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RVG Entscheidungen

Nr. 7000 VV

Adhäsionsverfahren; Umfang der Beiordnung als Pflichtverteidiger; Auslagenerstattung; Glaubhaftmachung

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 04. 09. 2006, 4 Ws 31/06

Fundstellen:

Leitsatz: 1. Die Bestellung als Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 1 StPO gilt für das gesamte Strafverfahren und umfasst damit auch die im Adhäsionsverfahren erforderlichen Tätigkeiten.

2. Es obliegt grundsätzlich der Staatskasse nachzuweisen, welche Auslagen im konkreten Einzelfall für die sachgerechte Interessenwahrnehmung nicht geboten waren. Die Überprüfung muss der Rechtsanwalt entweder durch Übersendung der gefertigten Ablichtungen oder die anwaltliche Versicherung, eine bestimmte, konkret nach den jeweils abgelichteten Seiten der Akten bezeichnete Anzahl von Ablichtungen gefertigt zu haben, ermöglichen.


KAMMERGERICHT
Beschluss
Geschäftsnummer:
4 Ws 31/06
In der Unterbringungssache gegen


M. N.



wegen Totschlags u.a.

hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
am 4. September 2006 beschlossen:

Die Beschwerde der Rechtsanwältin S. S. gegen den Be-schluss des Landgerichts Berlin vom 16. Dezember 2005 wird verworfen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebüh-renfrei. Kosten werden nicht erstattet.

G r ü n d e :

Die Beschwerdeführerin ist dem Beschuldigten am 20. Dezember 2004 zur Pflichtverteidigerin bestellt worden. Im Termin zur Hauptverhandlung am 22. Dezember 2004 hat sie, nachdem der Prozessvertreter der Nebenkläger im Adhäsionsverfahren u.a. einen Antrag auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von min-destens 10.000,00 € für jeden der beiden Nebenkläger gestellt hatte, beantragt, dem Beschuldigten unter ihrer Beiordnung Prozesskostenhilfe zu gewähren sowie den Adhäsionsantrag zu-rückzuweisen. Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt und von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen. Unter dem 14. Juli 2005 hat die Pflichtverteidige-rin unter Angabe eines Streitwertes von 10.000,00 € die Fest-setzung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG in Höhe von 972,00 € sowie der Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 €, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer, beantragt. Mit Antrag vom 10. August 2005 hat sie für das Revisionsverfahren die Festsetzung der Verfahrensgebühr nach Nr. 4131 VV RVG und die Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG sowie die Erstattung der Auslagen für insgesamt 752 Seiten Ablichtungen, davon 678 Sei-ten „Aktenauszug für Mandanten“, nach Nr. 7000 VV RVG in Höhe von insgesamt 672,80 €, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer, be-gehrt. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat durch Be-schluss vom 13. September 2005 für das Adhäsionsverfahren die Verfahrensgebühr auf 484,00 € festgesetzt und die Pauschale nach Nr. 7000 VV RVG abgesetzt. Zugleich hat sie die Auslagen für die Herstellung des Aktenauszuges abgesetzt, weil dieser zur sachgemäßen Bearbeitung der Sache nicht erforderlich gewe-sen sei. Die sonstigen geltend gemachten Gebühren und Auslagen hat sie antragsgemäß festgesetzt. Das Landgericht (Einzelrich-ter) hat durch den angefochtenen Beschluss die allein gegen die Festsetzung der Verfahrensgebühr im Adhäsionsverfahren und die Absetzung der Auslagen für den Aktenauszug gerichtete Er-innerung der Pflichtverteidigerin als unbegründet verworfen. Die nach § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG zulässige Beschwerde hat kei-nen Erfolg.

1. Die Pflichtverteidigerin hat keinen Anspruch auf die Fest-setzung der Verfahrensgebühr in der von ihr nach Nr. 4143 VV RVG in Verbindung mit § 13 RVG begehrten Höhe. Denn sie ist nach Aktenlage im Adhäsionsverfahren nicht als Wahlanwalt des Beschuldigten tätig geworden. Für eine gesonderte Mandatierung betreffend dieses Verfahren hat die Beschwerdeführerin nichts vorgetragen. Ein Anspruch auf die Vergütung als Wahlanwalt kann sich deshalb, anders als die Verteidigerin vorträgt, auch nicht daraus ergeben, dass das Landgericht es abgelehnt hat, sie dem Beschuldigten unter Bewilligung von Prozesskostenhilfe beizuordnen (§ 404 Abs. 5 Satz 1 und 2 StPO in Verbindung mit den §§ 114 ff ZPO).

Der Beschwerdeführerin steht für ihre Tätigkeit im Adhäsions-verfahren allein eine Gebühr nach Nr. 4143 VV RVG in Verbin-dung mit § 49 RVG zu. Denn sie ist als gerichtlich bestellter Rechtsanwalt im Sinne dieser Vorschrift tätig geworden, weil sie dem Beschuldigten zuvor als Pflichtverteidigerin bestellt worden war. Einer gesonderten hier abgelehnten - Beiordnung nach § 404 Abs. 5 Satz 2 StPO bedurfte es zur Begründung die-ses Gebührenanspruches nicht. Die Bestellung als Pflichtver-teidiger nach § 140 Abs. 1 StPO wie hier - gilt für das ge-samte Strafverfahren und umfasst damit auch die im Adhäsions-verfahren erforderlichen Tätigkeiten (h.M., vgl. etwa Hansea-tisches OLG Hamburg wistra 2006, 37, 39; OLG Köln, StraFo 2005, 394; Laufhütte in Karlsruher Kommentar, StPO 5. Aufl., § 140 Rdnr. 4; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl., § 140 Rdnr. 5; Podlech-Trappmann in Bischof/Jungbauer/Podlech-Trappmann, RVG, S. 657; Burhoff, RVG, Nr. 4143 VV Rdnr. 9; Madert in Ge-rold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG 17. Aufl., Nr. 4143 VV Rdnr. 3; Hartung, in Hartung/Römermann/Schons, RVG 2. Aufl., Nrn. 4143, 4144 VV Rdnr. 5; Schmahl in Riedel/Suß-bauer, RVG 9. Aufl., VV Teil 4 Abschnitt 1 Rdnr. 131; jeweils m.w.Nachw.). Davon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen, wie sich aus der Begründung des Entwurfs zum RVG ergibt. Danach soll „der Pflichtverteidiger die Gebühr (...) ebenfalls erhal-ten“, die „der Höhe nach durch § 49 RVG-E [= § 49 RVG] be-grenzt“ ist (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 228).

Die Festsetzung der Höhe der Gebühr ist nicht zu beanstanden.

2. Die Absetzung der Auslagen für einen Aktenauszug im Umfang von 678 Seiten für den Beschuldigten ist zu Recht erfolgt. Ge-mäß Nr. 7000 Nr. 1 Buchst. a VV RVG steht dem (Pflicht-)Ver-teidiger ein Anspruch auf Ersatz der Auslagen für die Herstel-lung und Überlassung von Ablichtungen aus Gerichtsakten nur zu, soweit die Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Dabei obliegt es grundsätzlich der Staatskasse nachzuweisen, welche Auslagen im konkreten Einzel-fall für die sachgerechte Interessenwahrnehmung nicht geboten waren (vgl. KG, Beschluss vom 20. Juni 2005 – 3 Ws 20/05 – m.w.Nachw.). Die Überprüfung muss entweder durch Übersendung der gefertigten Ablichtungen oder die anwaltliche Versiche-rung, eine bestimmte, konkret nach den jeweils abgelichteten Seiten der Akten bezeichnete Anzahl von Ablichtungen gefertigt zu haben, ermöglicht werden (vgl. Senat, Beschluss vom 13. August 1997 4 Ws 180/97 – [zu § 27 Nr. 1 BGRAGO]). Bei-den Möglichkeiten des Anspruchsnachweises ist die Beschwerde-führerin nicht nachgekommen. Der Kostenfestsetzungsantrag ent-hält, ebenso wie das weitere Vorbringen der Pflichtverteidige-rin, keine nachvollziehbaren Angaben darüber, welche Ablich-tungen aus den Gerichtsakten für den Beschuldigten überhaupt gefertigt wurden. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang aus der Sicht eines vernünftigen, sachkundigen Dritten (vgl. Se-nat, Beschluss vom 24. Juli 1995 4 Ws 131/95 - [zu § 27 Abs. 1 Satz 2 BRAGO a.F.]; Schmidt in Burhoff aaO Nr. 7000 VV Rdnr. 9; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Mül-ler-Rabe aaO Nr. 7000 VV Rdnr. 22; jeweils m.w.Nachw.) die Ab-lichtungen geboten waren, lässt sich deshalb nicht beurteilen. Der pauschale Vortrag, es habe sich um ein „umfangreiches Ver-fahren mit umfangreichen Akten und Zeugenaussagen und weiteren Ermittlungen gehandelt“ und es sei „nicht zumutbar und auch nicht möglich gewesen, den Mandanten darüber in Form einer Zu-sammenfassung zu unterrichten“, genügt nicht, um das Geboten-sein aller geltend gemachten Ablichtungen oder wenigstens ein-zelner von ihnen zu belegen. Hierfür reicht im Hinblick auf die Anzahl der in der Anklageschrift – teilweise nur vorsorg-lich – benannten Zeugen auch der Hinweis in der Beschwerdebe-gründung nicht aus, es sei „auf den Wortlaut von Aussagen“ an-gekommen. Da zudem im Hinblick auf den Umfang der Gerichtsak-ten zum Zeitpunkt der Anklageerhebung – im Wesentlichen sechs Bände Hauptakten mit insgesamt etwa 644 Blatt, ein Obduktions-band mit 15 Blatt, eine Bildermappe mit etwa 40 Blatt sowie vier Beiakten - und die Anzahl der geltend gemachten Ablich-tungen gewichtige Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Pflichtverteidigerin dem Angeklagten aus Gründen der Arbeits-erleichterung den gesamten (Haupt-)Aktenbestand in Ablichtung überlassen hat und somit Auslagen für eine Vielzahl von Ab-lichtungen unnötig verursacht wurden, oblag es in diesem be-sonderen Fall der Pflichtverteidigerin, auch das Gebotensein der Auslagen (vgl. KG, Beschluss vom 20. Juni 2005 aaO m.w.Nachw.) zu belegen. Dieser Obliegenheit ist sie ebenfalls nicht nachgekommen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG.


Müller

Einsender: VorRiKG Weißbrodt, Berlin

Anmerkung:


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