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RVG Entscheidungen

§ 48

Erstreckung; konkludente Entscheidung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Dresden, Beschl. v. 01. 03. 2007, 2 Qs 95/06

Fundstellen:

Leitsatz: Die Erstreckung nach § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG kann auch konkludent angeordnet werden.


Landgericht Dresden
2 Qs 95/06 LG Dresden
Beschluss
der 2. Strafkammer (Jugendkammer) vom 01.03.2007
in der Strafsache gegen
pp.,
Verteidigerin: Rechtsanwältin Dr. S.,
wegen Diebstahls u.a.
hier: Beschwerde gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG
Beschwerdewert: 7.808,81 Euro
l. Der Beschwerdeführerin wird auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumnis der Frist zur Einlegung der befristeten Beschwerde gewährt.
2. Die Beschwerde von Rechtsanwältin Dr. S. vom 26.07.2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 29.06.2006 wird als unbegründet verworfen.
3. Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumnis der Frist zur Einlegung der befristeten Beschwerde hat die Beschwerdeführerin zu tragen.
4. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:
Mit Antrag vom 18.01.2006 machte Rechtsanwältin Dr. S. Pflichtverteidigervergütung in Höhe von 9.459,74 Euro geltend. Dabei legte sie für jeden Anklagepunkt von 1 bis 22 je eine Grund- sowie eine Verfahrensgebühr zugrunde. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Dresden setzte mit Beschluss vom 18.05.2006 (Bd. X, B1. 96) die Pflichtverteidigervergütung auf 1.547,27 Euro fest und legte dabei nur jeweils eine Grundgebühr und eine Verfahrensgebühr zugrunde. Sie ging davon aus, dass es sich (bei den verbundenen verfahren) um einen Rechtsfall im Sinne des RVG handelt.

Das hiergegen insoweit eingelegte Rechtsmittel der Verteidigerin hat das Amtsgericht Dresden mit Beschluss vom 29.06.2006 als unbegründet zurückgewiesen. Auch das Amtsgericht Dresden geht von einem Rechtsfall im Sinne des RVG aus.

Der Bezirksrevisor beim Amtsgericht Dresden hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 29.06.2006 wurde der Beschwerdeführerin am 11.07.2006 durch Empfangsbekenntnis zugestellt. Mit Schriftsatz vom 26.07.2006, eingegangen beim Amtsgericht Dresden am 27.07.2006, legte Rechtsanwältin Dr. S. Beschwerde gegen den Beschluss ein, mit der sie die Festsetzung der von ihr beantragten Gebühr begehrt. Nachdem die Kammer die Beschwerde wegen Nichteinhaltung der 2-Wochen-Frist des S 33 Abs. 3 Satz 3 RVG als unzulässig verwarf, beantragte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 19.09.2006, eingegangen beim Landgericht Dresden am selben Tag, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und trägt vor, sie habe eine Rechtsmittelbelehrung über eine unbefristete Beschwerde erhalten und fügte eine Kopie der Rechtsmittelbelehrung bei.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

l. Die Beschwerde ist als befristete Beschwerde nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG zulässig, obwohl die Beschwerdeführerin die Beschwerdefrist von zwei Wochen nach Zustellung nicht eingehalten hat. Die Kammer hat der Beschwerdeführerin auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, § 45 Abs. i StPO. Die erneute Einlegung der befristeten Beschwerde ist überflüssig, da die Beschwerdeführerin die Beschwerde, wenn auch verspätet, am 27.07.2006 eingelegt hat. Insoweit ist der Zusammenhang zwischen dem Hinderungsgrund (Unkenntnis der Frist) und der Säumnis der Frist ohne weiteres erkennbar, da ausweislich der Akte (Bd. X, Bl. 127, 128) eine Rechtsmittelbelehrung nur hinsichtlich der einfachen Beschwerde erfolgte. Im vorliegenden Fall kann ausnahmsweise auch auf die Glaubhaftmachung des Hinderungsgrundes, § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO, insbesondere des fehlenden Verschuldens, verzichtet werden, da diese wegen Offenkundigkeit überflüssig ist. Die Beschwerdeführerin hat offensichtlich auf den durch die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung geschaffenen Tatbestand vertraut und in diesem Vertrauen die Beschwerde erst nach Ablauf der 2-Wochen-Frist eingelegt. Nach § 44 Satz 2 StPO wird zudem auch bei einer unvollständigen oder unrichtigen Belehrung, soweit sie einen wesentlichen Punkt, wie hier die Einlegungsfrist, betrifft, die Säumnis als unverschuldet angesehen. Zwar muss von einem Rechtsanwalt grundsätzlich die Kenntnis von bestehenden Rechtsbehelfsfristen erwartet werden können. Fehlerhafte Rechtsmittelbelehrungen vermögen daher einen Irrtum des Anwalts nur dann zu entschuldigen, wenn der verursachte Irrtum nachvollziehbar war und daher verständlich erscheint, nicht aber in Fällen, in denen eine Rechtsmittelbelehrung offenkundig falsch erging und daher nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermag. Da im gegebenen Fall die Rechtsmittelbelehrung über die einfache Beschwerde gegen den zurückweisenden Beschluss der früheren Rechtslage nach der BRAGO entsprach (§ 98 Abs. 3 BRAGO), erscheint der Irrtum der Beschwerdeführerin aber als nachvollziehbar, so dass auch hier § 44 Satz 2 StPO greift. Entsprechend der vorangegangenen Ausführung ist somit die Wiedereinsetzung gemäß § 44 Satz 1 StPO auch begründet, weshalb die eingelegte Beschwerde zulässig ist.

2. Die zulässige Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Zwar tritt hier gemäß § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG die Wirkung des § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG ein, d.h. die Verteidigerin hat Anspruch auf Vergütung für ihre Tätigkeit vor Erhebung der öffentlichen Klage und vor dem Zeitpunkt ihrer Bestellung. Denn das Amtsgericht Dresden hat in der Hauptverhandlung mit Beschluss vom 16.09.2005 (Bd. X, B1. 36) konkludent die Anordnung nach § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG getroffen. Die ursprünglich am 12.02.2005 unter dem Aktenzeichen Gs 127/05 für das die Taten 19, 20 und 22 betreffende Verfahren 602 Js 17025/05 ausgesprochene Beiordnung wurde durch den Beschluss in der Hauptverhandlung auf alle Anklagepunkte erweitert. Das war auch ohne Weiteres möglich. Rechtsanwältin Dr. S. hatte nämlich bereits am 12.02.2005, also vor der am 18.03.2005 erfolgten Verbindung (Bd. IX, Bl. 34) unter dem Aktenzeichen 131 Js 2267/05 "und ggf. weitere AZen" Antrag auf Beiordnung zur Pflichtverteidigerin gestellt (Bd. IX, Bl. 8). Es besteht kein Zweifel daran, dass Rechtsanwältin Dr. S. Bestellung zur Pflichtverteidigerin schon vor der Verbindung begründet gewesen wäre.

Gleichwohl ist kein weiterer Gebührenanspruch für die Pflichtverteidigerin entstanden, weil sie in keinem der hinzuverbundenen Verfahren vor der Verbindung am 18. 03. 2005 eine gebührenauslösende Tätigkeit im Sinne von § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG entfaltet hat.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG, 473 Abs. 7 StPO.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 33 Abs. 6 RVG.

Einsender: RAin Dr. Seiter, Delmenhorst

Anmerkung:


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