kostenfestsetzungsverfahren nicht an (strafprozessuale Lösung; wie hier: OLG Koblenz OLGSt StPO § 464b Nr. 4; OLG Düsseldorf OLGSt StPO § 464b Nr. 5; Rpfleger 2004, 120 m. w. N.; Beschluss des Se-nats 1 Ws 136/07 vom 20.04.2007).
Das Rechtsmittel der Antragstellerin wendet sich ausschließlich gegen die Nichtgewährung der Terminsgebühren nach Nr. 6101 VVRVG. Soweit die Aus-lagen für Postversand gekürzt worden sind, wird die Entscheidung der Rechtspflegerin nicht angegriffen.
Das Rechtsmittel hat Erfolg, denn der Antragstellerin steht für ihre Teilnahme an den Terminen nach § 28 IRG jeweils eine Gebühr nach Nr. 6101 VVRVG zu.
Die Frage, wann eine Terminsgebühr nach Nr. 6101 VVRVG entsteht, ist um-stritten. Nach der bisher veröffentlichten Rechtsprechung der Oberlandesge-richte besteht hinsichtlich der hier maßgeblichen Vernehmung nach § 28 IRG ein Gebührenanspruch des Beistandes nicht (OLG Hamm StraFo 2006, 259; OLG Köln NJW-RR 2007, 71; OLG Dresden, Beschluss vom 06.02.2007, OLG 33 Ausl 84/06 bei juris). Diese Entscheidungen gehen im Wesentlichen davon aus, dass es sich bei der Vernehmung im Rahmen eines Auslieferungsverfah-rens durch den Richter beim Amtsgericht nach § 28 IRG nicht um eine Ver-handlung im gebührenrechtlichen Sinne handelt. Ähnlich argumentieren hin-sichtlich § 20 IRG die Hanseatischen Oberlandesgerichte Hamburg (AGS 2006, 290, zitiert nach juris) und Bremen (Beschluss vom 28.06.2005, Ausl 8/2004 bei juris). Danach löse nur die mündliche Verhandlung nach § 31 IRG einen Gebührenanspruch nach Nr. 6101 VVRVG aus. In diesem Sinne argu-mentieren auch Madert in Gerold/Schmidt, RVG 17. Aufl., VV 6100, 6101, Rdnr. 7, H. Schneider in Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl., VV Teil 6, Rdnr. 11, Hartmann in Kostengesetze, 36. Aufl., Nr. 6100, 6101 VVRVG, Rdnr. 7, Brau-nert/Föller in RMOLK RVG, VVRVG Nr. 6101 Anmerkung 1). Ein andere Auf-fassung, nämlich, dass die Terminsgebühr auch bei anderen gerichtlichen Terminen im Auslieferungsverfahren entstehe, vertreten N. Schneider in Ge-bauer/Schneider, RVG, 3. Aufl., VV 6101 Rdnr. 19 ff sowie Volpert in Burhoff, RVG Straf und Bußgeldsachen, Nr. 6101 VV Rdnr. 2 und 3.
Der Senat schließt sich jedenfalls für den hier zu entscheidenden Fall des § 28 IRG der letztgenannten Auffassung an. Dafür spricht zunächst der Wortlaut des Gesetzes. Nach VVRVG Vorbemer-kung 6 Abs. 3 entsteht die Terminsgebühr für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Gerichtliche Termine nach dem IRG sind jedoch nicht nur die mündlichen Verhandlungen nach § 31 IRG i.V.m. § 30 Abs. 3 IRG bzw. hinsichtlich des IStGH-Gesetzes nach § 20 Abs. 3 S. 2 2. Halbsatz i.V.m. § 21 IStGHG. Nach dem IRG sind gerichtliche Ter-mine u.a. in folgenden Vorschriften vorgesehen: §§ 11 Abs. 1 und 2, 22 Abs. 2, 28 Abs. 2, 30 Abs. 2 und 3 IRG. Entgegen der Argumentation der Oberlandesgerichte Hamm, Dresden und Köln spricht die Formulierung des Gesetzes im Gebührentatbestand der Nr. 6101 VVRVG Terminsgebühr je Verhandlungstag nicht zwingend für die Auf-fassung, hiermit könne nur eine Verhandlung nach § 31 IRG gemeint sein. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die mit der Vorbemerkung Abs. 3 getroffene Regelung, wonach die Gebühr für die Teilnahme an (jegli-chen) gerichtlichen Terminen entsteht, durch den Zusatz unter Nr. 6101 VV RVG wieder einschränken wollte. Der Sinn des Zusatzes je Verhandlungs-tag erschöpft sich vielmehr in der Klarstellung, dass die Gebühren nicht nur einmal, sondern für die Teilnahme an jedem Termin erneut entstehen. Ferner ist darauf zu verweisen, dass das Gesetz auch in anderem Zusammenhang den Begriff Verhandlungstag bzw. Hauptverhandlungstag verwendet, ohne damit ausschließlich Verhandlungen zu meinen, sondern Anhörungen oder Vernehmungen mit einschließt. So entsteht im Wiederaufnahmeverfahren ei-ne Terminsgebühr für jeden Verhandlungstag nach Nr. 4140 VVRVG gerade auch für bloße Termine zur Beweisaufnahme, welche durch einen beauftrag-ten Richter erfolgen können. Eine Terminsgebühr je Hauptverhandlungstag entsteht auch im Rehabilitierungsverfahren, in dem eine Hauptverhandlung i.S.d. Gesetzes gar nicht stattfindet. Hätte der Gesetzgeber nur Verhandlungen i.S.v. § 31 IRG, 21 IStGHG erfas-sen wollen, hätte es nahegelegen, dies ausdrücklich bzw. in einer speziellen Vorbemerkung 6.1 zu regeln; dies ist aber nicht geschehen. Entgegen dem Oberlandesgericht Köln (a.a.O.) bringen auch die Gesetzes-materialien einen solchen gesetzgeberischen Willen nicht hinreichend deut-lich zum Ausdruck.
Die Höhe der Terminsgebühr von 110,00 bis 780,00 für den Wahlverteidiger und 356,00 für den bestellten Verteidiger könnte zwar darauf hindeuten, dass hierbei nur Termine vor dem Oberlandesgericht gemeint sind, da diese Gebührenhöhe der Gebühr der Nr. 4120 VVRVG entspricht. Allerdings erfasst Nr. 4120 i.V.m. Nr. 4118 VVRVG nicht nur Verhandlungen vor dem Oberlan-desgericht sondern auch vor dem Landgericht. Außerdem lassen die Gebüh-renregelungen für das Strafverfahren erkennen, dass maßgeblich für die Ge-bührenhöhe nicht das Gericht, sondern inhaltliche Gesichtspunkte sind. So ist die Terminsgebühr im Revisionsverfahren (auch vor dem Bundesgerichtshof) nur geringfügig höher als eine Terminsgebühr vor dem Landgericht nach Nr. 4115 VVRVG. Die Bedeutung der o.g. Termine nach dem IRG ist erheblich. In einem Termin nach § 28 IRG wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Zuläs-sigkeit der Auslieferung, die in den meisten Fällen ohne mündliche Verhand-lung i.S.v. § 31 IRG ergeht, wesentlich vorbereitet. Der Verfolgte gibt bei der Vernehmung nach § 28 IRG wichtige Erklärungen (§ 41 IRG) ab. Er kann sich zu der Tat, die Gegenstand des Auslieferungsverfahrens ist, äußern. Wegen der weitreichenden Wirkungen der Erklärungen des Verfolgten ist dabei gera-de die Mitwirkung eines Beistandes wünschenswert. Nach Auffassung des Senats sprechen der Wortlaut der Regelung und die Bedeutung der Tätigkeit des Beistandes im Auslieferungsverfahren dafür, dass über Verhandlungen nach § 31 IRG hinaus auch weitere gerichtliche Termine, hier solche im Sinne des § 28 IRG, die Terminsgebühr nach Nr. 6101 VVRVG entstehen lassen. Vorliegend kommt hinzu, dass im Auslieferungsverfahren auch Ausliefe-rungshindernisse nach § 73 IRG zu prüfen waren, was zu einer außerordent-lich umfangreichen Vernehmung des Verfolgten über ca. 25 Stunden geführt hat.
Rechtsanwältin P. hat damit zu Recht Terminsgebühren nach Nr. 6101 VVRVG geltend gemacht. Die in Höhe der Mittelgebühr mit Schriftsatz vom 06.02.2007 beantragten Gebühren (die keinesfalls unbillig sind und sich viel-mehr am unteren Rand des nach § 14 RVG möglichen Gebührenrahmens be-wegen) waren antragsgemäß festzusetzen. Ebenfalls antragsgemäß festzu-setzen sind die Auslagen für 1.940 Blatt Fotokopien in Höhe von 308,50 , Tagegeld in Höhe von 540,00 , die Akteneinsichtspauschale in Höhe von 36,00 sowie Fahrtkosten in Höhe von 1.007,60 . Nach Nr. 7002 VVRVG waren die Kosten für Postversand entsprechend der Kostenfestsetzung vom 27.02.2007 auf 20,00 festzusetzen.
Dem Verfolgten steht somit der Ersatz folgender Gebühren und Auslagen zu:
Verfahrensgebühr nach Nr. 6100 VVRVG 330,00 Terminsgebühren nach Nr. 6101 VVRVG 1.780,00 Fotokopien (1940 Blatt) nach Nr. 7000 VVRVG 308,50 Tagegeld nach Nr. 7005 VVRVG 540,00 Zwischensumme 2.958,50 19 % Mehrwertsteuer 562,12 Zwischensumme 3.520,62 Akteneinsichtspauschale 36,00 Postversand nach Nr. 7002 VVRVG 20,00 Fahrtkosten nach Nr. 7004 VVRVG 1.007,60 Summe 4.584,22
Die Kostenentscheidung erfolgt in entsprechender Anwendung von § 467 StPO.
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