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RVG Entscheidungen

Vorbem. 4.1 Abs. 3 VV

Längenzuschlag, maßgebliche Hauptverhandlungsdauer, Abzug von Pausen, spätere Fortsetzung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Jena, Beschl. v. 12.04.2024 - 3 St 2 BJs 4/21

Eigener Leitsatz:

Voraussetzung für die Nichtberücksichtigung einer Pause bei der Berechnung der für den sog. Längenzuschlag maßgeblichen Hauptverhandlungsdauer ist gemäß Vorb. 4.1. Abs. 3 S. 2, dass die Unterbrechung der Hauptverhandlung mindestens eine Stunde andauerte und vorn Vorsitzenden unter Angabe eines konkreten Zeitpunkts der Fortsetzung angeordnet wurde. Wird dann die Hauptverhandlung aus von dem Rechtsanwalt nicht zu vertretenden Gründen erst nach dem genannten Zeitraum fortgesetzt, ist nur der vom Vorsitzenden angeordnete Zeitraum zu berücksichtigen, nicht die Dauer der tatsächlichen Unterbrechung.


Thüringer Oberlandesgericht
3 St 2 BJs 4/21

Beschluss

In dem Strafverfahren
gegen pp.

wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung u.a.
hat das Thüringer Oberlandesgerichts in Jena am 12.04.2024 durch die zuständige Rechtspflegerin
beschlossen:

Der Erinnerung der Staatskasse gegen den Beschluss vom 23.02.2024 wird nicht abgeholfen.

Gründe:

Mit Beschluss vom 19.06.2023 wurde Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger für den Ange-schuldigten pp. bestellt.

Mit Schreiben vom 03.02.2024 beantragte Rechtsanwalt pp. die Festsetzung eines Kostenvorschusses gemäß § 47 RVG.

Mit Beschluss vom 23.03.2024 wurde der Kostenvorschuss antragsgemäß festgesetzt.

Mit Schreiben vom 05.03.2024 wurde durch die Staatskasse der Rechtsbehelf der Erinnerung gemäß § 56 RVG erhoben. Die Erinnerung bezieht sich dabei auf die antragsgemäße Festsetzung des Längenzuschlags nach Nr. 4122 VV RVG in Höhe von 233,00 EUR für die Teilnahme am Hauptverhandlungstermin vom 2.01.2024.

Hierzu wurde Rechtsanwalt pp. mit Schreiben vom 08.03.2024 zur Stellungnahme aufgefordert.

Diese erfolgte mit Schreiben vom 16.03.2024.

Die Stellungnahme wurde sodann der Staatskasse zur Kenntnisnahme weitergeleitet.

Diese teilte mit Schreiben vom 26.03.2024 mit, an der Erinnerung festhalten zu wollen.

Auf die in der Akte befindlichen Schriftsätze wird Bezug genommen.

Gemäß Nr. 4122 VV RVG entsteht eine zusätzliche Gebühr in Höhe von 233,00 EUR, wenn der Rechtsanwalt an mehr als 5 bis 8 Stunden Hauptverhandlung teilnimmt.

Ausweislich der Vorbemerkung 4.1 Abs. 3 VV RVG sind Wartezeiten und Unterbrechungen an einem Hauptverhandlungstag als Teilnahme zu berücksichtigen, es sei denn der Rechtsanwalt hat diese zu vertreten oder die Unterbrechung dauerte mindestens eine Stunde an und wurde unter Angabe einer konkreten Dauer oder eines Zeitpunkts der Fortsetzung angeordnet.

Ausweislich des Protokolls über den Hauptverhandlungstermin am 22.01.2024 wurde die Verhandlung um 12.35 für eine Mittagspause unterbrochen, wobei die Verhandlung auf Anordnung des Vorsitzenden um 13.30 Uhr fortgesetzt werden sollte.

Tatsächlich wurde die Verhandlung erst 13.35 Uhr fortgesetzt.

Mithin beläuft sich die angeordnete Unterbrechung auf 55 Minuten.

Die tatsächliche Unterbrechung beläuft sich auf 60 Minuten.

Voraussetzung für den Abzug der Unterbrechung sind gemäß Vorb. 4.1. Abs. 3 S. 2, dass diese mindestens eine Stunde andauerte und vorn Vorsitzenden unter Angabe eines konkreten Zeit-punkts der Fortsetzung angeordnet wurde.

Wird dann die Hauptverhandlung aus von dem Rechtsanwalt nicht zu vertretenden Gründen erst nach dem genannten Zeitraum fortgesetzt, ist nur der vom Vorsitzenden angeordnete Zeitraum zu berücksichtigen, nicht die Dauer der tatsächlichen Unterbrechung (vgl. LG Mannheim, Beschluss vom 11. Mai 2022 — 4 KLs 300 Js 40140/20),

Der angeordnete Zeitraum beläuft sich, wie oben ausgeführt, auf 55 Minuten.

Unterbrechungen von bis zu einer Stunde werden grundsätzlich immer als Teilnahme berücksichtigt (vgl. Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 26. Auflage 2023, Rn. 23).

Es sei denn der Rechtsanwalt hat diese zu vertreten, wobei dies der Fall wäre, wenn die Unter-brechung auf Wunsch des Rechtsanwalts angeordnet wurde, etwa weil dieser einen anderen Termin wahrnehmen muss (vgl. Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 26. Auflage 2023, Rn. 25). Ausweislich des Protokolls des Hauptverhandlungstermins wurde die Verhandlung für eine Mittagspause unterbrochen, vor diesem Hintergrund ist daher ein Vertretenmüssen nicht erkennbar.

Die zu berücksichtigende Dauer des Termins setzt sich wie folgt zusammen:

Die Hauptverhandlung wurde um 10.05 Uhr eröffnet, wobei der Beginn zuvor auf 10.00 Uhr bestimmt war. Die 5 Minuten Wartezeit sind bei der Berechnung der Verhandlungsdauer mit zu berücksichtigen.

Ausweislich des Protokolls wurde die Verhandlung um 15.55 Uhr geschlossen.

Da die Mittagspause als Unterbrechung nicht in Abzug zu bringen ist, beläuft sich die gesamte zu berücksichtigende Verhandlungszeit auf 5.55 Stunden.

Der Rechtsanwalt hat somit an mehr als 5 bis 8 Stunden Hauptverhandlung teilgenommen, der Längenzuschlag gemäß Nr. 4122 VV RVG in Höhe von 233,00 EUR ist entstanden.

Aus oben genannten Gründen wird der Erinnerung nicht abgeholfen.

Das Rechtsmittel wird dem zuständigen Richter zur Entscheidung vorgelegt.


Einsender: RA B. Heiermann, Dülmen, und RA H. Urbanzyk, Coesfeld

Anmerkung: Das OLG Jena hat durch OLG Jena, Beschl. v. 18.04.2024 - 3 St 2 BJs 4/21 die Erinnerung aus den zutreffenden Gründen des Nichtabhilfebeschlusses zurückgewiesen.


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