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RVG Entscheidungen

Nr. 7003 VV

Fahrtkosten; Informationsfahrten

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 24. 10. 2006, 23 Qs 57/06

Fundstellen:

Leitsatz: Es liegt im dem Ermessen der Verteidigung, wie viele Gespräche jeweils mit dem Mandanten zur Vorbereitung des Prozesses notwendig sind. Eine Nachprüfung durch das Gericht kann ohne unzulässigen Eingriff in die Rechte der Verteidigung nur insoweit erfolgen, als ein offensichtlicher Missbrauch vorliegt.


23 Qs 57/06
Landgericht Frankfurt (Oder) Beschluss
In der Kostenfestsetzungssache
betreffend das Strafverfahren
gegen pp
w e g e n Einschleusens von Ausländern,
hat die 3. große Strafkammer - Beschwerdekammer - des Landgerichts Frankfurt (Oder) durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, den Richter am Landgericht und den Richter am Landgericht am24. 10. 2006 beschlossen:
Auf die Beschwerde vom 17.08.2006 wird der Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 08.08.2006 (4.3 Ds 888/0S) aufgehoben.
Die dem Verteidiger aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen werden anderweit auf 1.566,52 € festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die weitere Beschwerde gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 RVG wird zugelassen.
Gründe:
Der Verurteilte ist mit Urteil des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 24,01.2006 (Az. 4.3 Ds 888/OS) wegen Einschleusens von Ausländern zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt worden, dessen Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Er wurde am Tattag, dem 29.08.2005 vorläufig festgenommen und befand sich sodann fortlaufend in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Frankfurt (Oder) bis zum 24.01.2006. Ihm wurde auf seinen Antrag hin Rechtsanwalt K. - der Beschwerdeführer - in der Hauptverhandlung gem. § 140 Abs. 1 Nr. 1 als Pflichtverteidiger beigeordnet. Der Beschwerdeführer hatte den Verurteilten erstmalig am 23.09.2005 in der JVA aufgesucht und wurde am gleichen Tag bevollmächtigt. Der Beschwerdeführer, der seinen Kanzleisitz in Braunschweig hat, besuchte den Verurteilten in der JVA Frankfurt (Oder) sodann am 06.10., am 08.11., am 25.11, am 15.12., am 22.12. und 10.0 1.2006 erneut. Dabei hat er neben dem Verurteilten weitere inhaftierte Mandanten besucht. Unter dem 28.01.2006 hat er die Festsetzung folgender Gebühren und Auslagen
begehrt:
Grundgebühr mit Zuschlag VV Nr. 4101 162,00 €
Verfahrensgebühr mit Zuschlag VV Nr. 4105 137,00 €
Verfahrensgebühr Amtsgericht mit Zuschlag VV Nr. 4107 137,00 €
Terminsgebühr Amtsgericht mit Zuschlag VV Nr. 4109 224,00 €
Einziehungsgebühr Streitwert: 50,00 €
VV Nr. 4142 25,00 €
Fotokopiekosten (263 Kopien) VV Nr. 7000 56,95 €
Entgelte für Post und Telekommunikationsdienste VV Nr. 7002 20,00 €
Fahrtkosten Braunschweig/Frankfurt (Oder) 603 km VV Nr. 7003 180,90 €
Wege- und Abwesenheitsgeld bei einer Geschäftsreise VV Nr. 7005 60,00 €
3 Informationsfahrten in die JVA Frankfurt (Oder) 144,54 €
Zwischensumme: 1. 147,39 €
16 % Mehrwertsteuer 183,58 €
Kostenübersendungspauschale 12,00C
Gesamtbetrag: 1.342,97 €.
Hinsichtlich der zunächst geltend gemachten 3 Informationsfahrten hat der Beschwerdeführer dreimalig ein Abwesenheitsgeld von je 60,00 € (180,00 €) sowie dreimal die Fahrtkosten Braunschweig/Frankfurt (Oder)/Braunschweig 3 x 603 km = 1.809 km (542,70 €) und davon insgesamt lediglich 20 % wegen der weiteren Besuche in der gleichen JVA inhaftierter Mandanten in Höhe von 144,54 € berechnet.
Noch vor Festsetzung der Kosten hat er mit Schreiben vom 05.04.2006, Eingang bei dem Amtsgericht am 06.04.2006 - nach vorheriger schriftlicher Rückfrage bei der JVA - nunmehr die Kosten in Höhe von jeweils 20 % von insgesamt 7 Informationsfahrten i. H, v. 391,22 € anstelle des Betrages i. H. v. 144,54 € zuzüglich Mehrwertsteuer begehrt. Hierzu hat er wiederum siebenmalig ein Abwesenheitsgeld i. I-I. v. 60,00 €, i. H. v. 60,00 €, sowie siebenmal die Fahrtkosten zwischen Braunschweig/Frankfurt (Oder) und zurück von 603 km x 7 = 4.221 km x 0,30 € i. H. v. 1.266,30 € mithin insgesamt 1.686,30 € zugrunde gelegt, sowie zuzüglich eines Betrages von 269,80 € für die Mehrwertsteuer einen Gesamtbetrag von 1.956,10 € berechnet. Hiervon begehrt er wiederum lediglich 20 % der Gesamtinformationsfahrtkosten, da er auch andere Mandanten aufgesucht habe. Insgesamt begehrt er danach 391,22 € brutto hierfür. Unter dem 12.04.2006 hat das Amtsgericht Frankfurt (Oder) die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 1.287,08 € festgesetzt. Hinsichtlich der Kosten. für die Informationsreisen zur JVA hat das Amtsgericht dabei jeweils nur die Kosten für 2 Informationsreisen anerkannt.
Unter dem 29.06.2006 hat der Beschwerdeführer gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung eingelegt. Zur Begründung führt er aus, dass sämtliche Informationsreisen zur Verteidigung erforderlich gewesen seien. Dem letztendlich erfolgten Geständnis in der Hauptverhandlung seien zahlreiche Gespräche mit dem Mandanten vorausgegangen. Es könne daher nicht pauschal bestimmt werden, wie viele Informationsreisen erstattungsfähig seien. Dies müsse vielmehr dem Verteidiger überlassen sein, da ansonsten sowohl in die Grundrechte des Beschwerdeführers als auch in die Rechte der Verteidigung unzulässigerweise eingegriffen werde.
Das Amtsgericht Frankfurt (Oder) hat das Verfahren dem Bezirksrevisor bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) zur Stellungnahme vorgelegt. Der Bezirksrevisor hat die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt und ausgeführt, dass der zugrunde liegende Vorwurf des Einschleusens von Ausländern keine Besonderheiten im Vergleich zu ähnlich gelagerten Fällen aufweise. Sowohl die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft als auch das gerichtliche Verfahren könne nur als durchschnittlich bewertet werden. Ein Verteidiger unterliege dem Gebot einer die Kosten schonenden Prozessführung. In aller Regel sei bei einem solchen Fall nicht mehr als 1 Informationsgespräch zuzuerkennen. Da das Gericht abweichend von diesem Grundsatz bereits zwei Gespräche zugebilligt habe, könne eine weitere Erstattung nicht erfolgen.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 08.08.2006 hat das Amtsgericht Frankfurt (Oder) die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss als unbegründet verworfen und zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 19,07.2006 verwiesen.
Gegen diesen Beschluss, der dem Beschwerdeführer nicht förmlich zugestellt wurde, hat dieser unter dem 17.08.2006, Eingang bei dem Amtsgericht Frankfurt (Oder) am gleichen Tag Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerde ist gem. § 56 Abs.2, 33 Abs. 3 RVG statthaft und wurde auch form- und fristgerecht eingelegt. Auch die Mindestbeschwer von 200,00 € gem. § 33 Abs. 3 RVG ist vorliegend erreicht, denn die Gesamtsumme der Absetzung durch das Amtsgericht beträgt 294,86 €.
Die Kammer entscheidet vorliegend in der Sache, nachdem der Einzelrichter die Sache wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Kammer übertragen hat.
Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet.
Dass dem Verteidiger grundsätzlich für Informationsgespräche mit dem Mandanten diejenigen Kosten ersetzt verlangen kann, die ihm durch Besuche in der JVA entstanden sind, steht außer Frage. Auch die Höhe der für die einzelnen Informationsfahrten geltend gemachten Kosten ist nicht zu beanstanden.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts und des Bezirksrevisors sind auch die geltend gemachten Kosten für insgesamt sieben Informationsfahrten zu dem Verurteilten ( anteilig ) zu ersetzen. Denn die Kammer ist der Auffassung, dass es bis auf einen denkbaren Fall des groben Missbrauches nicht zulässig ist, das Ermessen des Verteidigers dessen, was er im Rahmen der Verteidigungsvorbereitung für notwendig erachtet, durch das Ermessen des Gerichts im Kostenfestsetzungsverfahren zu ersetzen. Dass der Verteidiger tatsächlich den Beschwerdeführer siebenmal in der JVA Frankfurt (Oder) aufgesucht hat, ist durch das Schreiben der JVA vom 19.09.2006 belegt.
Zutreffend ist in diesem Zusammenhang, dass auch ein Verteidiger als Organ der Rechtspflege verpflichtet ist, eine insgesamt kostenschonende Prozessführung einzuhalten. Andererseits obliegt es dem Ermessen der Verteidigung, wie viele Gespräche jeweils mit dem Mandanten zur Vorbereitung des Prozesses notwendig sind. Eine Nachprüfung durch das Gericht kann ohne unzulässigen Eingriff in die Rechte der Verteidigung nur insoweit erfolgen, als ein offensichtlicher Missbrauch vorliegt. Hierfür gibt es indes keine Anhaltspunkte. Unabhängig vom Schwierigkeitsgrad und dem Umfang der vorgeworfenen Strafsache ist nämlich zu berücksichtigen, dass sich der Mandant für die Dauer von knapp 5 Monaten in Untersuchungshaft befand. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Verteidiger an allen Besuchstagen nicht lediglich den Beschwerdeführer, sondern daneben jeweils auch vier weitere inhaftierte Mandanten besucht hat. Diesem Umstand ist der Beschwerdeführer durch eine lediglich 20 %ige Geltendmachung nachgekommen. Anhaltspunkte dafür, dass der Verteidiger die Kosten für sein Besuchsrecht bei dem Beschwerdeführer missbräuchlich in die Höhe getrieben hat, sind daher nicht ersichtlich. Das Gericht muss vielmehr bis an die Grenze des noch zu Vertretenden hinnehmen, dass ein Verteidiger trotz durchschnittlich gelagerten Strafvorwurf seinen Mandanten häufiger besucht. Hierbei ist schließlich auch zu berücksichtigen, dass die Wahrnehmung der Interessen des Beschwerdeführers nicht alleine auf eine Verteidigungsstrategie beschränkt sind, sondern auch eine Fürsorgepflicht des Verteidigers gegenüber seinem Mandanten beinhalten. Die \otwendigkeit über das sonst übliche Maß hinausgehende Besprechungen mit einem Mandanten wahrzunehmen, kann nicht zuletzt darin begründet sein, dass sich ein Mandant uneinsichtig oder aus sonstigen persönlichen Gründen als schwierig erweist.
Die Kammer ist daher der Auffassung, dass es dem Gericht bis auf wenige Ausnahmefällen - für die es hier keine Anhaltspunkte gibt - grundsätzlich verwehrt ist, ein eigenes Ermessen dessen, was im Rahmen einer Verteidigung notwendig ist an die Stelle desjenigen des Verteidigers zu setzen. Daher waren die aus der Staatskasse dem Beschwerdeführer zu ersetzenden Gebühren und Auslagen wie folgt festzusetzen:
Grundgebühr mit Zuschlag VV Nr. 4101 162,00 €
Verfahrensgebühr mit Zuschlag VV Nr. 4105 137,00 €
Verfahrensgebühr Amtsgericht mit Zuschlag VV Nr. 4107 137,00 €
Terminsgebühr Amtsgericht mit Zuschlag VV Nr. 4109 224,00 €
Einziehungsgebühr Streitwert 50,00 € VV Nr. 4142 25,00 €
Fotokopien (263 Kopien) VV Nr. 7000 56,95 €
Entgelte für Post- u. Telekommunikationsdienste VV Nr. 7002 20,00 €

Fahrkosten Braunschweig - Frankfurt (Oder) - Braunschweig
603 km VV Nr. 703 180,90 €
Tage- u. Abwesenheitsgeld bei einer Geschäftsreise VV Nr. 7005 60,00 €
7 Informationsfahrten in die JVA Frankfurt (Oder)
(7 x 60,00 € = 420,00 €) plus
7 x Fahrkosten Braunschweig - Frankfurt (Oder) - Braunschweig
603 x 7 = 4.221 km = 1.266,30 €: Zwischensumme 1.686,30 €
hiervon 20 % = 337,26 €
16 % Mehrwertsteuer 214,41 €
Kostenübersendungspauschale 12,00 €
Gesamtbetrag: 1.566,52 €.
Da die Frage, ob im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens das Gericht berechtigt ist, die Notwendigkeit von Informationsreisen inhaltlich zu prüfen und gegebenenfalls zu reduzieren, von grundsätzlicher Bedeutung ist, wird die weitere Beschwerde gem.
§ 33 Abs. 6 RVG ausdrücklich zugelassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 33 Abs. 9 RVG.

Einsender: RA Kuczynski, Frankfurt (Oder)

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