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RVG Entscheidungen

§ 51

Pauschgebühr; besonderer Umfang; Gesamtgepräge des Verfahrens

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 2. 1. 2007, 2 (s) Sbd. IX - 140 - 147/06 OLG Hamm

Fundstellen:

Leitsatz: Zur Berücksichtigung des Gesamtgepräges des Verfahrens bei der Bewilligung einer Pausch-gebühr.


2 (s) Sbd. IX - 140 - 147/06 OLG Hamm

Strafsache
gegen N. u.a.

wegen Mordes u.a. (hier: Anträge auf Bewilligung einer Pauschvergütung/Pauschgebühr für die bestellten Verteidiger).

Auf die Anträge
1. des Rechtsanwalts R. aus M.,
2. des Rechtsanwalts K. aus H.,
3. des Rechtsanwalts S. aus B.,
4. des Rechtsanwalts G. aus A.
5. des Rechtsanwalts K. aus B.
6. des Rechtsanwalts O. aus B.,
7. des Rechtsanwalts P. aus B.,
8. des Rechtsanwalts W. aus W.,

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02. Januar 2007 durch den Vorsitzen-den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht - zugleich als Einzelrichter gemäß § 51 Abs. 2 Satz 4 RVG in Verbindung mit § 42 Abs. 3 RVG - und die Richterin am Ober-landesgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Ober-landesgerichts beschlossen:

Dem Antragsteller zu 1) wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 21.363 EURO eine Pauschgebühr in Höhe von 40.500 EURO (in Worten: vierzigtausendfünfhundert EURO) bewilligt.

Dem Antragsteller zu 2) wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 13.025 EURO eine Pauschvergütung in Höhe von 28.000 EURO (in Worten: achtundzwanzigtausend EURO) bewilligt.

Dem Antragsteller zu 3) wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 16.174 EURO eine Pauschgebühr in Höhe von 30.500 EURO (in Worten: dreißigtausendfünfhundert EURO) bewilligt.

Dem Antragsteller zu 4) wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 7.715 EURO eine Pauschgebühr in Höhe von 15.500 EURO (in Worten: fünfzehntausendfünfhundert EURO) bewilligt.

Dem Antragsteller zu 5) wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 14.416 EURO eine Pauschgebühr in Höhe von 28.500 EURO (in Worten: achtundzwanzigtausendfünfhundert EURO) bewilligt.

Dem Antragsteller zu 6) wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 14.416 EURO eine Pauschgebühr in Höhe von 28.500 EURO (in Worten: achtundzwanzigtausendfünfhundert EURO) bewilligt.

Dem Antragsteller zu 7) wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 21.407 EURO eine Pauschgebühr in Höhe von 42.000 EURO (in Worten: zweiundvierzigtausend EURO) be-willigt.

Dem Antragsteller zu 8) wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 8.150 EURO eine Pauschvergütung in Höhe von 18.000 EURO (in Worten: achtzehntausend EURO) bewil-ligt.

Die teilweise weitergehenden Anträge der Antragsteller werden zurückgewiesen.

Gründe:
I.
Bei dem vorliegenden Verfahren handelt es sich um ein gegen mehrere Angeklagte russischer Herkunft gerichtetes Verfahren. Diesen wurden mehrere Tötungsdelikte mit wechselnder Betei-ligung zur Last gelegt. Die ehemaligen Angeklagten sind durch Urteil des Schwurgerichts des Landgerichts Bochum vom 4. Mai 2005 zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden.

Die Ermittlungsakten umfassten mehr als 30 Bände Verfahrensakten sowie Telefonüberwa-chungsprotokolle und Fallakten. Der Aktenumfang hat insgesamt mehr als 9.000 Seiten betra-gen. Im Verfahren sind mehrere Spurengutachten von Behörden eingeholt worden. Der Mandat des Antragstellers zu 2) ist zudem auf seine Schuldfähigkeit untersucht worden. Der Umfang des Gutachtens hat 144 Seiten betragen.

Die ehemaligen Angeklagten haben sich alle nicht auf freiem Fuß befunden. Im Laufe des Ver-fahrens sind zwei Anklagen mit insgesamt rund 80 Seiten erhoben worden.

Die Antragsteller haben teilweise außerhalb der Hauptverhandlung für ihre Mandanten an Ter-minen zur Verkündung des Haftbefehls, aber auch an Vernehmungsterminen teilgenommen.

Die Hauptverhandlung hat beim Landgericht Bochum an insgesamt 40 Tagen stattgefunden. Die Antragsteller haben unterschiedlich oft an den Hauptverhandlungstermine, die in der Zeit vom 14. Oktober 2004 bis zum 04. Mai 2005 stattgefunden haben, teilgenommen. Die Haupt-verhandlungstermine waren teilweise dicht terminiert. Es haben dreimal drei Termine/Woche und zehnmal zwei Termine/Woche stattgefunden. Die Hauptverhandlungstermine waren auch unterschiedlich lang. Ein Termin hat mehr als sieben Stunden, 9 Termine haben mehr als 6 Stunden und jeweils 10 Termine mehr als fünf bzw. mehr als 4 bzw. weniger als 4 Stunden ge-dauert. Die durchschnittliche Hauptverhandlungsdauer hat bei allen Antragstellern zwischen vier Stunden und 11 Minuten und vier Stunden und 50 Minuten gelegen.

Die Antragsteller haben die ehemaligen Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt besucht. Teil-weise haben sie die ehemaligen Angeklagten nur einmal besucht, teilweise haben sie sie aber auch häufiger- bis zu neunmal - besucht.

Wegen des weiteren Umfangs der jeweiligen Inanspruchnahme und der jeweils von den An-tragstellern für die ehemaligen Angeklagten erbrachten Tätigkeiten wird auf die den Antragstel-lern bekannt gemachten Stellungnahmen des Leiters des Dezernats 10 Bezug genommen.

Die gesetzlichen (Pflichtverteidiger-)Gebühren der Antragsteller ergeben sich aus den im Tenor der Entscheidung angeführten Beträgen. Die Antragsteller haben unterschiedlich hohe, teilwei-se über die Wahlverteidigerhöchstgebühren hinausgehende Pauschvergütungen bzw. Pausch-gebühren beantragt.

Der Vorsitzende des Schwurgerichts hat das Verfahren als "besonders schwierig" angesehen. Der Vertreter der Staatskasse hat sich dem angeschlossen. Er ist zudem der Ansicht, dass das Verfahren für alle Antragsteller als "besonders umfangreich" im Sinn von § 99 Abs. 1 BRAGO bzw. § 51 Abs. 1 RVG anzusehen ist.

II.
Allen Antragstellern waren Pauschvergütungen zu bewilligen

1. Das Verfahren war "besonders schwierig". "Besonders schwierig" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO bzw. des § 51 Abs. 1 RVG ist ein Verfahren, das aus besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (vgl. dazu Burhoff StraFo 1999, 261, 264). Das ist vorliegend der Fall. Insoweit tritt der Senat mit dem Vertreter der Staatskasse der sachnahen Einschätzung des Vorsitzenden des Schwurgerichts bei (vgl. insoweit Senat in AnwBl. 1998, 416 = ZAP EN-Nr. 609/98 = AGS 1998, 104 und Senat in JurBüro 1999, 194 = AGS 1999, 104 = AnwBl. 2000, 56; vgl. zur Fortgeltung dieser Rechtsprechung OLG Hamm, Beschl. v. 13. 1. 2006, 2 (s) Sbd. VIII - 239/05, www.burhoff.de). Das Tatgeschehen war rechtlich und tatsächlich verwickelt und schwierig aufzuklären. Das zeigt schon die umfangreiche Beweisaufnahme durch das Landgericht. Auch hatte der erhebli-che Umfang der Akten Auswirkungen auf die Schwierigkeit. Insgesamt war das Verfahren daher auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Gesetzgeber dem in der Regel größeren Schwierigkeit von Schwurgerichtsverfah-ren durch die erhöhten Gebühren bereits Rechnung getragen hat (vgl. dazu, OLG Hamm, a.a.O.), als „besonders schwierig“ anzusehen.

2. Das Verfahren war auch für alle Antragsteller "besonders umfangreich" im Sinne des § 99
Abs. 1 BRAGO bzw. § 51 Abs. 1 RVG.

Bei den insoweit zu berücksichtigenden Tätigkeiten hat der Senat insbesondere die Teilnahme der Antragsteller an den jeweiligen Hauptverhandlungsterminen berücksichtigt. Diese sind al-lerdings mit einer durchschnittlichen Dauer von nur jeweils rund 4 Stunden und 30 Minuten für ein Schwurgerichtsverfahren allenfalls durchschnittlich lang gewesen. Entscheidend für die An-nahme eines "besonders umfangreichen" Verfahrens war bei allen Antragstellern jedoch die erhebliche Vor- und Nachbereitungszeit, die sie, wovon der Senat ausgeht, für die jeweiligen Hauptverhandlungstage haben aufwenden müssen. Hinzu kommt der erheblich überdurch-schnittliche Aktenumfang, der über 9.000 Seiten gelegen hat. Den durch die Einarbeitung in diese Akten entstandenen Zeitaufwand hat der Senat als so erheblich angesehen, dass die nur durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine kompensiert worden ist. Hinzu kommt, dass zwei der Hauptverhandlungstermine nachmittags stattgefunden haben und 31 bis in die Nachmittagsstunden gedauert haben.

Der Senat hat nicht übersehen, dass den Antragstellern, auf deren Anträge das RVG anzuwen-den ist, teilweise wegen der längeren Dauer der Hauptverhandlungstermine Zuschlagsgebüh-ren nach Nr. 4122 VV RVG zustehen. Das führt vorliegend aufgrund des Gesamtgepräges des Verfahrens jedoch nicht dazu, dass diese Termine nicht (mehr) bei der Einordnung des Verfah-rens als „besonders umfangreich“ Berücksichtigung finden können (vgl. dazu Senat in StraFo 2005, 263). Denn die Antragsteller sind darüber hinaus in einem erheblichen zeitlichem Umfang tätig geworden. Zudem haben von den insgesamt 40 Hauptverhandlungstermine insgesamt 20 Termine mehr als 5 Stunden gedauert.

Der Senat hat schließlich bei allen Antragstellern, die insoweit tätig geworden sind, auch die Teilnahme an den außerhalb der Hauptverhandlung durchgeführte Haft- und Vernehmungster-mine berücksichtigt. Das gilt auch bei den Antragstellern, auf deren Anträge das RVG anzu-wenden ist. Zwar stehen diesen für die Teilnahme besondere Gebühren zu. Das Gesamtgeprä-ge des Verfahrens erfordert jedoch auch die Berücksichtigung dieser Tätigkeiten.

3. Bei der Bemessung der nach allem damit den Antragstellern sowohl wegen der "besonderen Schwierigkeit" als auch wegen des "besonderen Umfangs" zu gewährenden Pauschvergütun-gen hat der Senat alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Zutreffend weist insoweit der Vertreter der Staatskasse darauf hin, dass auch bei den Antragstellern, deren Gebühren sich nach dem RVG richten, die gesetzlichen Gebühren unzumutbar sind (vgl. dazu zuletzt Be-schluss des Senats vom 27. November 2006 in 2 (s) Sbd. IX - 116/06 mit weiteren Nachwei-sen).

Besonderes Gewicht hatten dabei neben der einerseits nur allenfalls durchschnittlichen Dauer der Hauptverhandlungstermine, deren aber teilweise dichte Terminierung und die Vor- und Nachbereitungszeiten. Darüber hinaus sind neben der Vorbereitungszeit für das Plädoyer die vom Vertreter der Staatskasse in seinen Stellungnahmen, auf die Bezug genommen wird, dar-gelegten Tätigkeiten, die die Antragsteller für ihre Mandanten erbracht haben, berücksichtigt worden. Von Belang waren bei der Bemessung der Pauschvergütungen/-gebühren auch die ggf. von den Antragstellern getätigten Besuche in der Justizvollzugsanstalt. Allerdings hat der Senat diese in geringerem Umfang berücksichtigt als sonst, da zu den Hauptverhandlungster-minen schon jeweils Zeit für Vor- und Nachbereitung in Ansatz gebracht worden ist. Bei einigen Antragstellern ist schließlich - neben dem Umstand, dass es sich um ein "besonders schwieri-ges" Verfahren gehandelt hat, - auch noch die lange Zeitdauer berücksichtigt worden, die seit der jeweiligen Antragstellung bis zur nunmehrigen Bewilligung der Pauschvergütungen durch den Senat verstrichen ist (vgl. dazu Senat in AGS 2001, 154). Schließlich war auch bei den An-tragstellern, die ihren Kanzleisitz nicht in Bochum haben, die jeweilige Fahrtzeit vom Sitz der Kanzlei zum Gerichtsort zu berücksichtigen.

Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen hat der Senat bei allen Antragstellern die Gewährung einer Pauschvergütung/-gebühr in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühr als an-gemessen angesehen. Dies erschien jeweils unter Berücksichtigung der von den Antragstellern für die ehemaligen Angeklagten erbrachten Tätigkeiten angemessen. Dabei hat sich Mehrauf-wand, den einzelne Antragsteller in einem Bereich erbracht haben, z.B. durch längere Fahrtzei-ten, durch geringeren Aufwand in anderen Bereich, wie z.B. geringere Anzahl von Besuchen in der Justizvollzugsanstalt oder geringere Zahl von Terminen außerhalb der Hauptverhandlung, an denen teilgenommen worden ist, ausgeglichen. Insgesamt erschien in einem Vergleich dem Senat die Belastung der Antragsteller im wesentlichen gleich, was den Ansatz in etwa der Wahlverteidigerhöchstgebühr bei allen Antragsteller gerechtfertigt hat. Die dennoch unter-schiedliche Höhe der Pauschvergütungen folgt im Wesentlichen aus der unterschiedlichen An-zahl von Hauptverhandlungsterminen, an denen die Antragsteller teilgenommen haben.

Soweit sich die Gebühren der Antragsteller zu 2) und 8) noch nach der BRAGO richten, war eine Anhebung auf das Gebührenniveau des RVG nicht zulässig, da das einer Umgehung der Übergangsregelung des § 61 RVG gleich käme (vgl. dazu Senat in RVGreport 2005, 419).

Die Gewährung von Pauschvergütungen, die in etwa den Wahlverteidigerhöchstgebühren ent-sprachen, erschien vorliegend nach der ständigen Rechtsprechung des Senats gerechtfertigt, da die Antragsteller über einen längeren Zeitraum doch fast ausschließlich durch das Verfahren in Anspruch genommen worden sind (vgl. dazu die Zusammenstellung der Rechtsprechung des Senats bei Burhoff StraFo 2001, 119 ff.). Noch höhere als die bewilligten Pauschvergütungen kamen nach allem aber schon wegen der nur durchschnittlichen Hauptverhandlungsdauer hin-gegen nicht in Betracht. Demgemäss sind die teilweise höheren Anträge, mit denen zum Teil weit über die Wahlverteidigerhöchstgebühren hinausgehende Beträge beantragt worden sind, zurückgewiesen worden.

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