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RVG Entscheidungen

Gebühren-/Kostenfragen - Auslagen

Aktenversendungspauschale, ortsansässiger Rechtsanwalt, Auslage der Prozessführung, Willkürverbot

Gericht / Entscheidungsdatum: VerfGH Berlin, Beschl. v. 13.05.2025 – VerfGH 94/23

Eigener Leitsatz:

Die Auffassung, dass die im Zuge der Akteneinsichtnahme entstandene Aktenversendungspauschale für den ortsansässigen Rechtsanwalt keine notwendige Auslage der Prozessführung ist und damit nicht erstattet wird, ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.


In pp.

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der als Strafverteidiger tätige Beschwerdeführer wendet sich gegen die Versagung der Erstattung einer Aktenversendungspauschale im Rahmen der Festsetzung seiner Pflichtverteidigergebühren.

In einem gegen seine Mandantin geführten Strafverfahren bestellte das Amtsgericht Tiergarten den Beschwerdeführer als Pflichtverteidiger. Der Beschwerdeführer beantragte in diesem Verfahren Akteneinsicht und bat um Überlassung der Akten in seine Kanzlei. Das Amtsgericht Tiergarten übermittelte ihm daraufhin die zwei Bände umfassende Ermittlungsakte. Mit einer Kostenrechnung erhob die Kosteneinziehungsstelle der Justiz für diese Aktenübersendung eine Aktenversendungspauschale in Höhe von 12 Euro von dem Beschwerdeführer, die dieser zahlte. Das Strafverfahren endete mit einem Strafbefehl, wobei das Gericht der Mandantin des Beschwerdeführers die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen auferlegte.

Eine im Rahmen der Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren beantragte Erstattung der Aktenversendungspauschale in Höhe von 12 Euro lehnte das Amtsgericht Tiergarten ab. Zur Begründung führte es aus, eine Akteneinsicht sei jederzeit an der Gerichtsstelle möglich, so dass die Versendung der Akten an die Anwaltskanzlei eines Berliner Rechtsanwalts nicht erforderlich sei. Die entstandenen Kosten gehörten damit nicht zu den notwendigen Auslagen im Sinne von § 464a StPO i. V. m. § 91 ZPO. Die dagegen eingelegte Erinnerung des Beschwerdeführers vom 9. Juni 2023 wies das Amtsgericht Tiergarten mit Beschluss vom 12. Juli 2023, dem Beschwerdeführer zugegangen am 17. Juli 2023, zurück.

Am Montag, dem 18. September 2023 hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde erhoben, mit der er unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Beschluss vom 18. Mai 2022 - VerfGH 91/21; die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes sind abrufbar unter gesetze.berlin.de) eine Verletzung des Willkürverbots aus Art. 10 Abs. 1 der Verfassung von Berlin - VvB - rügt.

Der Äußerungsberechtigte hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

II.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg, weil sie jedenfalls unbegründet ist. Die Ablehnung der Erstattung der Auslagenversendungspauschale verletzt vorliegend nicht Art. 10 Abs. 1 VvB in seiner Ausprägung als Willkürverbot.

Ein Richterspruch verstößt gegen das Willkürverbot, wenn die angegriffene Rechtsanwendung oder das Verfahren unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht. Dies ist etwa der Fall, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird (Beschluss vom 18. Mai 2022 - 91/21 - Rn. 8 m.w.N.). Die verfassungsrechtliche Kontrolle einer Verletzung des Willkürverbots durch Gerichtsentscheidungen greift damit nicht bei jedem Fehler in der Rechtsanwendung ein (Beschluss vom 27. April 2022 - VerfGH 106/20 - Rn. 11; st. Rspr.). Die Auslegung des Gesetzes und seine Anwendung auf den Einzelfall sind vielmehr Sache der Fachgerichte und der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof grundsätzlich entzogen (Beschluss vom 27. April 2022 - VerfGH 130/20 - Rn. 7).

Das Amtsgericht Tiergarten hat die Notwendigkeit der Auslage im Sinne von § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO i. V. m. § 91 Abs. 2 ZPO mit dem Argument verneint, der einem Rechtsanwalt durch Akteneinsicht entstehende Aufwand sei mit der Grund- und Verfahrensgebühr des RVG abgegolten. Insbesondere dem ortsansässigen Anwalt bleibe es überlassen, ob er sich die Akte bei Gericht zur Einsicht abhole und wieder zurückbringe, ohne dass er Zeit-, Fahrt- und Parkaufwand hierfür gesondert in Rechnung stellen könne oder ob er sich dies als persönlichen und bereits abgegoltenen Vorteil erspare und das Gericht bitte, die Akte ausnahmsweise entgegen der ansonsten üblichen Praxis und unter Zusage der Kostenübernahme zu übersenden. Notwendig sei Letzteres aufgrund der vorgenannten Alternativmöglichkeit allerdings nicht. Auch die Kosten der Rücksendung der Akte seien über die pauschalen Postauslagen hinaus nicht in Ansatz zu bringen.

Indem es diese Begründung gibt, setzt sich das Amtsgericht Tiergarten mit dem Begriff der notwendigen Auslagen im Sinne von § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO inhaltlich auseinander. Es vertritt die Auffassung, die Kosten, die durch die Aktenübersendung in seine Kanzlei hinzukommen, seien nicht „notwendig“, wenn der Aufwand, der dem Rechtsanwalt durch Einsichtnahme in die Akte vor Ort oder ihre Abholung bei Gericht entsteht, bereits durch die RVG-Gebühren abgegolten ist.

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Begriff der Notwendigkeit bzw. der notwendigen Auslage im Sinne von § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO damit sprachlich und gedanklich nachvollziehbar ausgelegt. An die Frage der Notwendigkeit von Kosten wird dabei ein strenger Maßstab angelegt: Wenn die - unbestritten notwendige - Akteneinsicht im Gericht bzw. nach dortiger Abholung der Akten möglich ist, ist die Übersendung der Akte in die Kanzlei nicht „notwendig“, um die Akten einsehen zu können. Folglich sind nach Auffassung des Amtsgerichts die durch die Übersendung zusätzlich verursachten Kosten auch nicht „notwendig“.

Diese Sichtweise mag streng gegenüber einem Rechtsanwalt sein, der Akteneinsicht nehmen muss. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass sie unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar und folglich willkürlich wäre. Die Frage, ob sie in einfachrechtlicher Hinsicht Zustimmung verdient, ist durch den Verfassungsgerichtshof nicht zu überprüfen.

Soweit der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 18. Mai 2022 (VerfGH 91/21) in einem anderen Fall die Versagung einer Aktenversendungspauschale als Verstoß gegen das Willkürverbot angesehen hat, lag dies an der anderslautenden Begründung der dort angefochtenen Entscheidung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 33, 34 VerfGHG.


Einsender:

Anmerkung: vorhergehend: AG Tiergarten, Beschl. v. 12.07.2023 - (327 Ds) 232 Js 312/19 29207 V (10/19)


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