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Gegenstandswert; unverzollte und unversteuerte Zigaretten
Gericht / Entscheidungsdatum: LG Berlin, Beschl. v. 13. 10. 2006, 536 Qs 250/06
Fundstellen:
Leitsatz: Unverzollte und unversteuerte Zigaretten haben keinen Gegenstandswert.
LANDGERICHT BERLIN BLSCITLUSS Geschäftsnummer: 536 Qs 250/06 (336 Ds) 2 St Js 211/06 (10106) Amtsgericht Tiergarten In der Strafsache gegen wegen Steuerhehlerei hat die 36. große Strafkammer des Landgerichts Berlin am 13. 10. 2006 beschlossen: 1. Die Beschwerde des Verteidigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 9. August 2006 wird als unbegründet verworfen: 2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet. 3. Die weitere Beschwerde (§ 33 Abs. 6 RVG) wird zugelassen. Gründe: Mit Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 31. Mai 2006 wurde der Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Der festgestellte Steuerschaden durch den Handel von unversteuerten Zigaretten betrug 23.371,20 Euro. Im Ermittlungsverfahren wurden 3.200 unversteuerte Zigaretten mit der Markenbezeichnung Pall-Mail" und .,L&M" sichergestellt. In der Hauptverhandlung erklärte sich der Angeklagte mit der außergerichtlichen Einziehung der sichergestellten Zigaretten nach Rücksprache mit seinem Verteidiger einverstanden. Der Antrag des Verteidigers auf Festsetzung des Wertes hinsichtlich der außergerichtlichen Einziehung der sichergestellten Zigaretten wurde durch den angefochtenen Beschluss beschieden, mit dem der Gegenstandswert der eingezogenen Zigaretten auf 0,00 Euro festgesetzt wurde. Mit seiner Beschwerde weist der Verteidiger darauf hin, dass Steuerbescheide rege(mäßig bei illegalen Zigarettenlieferungen ergingen, so dass sich der Gegenstandswert an dem festgesetzten Steuerschaden orientieren müsse.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist binnen der Frist des § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt offensichtlich die Grenze des § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG (200,- Euro).
2. Sie ist jedoch unbegründet, weil das Amtsgericht mit Recht den Gegenstandswert auf 0,00 Euro festgesetzt hat. Der Verteidiger kann die Wertfestsetzung (§§ 2 Abs. 1, 33 Abs. 1 RVG) verlangen, wenn er einen fälligen Anspruch auf eine Vergütung (§ 33 Abs. 2 S. 1 RVG) hat. Die Beratung des Angeklagten dahin, dass er der außergerichtlichen Einziehung beschlagnahmter Gegenstände zustimmt, kann nach der Rechtsprechung des Kammergerichts (vgl. KG, Beschluss vom 18. Juli 2005 - 5 Ws 256/05 -, veröffentlicht in NStZ- RR 2005, 358), der sich die Kammer anschließt, grundsätzlich die Gebühr nach Nr. 4142 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (Nr. 4142 VV RVG) auslösen. Die eingezogenen Zigaretten haben jedoch, wie das Amtsgericht zutreffend erkannt hat, keinen Gegenstandswert. Maßgebend für den Gegenstandswert ist nämlich der normativ zu bestimmende objektive Geldwert des Gegenstandes, ausgedrückt in Euro; das subjektive Interesse des Täters ist unbeachtlich {vgl. Madert in GeroId/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Auflage, Rdnr. 6 zu § 2 RVG sowie Rdnr. 43 ff zu Nr. 4141-4146 W RVG}. Gegenständen, denen die Rechtsordnung keinen messbaren Wert zuschreibt, fehlt ein derartiger Wert. So ist anerkannt, dass beispielsweise Falschgeld keinen rechtlich anerkannten Verkehrswert hat (vgl. Madert, in; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe RVG 16. Aufl. 4141-4146 W Rn 44; Schmahl VV Teil 4 Abschn. 1 Rn. 38). Dieser juristisch-ökonomische Wertbegriff führt nach zutreffender Ansicht des Kammergerichts (KG Beschluss vom 18. Juli 2005 - 5 Ws 256/05 -, veröffentlicht in NStZ- RR 2005, 358) dazu, dass auch Betäubungsmitteln kein Gegenstandswert zukommt. Dass die Rechtsordnung Drogen keinen messbaren Wert zuschreibt, obwohl sie nach rein wirtschaftlicher Betrachtung durchaus einen erzielbaren Schwarzmarktpreis haben, ergibt sich aus folgender Überlegung. Betäubungsmittel unterliegen als Beziehungsgegenstände der Einziehung. Verfall des Wertersatzes ist ausgeschlossen, weil nicht ihr Besitz, sondern erst ein möglicher Unrechtserlös einen dem Verfall ausgesetzten Wert repräsentieren könnte (vgl. KG a.a.O., BGH, NStZ-RR 2002, 208; NStZ-RR 2002, 118). Ausgehend von diesen Überlegungen kann zur Überzeugung der Kammer für unverzollte und unversteuerte Zigaretten letztlich nichts anderes gelten. Sie unterliegen ebenso wie Betäubungsmittel der Einziehung und sind unter Beachtung der Rechtsordnung nicht handelsfähig; sie werden nicht etwa - wie ein eingezogener Gegenstand von Wert - versteigert, sondern so wie eingezogene Betäubungsmittel vernichtet. Damit hat bei der Festsetzung des Gegenstandswertes der (Unrechts-) Wert, der beim Straßenverkauf der unverzollten Zigaretten erzielbar wäre, außer Betracht zu bleiben, denn dieser gilt bloß subjektiv zwischen Straftätern, wird aber von der Rechtsordnung nicht anerkannt. Die Begründung der Beschwerde, der Gegenstandswert habe sich an dem festgesetzten Steuerschaden zu orientieren, überzeugt nicht. Auch der Gewinn aus Drogengeschäften unterliegt der Steuerpflicht und kann im Falle der Hinterziehung zu einem entsprechenden Steuerschaden führen, aus dem indes nicht auf einen objektiven Wert der Drogen geschlossen werden kann, § 40 AO stellt grundsätzlich klar, dass jedes Handeln, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, der Besteuerung unterliegt. Unerheblich ist danach nicht nur, ob es gegen ein Strafgesetz verstößt, sondern auch, ob es gegen ein sonstiges gesetzliches Ge- oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12,. 4. 1996 - 2 BvL 18/93). Auch der Umstand, dass sich Steuerschaden bei einer Verbrauchssteuer wie der Tabaksteuer am Kleinverkaufspreis orientiert, ist bei der Bestimmung des Gegenstandswertes nicht von Belang. Aus dem Verkaufspreis einer Sache kann nicht auf deren (von der Rechtsordnung anerkannten objektiven) Wert geschlossen werden; auch wertlose Sachen lassen sich hin und wieder mit Gewinn verkaufen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 33 Abs. 9 RVG. Zur Frage des Gegenstandswertes im Falle der außergerichtlichen Einziehung unversteuerter und unverzollter Zigaretten hat sich das Kammergericht bisher - soweit ersichtlich - nicht geäußert. Gegen diesen Beschluss wird daher wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage die weitere Beschwerde gemäß § 33 Abs. 6 RVG zugelassen. Die Weitere Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 ZPO gelten entsprechend. Die weitere Beschwerde muss innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung (§ 33 Abs. 6 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 RVG) bei dem erkennenden Gericht schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 33 Abs. 7 RVG eingelegt werden).
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Anmerkung: Die Entscheidung ist rechtskräftig (vgl. KG, Beschl. v. 20. 12. 2006, 5 Ws 687/06). A.A. ist das LG Essen (vgl. Beschl.v. 2. Juni 2006, 23 Qs 74/06), hier ebenfalls eingestellt.
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